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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Verschiedenes / Inserate
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Sammlungen und Ausstellungen.

91)

SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN.

A. R. Aus den Berliner Kunstausstellungen. Obwohl die
Berliner Kunstausstellungen, die gegenwärtig am meisten be-
sucht werden, schon Ende September mit neuen Erschei-
nungen des großen Kaleidoskops unseres Kunstschaffens er-
öffnet worden sind, hat der Berichterstatter noch keine Ur-
sache gehabt, sich ernsthaft mit ihnen zu beschäftigen. Was
sie geboten haben, ist nur für die Lokalchronik von In-
teresse gewesen, und selbst diese beschränkt sich zumeist
auf die Ausstellung von Eduard Schulte, der es, wie in Köln
und Düsseldorf, verstanden hat, durch einen dreiwöchent-
lichen Wechsel von allem, was natürlich im künstlerischen
Sinne gedacht, „kreucht und fleugt", ein Stammpublikum von
Besuchern heranzuziehen, das stetig an Zahl wächst, weil es
allgemach zum guten Tone aller Lebemänner und Nichts-
thuer geworden ist, jeden Vormittag die Promenade durch
die Linden mit einem Besuche bei Schulte zu eröffnen. Auch
in den modernen Romanen, die das Leben der Berliner vor-
nehmen Welt widerspiegeln, fehlt selten ein Kapitel, das
in Schulte's Salon spielt, und dessen Inhalt den Helden und Hel-
dinnen des Romans Anlaß zu pikante» Wortgefechten giebt.
In richtiger Berechnung dieses Sensationsbedürfnisses hat
Herr Schulte schon seit einigen Jahren den Naturalisten,
den „Modernen" in jeder Form der Sektirerei und Phanta-
sterei die weitesten Zugeständnisse gemacht, und jetzt auch
wieder, zu Beginn der Herbstsaison, hat er mit allen seinen
Stammgästen aus Düsseldorf, München und Berlin, mit Andreas
und Oswald Achenbach, mit Grützner und selbst mit Pradilla
nicht soviel Beifall, Entrüstung und Heiterkeit zugleich hervor-
gerufen, wie mit einer Sonderausstellung von Bildnissen und
Studien der Porträtmalerin Bora Mit», die ihre Malereien
jetzt ganz in unbestimmte Visionen auflöst, und des von
München nach Berlin gekommenen Kurt Hermann, dessen
Bildnisse in ihrer anscheinend sehr kunstvollen Verschwei-
gung von Zeichnung und Modellirung beinahe den Eindruck
machen, als ob sich der geistreiche Spötter Adolf Oberländer
einmal in der Malerei mit Ölfarben versucht hätte. Diese
burschikose Manier, mit menschlichen Physiognomien um-
zugehen, würde nichts weiter als die Schrulle eines einzel-
nen bedeuten, wenn diese Herren nicht zugleich mit dem
Aplomb eines Lehrmeisters aufträten. Seit dem starken Nie-
dergange des Kunstmarktes in München und Berlin ist
ein neuer Zweig der Kunstindustrie gewachsen: die Maler-
schule unter Leitung bewährter Künstler. Im Laufe von
zwei Jahren sind in Berlin mindestens zwanzig solcher Ma-
lerschulen entstanden, die, wie der Prospekt und die Inserate
in den Zeitungen sagen, in allen Zweigen der Malerei und
auch der Plastik unterrichten. Kurt Hermann gehört selbst
zu diesen Lehrkünstlern, und erst in der letzten Schulte'schen
Ausstellung ist der Prospekt einer neuen „Mal- und Zeichen-
schule" verteilt worden, als deren Leiter die Herren Alfred
Weczerzick und Reinhold Mansche genannt werden. Ersterer
ist ein Schüler von Paul Meyerheini, der sich auf Berliner
Ausstellungen durch kleine Tierstücke nach Studien im zoo-
logischen Garten und im Hühnerhof bekannt gemacht, der
andere Meister der Schule ein Landschafts- und Marine-
maler, dessen bei Schulte ausgestellte Proben nur soviel
zeigen, dass ihr Urheber gewisse Natureindrücke mit tech-
nischer Gewandtheit, ohne starkes persönliches Empfinden,
wiederzugeben weiß. Wir erwähnen diese Einzelheit nur,
weil sie ein neues Zeugnis für die Oberproduktion in unserer
Kunst liefert. Bilder können nur noch schwer und mit Ver-
lusten verkauft werden; also gründet man eine Malschule,
aus der man, wenn das Glück es will, eine gewisse Rente

