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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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15

Bücherschau.

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hat sich der Verfasser seine Kenntnisse erworben.
Unmittelbare, häufig wiederholte Anschauung der
Kunstwerke selbst spricht zum Leser und dass der
Verfasser sich vor allem auf sein eigenes Sehorgan
verlassen hat, hat ihn auf dem rechten Weg er-
halten. Es ist keine Arbeit, die gemächlich im
Studirzimmer nur mit Hilfe von Photographieen, mit
bequemem Verzicht auf Kenntnis der Originale, ent-
standen ist. Der stetige Umgang mit dem Material,
Bildern und Zeichnungen selbst, lässt die Erinnerung
an den geschichtlichen Hintergrund, zum Vorteil
der kritisch-historischen Studie über den Künstler,
in reliefloser Ferne verblassen. An die Schilderung
der politischen und sozialen Ereignisse, die mit dem
Lebensgange Sandro's verknüpft waren, sind keine
Worte vergeudet. In wenigen Zeilen wird an die
Pazzi-Verschwörung und ihren halben Erfolg erinnert,
etwas ausführlicher das fanatische Wirken jenes
Sittenreformators aus dem Kloster S. Marco von
Florenz behandelt, weil seine Predigten die Seele
des Künstlers tief erschütterten und seiner künstle-
rischen Laufbahn, wie der mancher seiner Zeit-
genossen, eine neue, ja überraschende Wendung
gaben.

Zuverlässige Mitteilungen über Sandro's Werke
setzen erst spät ein, ja die Summe der urkundlichen,
wie der alten litterarischen Nachrichten überhaupt
ist gering. Mit der durchaus glaubwürdigen alten
Überlieferung, dass Fra Filippo Lippi Botticelli's
Lehrer gewesen sei, setzt der Verf. sich im ersten
einleitenden Kapitel auseinander. Dabei gewinnen
wir endlich ein festes Bild des Fra Diamante —
als Maler freilich nur dritten Ranges — des thäti-
gen Gehilfen Fra Filippo's. Ihm wird als selbstän-
diges Werk auch ein Tafelbild zugeschrieben, die
Geburt Christi im Louvre (ML Sch. 222). Wenn
sich nun auch von Botticelli's Teilnahme an der
Ausführung der großen Wandmalereien, die seinen
Lehrer bis zum Tode beschäftigten, keine Spur auf-
finden lässt, so bleibt die Uberlieferung von dem
Verhältnis zwischen beiden doch zu Recht bestehen.
Zwei Madonnenbilder des Fra Filippo (in den Uffi-
zien und im Pitti-Palast zu Florenz) liefern den Be-
weis, wie sich der weibliche Typus und vor allem
die Komposition derartiger Andachtsbilder vom
Lehrer auf den Schüler vererbten. Das Unterschei-
dungsmerkmal bildet da wohl die Farbenbehandlung.
Die lebhaften Töne, die auf Botticelli's reicher Pa-
lette stehen, überstrahlen Fra Filippo's blassbläuliche
Farbenskala. Eine Reihe von Madonnenbildern,
deren Stil den Madonnenmaler späterer Jahre, wie

er Vasari z. B. geläufig war, in seinen künstlerischen
Anfängen verrät, gleichzeitig aber in der Kompo-
sition und auch in der seelischen Auffassung noch
von seinem Lehrer abhängig zeigt, führt in die
selbständige Schaffenszeit des jungen Sandro Botti-
celli ein. In einem sehr verdienstlichen Kapitel
„die Frühzeit" sind die frühesten noch jetzt vor-
handenen Werke — 1.1 Madonnenbilder — zusam-
mengestellt. Tritt Fra Filippo's Vorbild in des
Schülers Werken bald zurück, so lässt sich allge-
mach immer deutlicher der Einfluss Verrocchio's
wahrnehmen und zwar mit nachhaltiger Wirkung;
die Gründe, mit denen der Verfasser diese seine
Ansicht stützt, bekämpfen zugleich erfolgreich die
verbreitete Annahme von der stilistischen Abhängig-
keit Botticelli's von den Brüdern Pollaiuolo.

Das dritte Kapitel umfasst die „Arbeiten der
siebziger Jahre", darunter die allegorische Gestalt
der Fortitudo (in den Uffizien), ferner, um nur be-
kannteres aufzuzählen, die beiden flotten Kabinett-
stückchen aus der Geschichte der Judith (Uff.), den
heiligen Sebastian (Berlin, k. Mus.). Hier werden
auch alle dem Verf. bekannt gewordenen Bildnisse
behandelt, die der Mehrzahl nach auch in diesen
Jahren entstanden sind: so die vielumstrittenen
Bildnisse des unglücklichen Giuliano dei Medici.
Den künstlerischen Vorzug erteilt der Verf. dem in
Bergamo, wenn er eben nicht ansteht, die eigen-
händige Ausführung des in Berlin (k. Mus.) durch
den Meister anzuerkennen. Dann vier Bilder der
Anbetung der heiligen drei Könige, von denen das
aus S. Maria Novella (jetzt in den Uff.) die erste
Stelle einnimmt. Zwei Madonnenbilder, eins in der
Sammlung Raczynski (Berlin, Nat.-Gal.) und eins in
den Uffizien (Saal der alten Meister), beides Werke
von seltener Harmonie des Gedankens mit der Form,
bilden den Schluss des Kapitels.

Der nur noch kurze Zeitraum von 1480 bis zur
Reise nach Rom (1483) rechtfertigt deshalb die Ab-
grenzung eines besonderen Kapitels, weil alle hier-
her gehörigen Werke eine fein gestimmte Farben-
behandlung bei sorgfältigster Modellirung des Kör-
perlichen auszeichnet, angefangen vom heiligen
Augustin, dem Fresko in Ognissanti zu Florenz —
ohne Zweifel vom Jahre 1480 — bis zu der schönen
thronenden Madonna zwischen Johannes dem Täufer
und dem Evangelisten gleichen Namens (Berlin) und
seinem „Hauptwerk", der sogenannten Allegorie des
Frühlings. Über Sandro's Verhältnis zum Kupfer-
stich spricht sich der Verf. im Verlauf dieses Ka-
pitels dahin aus, dass der mit zwei Platten gedruckte
 
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