152
Das alte Europa.
Es war also eine in der menschlichen Natur begründete Er-
scheinung, als sich aus dem Volke einzelge von kräftigen Leiden-
schaften getriebene Männer herausstellten, die nach der Herrschaft
strebten und welche das Bedürfniß des Volkes, eine Leitung an sich
zu reißen strebten. Das Beispiel des Einen reizte Andere, ihm
nachzueifern. Ein Jeder suchte sich Anhänger zu verschaffen und
er mußte sie finden, je entschiedner er austrat, je mehr er zu
versprechen wagte. Ein Jeder behielt von den vorher vorhandenen
Einrichtungen bei, was ihm brauchbar schien; ein Jeder suchte das,
was er in die früher bestehende Verfassung einschob, dadurch dem
Volke ehrwürdig zu machen, daß er versicherte, es seh ganz im
Geiste des Alten, — und so wurden denn spätere Einrichtungen,
z. B. von Kleisthenes gemacht, als solonische Institutionen ange-
sehen *).
In den meisten griechischen Staaten entstanden Tyrannien;
in Athen trat dreißig Jahre nach Solons Tode Peisistratos auf,
auf dessen Söhne Hippias und Hipparchos die Gewalt, wenn auch
nicht ungestört, überging.
Die Tyrannen brauchten, um ihre Herrschaft zu befestigen,
das gemeine Volk, die rohe Masse, auf die sie durch Schmeicheleien
einzuwirken suchten; durch Gewandtheit der Rede, durch schimmernde
Gründe, durch alle Mittel der sich bildenden Rhetorik suchten sie
dasselbe zu lenken, wenn anderweite Gewaltmittel nicht ausreichten.
Unter letztere gehörten die Leibwachen, wie deren eine Hieron von
Syrakus (Diodor XI. 45.) sich beilegte, der auch fremde Truppen
in Sold nahm, als er von seinem Polyzelos Angriffe auf seine
Herrschaft vermuthete. Es waren aber jene Tyrannen nicht im Stande
eigentliche, dauernde Dynastien zu gründen; es entstand ein unstäter,
wechselvoller Zustand, eine fortwährende Scheidung und Spaltung.
In den kleinen einzelnen Staaten stritten die Tyrannen und Par-
teien um die Herrschaft, dann aber suchten diese bei den Nachbarn
Hülfe, wenn sie dem Unterliegen nahe waren, oft auch in den
Colonien, endlich aber im Auslande. Allerdings gingen die Griechen
aus dem Kampfe mit den Persern (500 bis 449 vor Chr. G.)
siegreich hervor und vor Allem erhob sich Athen unter Perikles und
Alkibiades zur höchsten Blüthe, die vornehmlich in der Kunst zur
glänzendsten Erscheinung kam, — allein das griechische Volk war
nicht im Stande, aus sich selbst einen Mittelpunkt zu schaffen, der
die zersplitterten Staaten zu einem Ganzen gemacht hätte. Im
Jahre 337 v. Chr. wurde Philippos, König von Makedonien, zum
Oberfeldherrn ernannt. Von da an waren die Griechen nicht
mehr selbständig, denn den makedonischen Herren folgten später die
Römer, Griechenland ward nach dem Falle Makedoniens römische
*) S. das Nähere bei Wachsmuth I. I. 268.
Das alte Europa.
Es war also eine in der menschlichen Natur begründete Er-
scheinung, als sich aus dem Volke einzelge von kräftigen Leiden-
schaften getriebene Männer herausstellten, die nach der Herrschaft
strebten und welche das Bedürfniß des Volkes, eine Leitung an sich
zu reißen strebten. Das Beispiel des Einen reizte Andere, ihm
nachzueifern. Ein Jeder suchte sich Anhänger zu verschaffen und
er mußte sie finden, je entschiedner er austrat, je mehr er zu
versprechen wagte. Ein Jeder behielt von den vorher vorhandenen
Einrichtungen bei, was ihm brauchbar schien; ein Jeder suchte das,
was er in die früher bestehende Verfassung einschob, dadurch dem
Volke ehrwürdig zu machen, daß er versicherte, es seh ganz im
Geiste des Alten, — und so wurden denn spätere Einrichtungen,
z. B. von Kleisthenes gemacht, als solonische Institutionen ange-
sehen *).
In den meisten griechischen Staaten entstanden Tyrannien;
in Athen trat dreißig Jahre nach Solons Tode Peisistratos auf,
auf dessen Söhne Hippias und Hipparchos die Gewalt, wenn auch
nicht ungestört, überging.
Die Tyrannen brauchten, um ihre Herrschaft zu befestigen,
das gemeine Volk, die rohe Masse, auf die sie durch Schmeicheleien
einzuwirken suchten; durch Gewandtheit der Rede, durch schimmernde
Gründe, durch alle Mittel der sich bildenden Rhetorik suchten sie
dasselbe zu lenken, wenn anderweite Gewaltmittel nicht ausreichten.
Unter letztere gehörten die Leibwachen, wie deren eine Hieron von
Syrakus (Diodor XI. 45.) sich beilegte, der auch fremde Truppen
in Sold nahm, als er von seinem Polyzelos Angriffe auf seine
Herrschaft vermuthete. Es waren aber jene Tyrannen nicht im Stande
eigentliche, dauernde Dynastien zu gründen; es entstand ein unstäter,
wechselvoller Zustand, eine fortwährende Scheidung und Spaltung.
In den kleinen einzelnen Staaten stritten die Tyrannen und Par-
teien um die Herrschaft, dann aber suchten diese bei den Nachbarn
Hülfe, wenn sie dem Unterliegen nahe waren, oft auch in den
Colonien, endlich aber im Auslande. Allerdings gingen die Griechen
aus dem Kampfe mit den Persern (500 bis 449 vor Chr. G.)
siegreich hervor und vor Allem erhob sich Athen unter Perikles und
Alkibiades zur höchsten Blüthe, die vornehmlich in der Kunst zur
glänzendsten Erscheinung kam, — allein das griechische Volk war
nicht im Stande, aus sich selbst einen Mittelpunkt zu schaffen, der
die zersplitterten Staaten zu einem Ganzen gemacht hätte. Im
Jahre 337 v. Chr. wurde Philippos, König von Makedonien, zum
Oberfeldherrn ernannt. Von da an waren die Griechen nicht
mehr selbständig, denn den makedonischen Herren folgten später die
Römer, Griechenland ward nach dem Falle Makedoniens römische
*) S. das Nähere bei Wachsmuth I. I. 268.