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Das alte Europa.
Entwickelung des griechischen Volkes wieder, das es weder zu einer
staatlichen Einheit, noch zu einer auf sittlichen Grundsätzen beruhen-
den Religion und Gesetzgebung bringen konnte und dessen Glieder
sich, das einzige allerdings groteske Sparta ausgenommen, nie zu
einer wohlgeordneten, Dauer verbürgenden, festen Staatsform aus-
bildeten. Griechenland blieb stets unter der Herrschaft seiner Leiden-
schaften, bis es die Makedonier und später die Römer an sich
nahmen und der Grundsatz aufkam: Heimath ist Alles, wo es
Einem wohl ergeht.
Die Wissenschaft
bietet in Griechenland ähnliche Erscheinungen dar wie das Staats-
leben. Der eigentliche Vater - der antiken Wissenschaft war wohl
der Geburt nach ein Grieche, allein der Schüler der Aegypter.
Die Sage war auch in Hellas (s. C. G. I. 2.) der Inbegriff
aller Erfahrung, jeglicher Kenntniß und alles Wissens. Sie wurde
früh in hymnische und epische Gesänge gefaßt. Die Ansichten über
die Schöpfung der Erde, die Natur der Gottheit, das Geschick der
Menschen, die Eigenschaften der Naturkörper, ja medicinische und
technische Erfahrungen, das Alles sand eine Stelle in diesen Ge-
dichten.
Ist nun auch dieß der erste Versuch des Festhaltens der Er-
fahrung, so wird der Besitz derselben doch erst dann gesichert, wenn
dieß mit Hilfe der Schrift geschieht. Wir finden aber, daß die
Griechen in ihren Sagen die Erfindung der Schrift sich durchaus
ebenso wenig aneignen, als etwa die Germanen oder irgend eine
andere europäische Nation. Der Erfindung der Buchstaben gehen
die Bilder- und Zeichenschrift voraus, wie wir sie in den altame-
rikanischen Staaten, und die Hieroglyphenschrift, deren Entwickelung
wir in Aegypten kennen lernten (s. C. G. V. 440.). Die Griechen
erhielten von dort die Schrift, angeblich durch Kadmos*), wie sie
später von dort her auch die erste Anregung zur bildenden Kunst
und früher schon die Götter erhalten hatten. Die Schrift wurde
nun zur Aufzeichnung von geschichtlichen Notizen in Marmortafeln
benutzt, dergleichen Fourmont eine über dem kleinen Tempel von
Amyklä fand, die in der Ackerpflugart, Bustrophedon, die Namen-
reihe der Priesterinnen enthält. Man setzt diese Inschrift ins
12. Jahrh. v. CH. G. **). Die Griechen fuhren bis auf die spätere
Römerzeit fort, Denkwürdigkeiten und Weihungen in Marmor, dann
auch in Erz zu graben. Das eigentliche, für Privatzwecke dienlichere
Schreibmaterial wurde besonders seit dem mit Aegypten eröffneten
*) 8cboell, bist. <ls la liter. I. 81.
**) 8ctwell, a. a. Ο. I. 93.
Das alte Europa.
Entwickelung des griechischen Volkes wieder, das es weder zu einer
staatlichen Einheit, noch zu einer auf sittlichen Grundsätzen beruhen-
den Religion und Gesetzgebung bringen konnte und dessen Glieder
sich, das einzige allerdings groteske Sparta ausgenommen, nie zu
einer wohlgeordneten, Dauer verbürgenden, festen Staatsform aus-
bildeten. Griechenland blieb stets unter der Herrschaft seiner Leiden-
schaften, bis es die Makedonier und später die Römer an sich
nahmen und der Grundsatz aufkam: Heimath ist Alles, wo es
Einem wohl ergeht.
Die Wissenschaft
bietet in Griechenland ähnliche Erscheinungen dar wie das Staats-
leben. Der eigentliche Vater - der antiken Wissenschaft war wohl
der Geburt nach ein Grieche, allein der Schüler der Aegypter.
Die Sage war auch in Hellas (s. C. G. I. 2.) der Inbegriff
aller Erfahrung, jeglicher Kenntniß und alles Wissens. Sie wurde
früh in hymnische und epische Gesänge gefaßt. Die Ansichten über
die Schöpfung der Erde, die Natur der Gottheit, das Geschick der
Menschen, die Eigenschaften der Naturkörper, ja medicinische und
technische Erfahrungen, das Alles sand eine Stelle in diesen Ge-
dichten.
Ist nun auch dieß der erste Versuch des Festhaltens der Er-
fahrung, so wird der Besitz derselben doch erst dann gesichert, wenn
dieß mit Hilfe der Schrift geschieht. Wir finden aber, daß die
Griechen in ihren Sagen die Erfindung der Schrift sich durchaus
ebenso wenig aneignen, als etwa die Germanen oder irgend eine
andere europäische Nation. Der Erfindung der Buchstaben gehen
die Bilder- und Zeichenschrift voraus, wie wir sie in den altame-
rikanischen Staaten, und die Hieroglyphenschrift, deren Entwickelung
wir in Aegypten kennen lernten (s. C. G. V. 440.). Die Griechen
erhielten von dort die Schrift, angeblich durch Kadmos*), wie sie
später von dort her auch die erste Anregung zur bildenden Kunst
und früher schon die Götter erhalten hatten. Die Schrift wurde
nun zur Aufzeichnung von geschichtlichen Notizen in Marmortafeln
benutzt, dergleichen Fourmont eine über dem kleinen Tempel von
Amyklä fand, die in der Ackerpflugart, Bustrophedon, die Namen-
reihe der Priesterinnen enthält. Man setzt diese Inschrift ins
12. Jahrh. v. CH. G. **). Die Griechen fuhren bis auf die spätere
Römerzeit fort, Denkwürdigkeiten und Weihungen in Marmor, dann
auch in Erz zu graben. Das eigentliche, für Privatzwecke dienlichere
Schreibmaterial wurde besonders seit dem mit Aegypten eröffneten
*) 8cboell, bist. <ls la liter. I. 81.
**) 8ctwell, a. a. Ο. I. 93.