zieht, ohne zu berücksichtigen, dass mit dieser Art von Kunst-
Dressur das Künstlerproletariat nur vermehrt wird. — Da
Schulte die Naturalisten mit offenen Armen empfängt, hat
natürlich am meisten der Gurlittschc Salon darunter zu lei-
den, der sich eine Spezialität daraus gemacht hatte, die nach
dem Tode seines Begründers noch mehr gepflegt wird als
früher. Jede neu auftauchende Richtung, alles in gutem und
schlechtem Sinne „moderne", wird hier zuerst gezeigt, und
so hat der Salon auch durch seine diesjährige Herbstaus-
stellung den Berlinern die erste Bekanntschaft mit den geist
vollen Radirungen des Düsseldorfers Fr. v. Schennis, die an
dieser Stelle schon eingehend gewürdigt worden sind, und
mit den seltsamen Trockenradirun gen des Parisers P. Bclleu
vermittelt, der auch auf der diesjährigen Sezessionistenaus-
stellung in München vertreten war. — Die dritte private
Kunstausstellung, die von Amsler und Ruthardt (Gebr. Medor),
die Ölgemälde grundsätzlich ausschließt, hat ihre Saison mit
einer Zusammenstellung aller nur irgend erreichbaren graphi-
schen und mechanischen Nachbildungen von Raffaels Sixtina
begonnen, die das Material zu interessanten Vergleichen bot,
und darauf eine Sammlung von landschaftlichen Aquarellen
aus Italien, der Umgebung Hamburgs und den Küstengegen-
den der Nordsee von Ascan Lutteroth und von Zeichnungen
und Studien von Ismael Oentz, dem Sohne des bekannten
Orientmalers, folgen lassen. Unter diesen Blättern interessirten
vorzugsweise seine mit Bleistift und Kreide ausgeführten Brust-
bilder berühmter Zeitgenossen. Hohe Staatsbeamte. Gelehrte,
Künstler, Dichter, Schriftsteller, fast durchweg allbekannte
Persönlichkeiten, die zum Teil nicht mehr unter den Leben-
den weilen, haben dem jungen Künstler gesessen, der alle
hervorstechenden Züge ihres äußeren Wesensunterstützt
durch eine flotte, ungemein bestechende Behandlung, glücklich
erfasst hat und bisweilen auch durch die Oberfläche hindurch
in die Tiefe gedrungen ist. Trotz der sich immer bedroh-
licher gestaltenden Konkurrenz der Photographie werden
einige dieser Bildnisse einen dauernden kulturgeschichtlichen
Wert behalten. Leider begegnen die Anstrengungen der
Gebr. Meder nicht einer solchen Teilnahme des Publikums,
dass die Unternehmer wenigstens für die aufgewendeten
Kosten entschädigt werden. Das darf freilich nicht sehr be-
fremden, wenn man in Betracht zieht, dass auch- die Aus-
stellung des Vereins Berliner Künstler hinsichtlich der Zahl
der Besucher bei weitem nicht mit der Schulte'schen kon-
kurriren kann. Freilich bietet sie auch nicht die gleichen
Anziehungen. Sie könnte es thun, wenn die Mitglieder eine
größere Regsamkeit in der Überlassung ihrer neuesten und
besten Schöpfungen an die Ausstellung des Vereins ent-
falteten. Einzelne thun darin ihr Möglichstes; aber die Mehr-
zahl beschränkt sich auf die Einsendung von Durchschnitts-
arbeiten oder von leicht verkäuflicher Marktware, weil
ihnen entweder die Schulte'sche Ausstellung lockender
dünkt oder weil sie ihre besten Trümpfe für die große
Sommerausstellung zurückhalten. Eine gründliche Besei-
tigung dieser und anderer Schäden des Berliner Ausstellungs-
wesens wäre dringend geboten. Der Verein Berliner
Künstler wird allerdings nicht eher dazu kommen, als bis
er das erste Erfordernis dazu, einen würdigen Ausstellungs-
raum im eigenen Hause hat.

Das städtische Museum zu Magdeburg hat im laufenden
Jahre wie auf kunstgewerblichem Gebiete so auch in Bezug
auf seine Gemälde-Galerie außerordentlich glückliche Er-
werbungen zu verzeichnen. Nicht nur sind durch Ver-
mittlung des Geheimrats Dr. Bode in Berlin 40 charakteris-
tische Vertreter früherer Kunstepochen im Wesentlichen
Niederländer, Italiener, Spanier etc. des 17. Jahrhunderts
 
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