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Das alte Europa.
sich frei und unabhängig in ihrer Eigenthümlichkeit zu entwickeln;
jede Stadt hatte ihre eigenen Gottheiten und in der Verfassung
ihr Besonderes*), jede strebte auch darnach, vor den Nachbarn
durch eine Besonderheit sich auszuzeichnen und eine jede that dieß
auch. Dennoch aber finden wir bei den Griechen dasselbe Gefühl
des Zusammengehörens und das Bestreben zusammenzuhalten,
was wir bei den Beduinen angetroffen haben (C. G. IV. 184.).
Besonders lebhaft aber trat dieses Gefühl dem Auslande, den Frem-
den, den Barbaren gegenüber hervor, denen der Grieche sich stets
überlegen fühlte.
Thatig erhalten wurde dasselbe durch die, wenn auch in Dia-
lekte geschiedene, doch Allen gemeinsame Sprache und Schrift,
durch die gemeinsame Götter - und Heldensage, an welche
auch neue Ortschaften und Städte sich anzuheflen bemüht waren,
durch den lebendigen Sinn für das Schöne in der Form und
die Anerkennung derselben bei dem stamm - und sprachverwandten
Nachbar.
Aus diesen Neigungen und Bedürfnissen entwickelten sich all-
gemach Einrichtungen, welche auf die Belebung und Erhaltung der
freundlichen Verhältnisse der griechischen Staaten gerichtet waren**),
die Festgemeinschaften nnd die Bünde.
Was in befreundeten Familien die Symposien, das wurden
den befreundeten Staaten die Panegyreis, die an religiöse Sagen
und Denkmale angeknüpft die Befreundeten zu gemeinsamen und
dadurch erhöhten heitern Lebensgenuß, verbunden nut feierlichen
Handlungen, zu bestimmter Zeit an gewissen Orten vereinten. All-
gemach fand auch der griechische Handelsgeist hier einen Anknüpfungs-
punkt, dann, namentlich als ein Staat den andern zu überwuchern
drohte, als endlich gar die Fremden mit Einfällen drohten, trat
politisches Erwägen dazu. Immer aber hüthcte sich ein griechischer
Staat den andern gegenüber so wenig wie möglich von seiner po-
litischen Selbstständigkeit aufzugeben und in irgend welche Abhängig-
keit zu gerathen.
Unter den Festgemeinschaften unterscheidet man vornehmlich
zwei Arten, die Amph ikty on ien, wo Nachbarn gleich einer ge-
schlossenen Gesellschaft sich versammelten, und jene Panegyrien,
an denen jeder griechische Staat Antheil zu nehmen eingeladen war.
Am phiktyonien waren auf Euböa die Amarynthia, an
*) Die Entwickelung dieser Eigenthümlichkeiten s. man besonders in
der Darstellung der griechischen Staatsverfassung von Fr. W> Tittmsnn.'
Leipz. 1822. 8. im 3. bis 5. Buche.
**) S. bes. Wachsmuth's hellenische Alterthumskunde. I- 1. 104 ff.
Das alte Europa.
sich frei und unabhängig in ihrer Eigenthümlichkeit zu entwickeln;
jede Stadt hatte ihre eigenen Gottheiten und in der Verfassung
ihr Besonderes*), jede strebte auch darnach, vor den Nachbarn
durch eine Besonderheit sich auszuzeichnen und eine jede that dieß
auch. Dennoch aber finden wir bei den Griechen dasselbe Gefühl
des Zusammengehörens und das Bestreben zusammenzuhalten,
was wir bei den Beduinen angetroffen haben (C. G. IV. 184.).
Besonders lebhaft aber trat dieses Gefühl dem Auslande, den Frem-
den, den Barbaren gegenüber hervor, denen der Grieche sich stets
überlegen fühlte.
Thatig erhalten wurde dasselbe durch die, wenn auch in Dia-
lekte geschiedene, doch Allen gemeinsame Sprache und Schrift,
durch die gemeinsame Götter - und Heldensage, an welche
auch neue Ortschaften und Städte sich anzuheflen bemüht waren,
durch den lebendigen Sinn für das Schöne in der Form und
die Anerkennung derselben bei dem stamm - und sprachverwandten
Nachbar.
Aus diesen Neigungen und Bedürfnissen entwickelten sich all-
gemach Einrichtungen, welche auf die Belebung und Erhaltung der
freundlichen Verhältnisse der griechischen Staaten gerichtet waren**),
die Festgemeinschaften nnd die Bünde.
Was in befreundeten Familien die Symposien, das wurden
den befreundeten Staaten die Panegyreis, die an religiöse Sagen
und Denkmale angeknüpft die Befreundeten zu gemeinsamen und
dadurch erhöhten heitern Lebensgenuß, verbunden nut feierlichen
Handlungen, zu bestimmter Zeit an gewissen Orten vereinten. All-
gemach fand auch der griechische Handelsgeist hier einen Anknüpfungs-
punkt, dann, namentlich als ein Staat den andern zu überwuchern
drohte, als endlich gar die Fremden mit Einfällen drohten, trat
politisches Erwägen dazu. Immer aber hüthcte sich ein griechischer
Staat den andern gegenüber so wenig wie möglich von seiner po-
litischen Selbstständigkeit aufzugeben und in irgend welche Abhängig-
keit zu gerathen.
Unter den Festgemeinschaften unterscheidet man vornehmlich
zwei Arten, die Amph ikty on ien, wo Nachbarn gleich einer ge-
schlossenen Gesellschaft sich versammelten, und jene Panegyrien,
an denen jeder griechische Staat Antheil zu nehmen eingeladen war.
Am phiktyonien waren auf Euböa die Amarynthia, an
*) Die Entwickelung dieser Eigenthümlichkeiten s. man besonders in
der Darstellung der griechischen Staatsverfassung von Fr. W> Tittmsnn.'
Leipz. 1822. 8. im 3. bis 5. Buche.
**) S. bes. Wachsmuth's hellenische Alterthumskunde. I- 1. 104 ff.