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Klemm, Gustav Friedrich
Allgemeine Cultur-Geschichte der Menschheit: nach den beßten Quellen bearbeitet und mit xylographischen Abbildungen der verschiedenen Nationalphysiognomien, Geräthe, Waffen, Trachten, Kunstproducte u.s.w. versehen (Band 8): Das alte Europa: Mit 6 Tafeln Abbildungen — Leipzig: Verlag von B.G. Teubner, 1850

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https://doi.org/10.11588/diglit.63452#0099
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Familienleben der Griechen.

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dieser Feier erklärte der Vater, ob er das Kind anneh-
men oder es aussetzen lassen wollte, denn dazu berechtigte
ihn das Gesetz. Gemeiniglich setzte man nur Mädchen aus, die
man jedoch zum Theil verkaufte. Von Seiten der Mütter, wohl
kaum aber in der Ehe, kamen aber auch absichtliche Fehlgeburten
vor, und Aristoteles zieht sie der Aussetzung der Kinder vor. Ge-
wöhnlichste Ursache zur Aussetzung der Kinder war die Furcht, das
Vermögen zu sehr zu zersplittern *). Zuweilen kauften kinderlose
Frauen ausgesetzte Kinder.
Am zehnten Tage nach der Geburt fand das Hauptfest Statt.
Man lud Verwandte und Freunde zu einem Opfer und Fest-
mahle ein und diese Feier galt vor Gericht als Beweis, daß das
Kind vom Vater anerkannt worden. Vater und Mutter, Ver-
wandte und selbst Sclaven machten dabei dem Kinde Geschenke, und
dasselbe bekam nun auch seinen Nam eit, den vorzugsweise der
Vater auswählte. Bei den Griechen hatte Jeder nur einen Namen,
Geschlechtsnamen gab es nicht; um Verwechselungen zu verhindern,
setzte man sodann den des Vaters im Genitiv bei, z. B. Nausi-
philes Nausinikou, Phokion Phokou. Im spätem Leben fügte dann
wohl das Volk berühmten Männern noch einen Spitznamen bei,
der in der Regel sehr treffend war, wie namentlich die der altern-
den Hetären.
Die Ernährung des Kindes war zwar als Pflicht der Mutter
anerkannt, doch hielten sich Wohlhabende immer eine Amme, wozu
sich in Athen wohl auch ärmere Bürgerinnen hergaben. Ja, man
kaufte für Alkibiades eilte spartanische Amme, die als Kinderwär-
terinnen den Ruf der wendischen Ammen im modernen Sachsen
hatten. Nebenbei gab man den Säuglingen Honig. Konnte das
Kind festere Speisen vertragen, so kaute ihm die Amme diese vor.
Wiegen hatte man nicht. Man trug und sang die Kinder ein.
Alkmene legte freilich ihre Kinder Herakles und Jphikles in den
Schild des Vaters, setzte ihn in wiegende Bewegung und sang**):
Schlaft mir, Kinderchen, süß, »schlaft den erquickenden Schlummer,
Trauteste, schlaft, o Seelchen, ihr Zwillinge, keck und voll Leben'.
Liegt in seliger Ruh und erreicht in Ruhe das Frühlicht'.'
Bis zum 6. Jahre blieb die Erziehung der Knaben und Mäd-
chen ungetrennt unter den Augen der Mütter. Die Kinder beka-
men mancherlei Spielzeug, aus Metall, Elfenbein, Thon und Holz,
kleine Wagen, Bettchen, Thierfiguren, Puppen aus Thon, Klap-
pern. Namentlich erhielten die Mädchen thönerne und bemalte Fi-
guren und die Knaben bekamen bekannte Feldherren, Krieger, Thiere.

*) S. Becker's Charikles I. 20.
**) Theokrit'S 24. Idyll.
 
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