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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0092

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Bücherschau. — Ausgrabungen und Funde.

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der Genealogie Christi nachweist, werden hier ihrer
Lösung entgegengeführt.

Zwei wichtige Kapitel über Technik und Stil in
ihren Zusammenhängen und über das Verhältnis von
Mönch und Laie bilden den Schluss. Verfasser sucht
nachzuweisen, dass die in Chartres hervorbrechende
künstlerische Bewegung bereits im wesentlichen von
Laienkünstlern getragen war. Das dritte Buch er-
weist in der That die ältere Schule als die Grund-
lage und den Ausgangspunkt der weiteren Entwick-
lung; es zeigt die innige Wesensverwandtschaft jenes
gebundenen Stiles der Frühzeit mit dem freieren der
späteren Jahrhunderte; die Bedeutung des Tekto-
nischen für die mittelalterliche Stilentwickelung wird
hier auf breiterer Grundlage abgehandelt. Aus dem
Verwachsensein dieser Kunst mit der Mauer erklärt
sich die Eigentümlichkeit des gotischen Bewegungs-
lebens, die Seltsamkeit des mittelalterlichen Manie-
rismus.

Für die Auffassung unserer mittelalterlichen
Kunst stellt das vorliegende Buch eine grundlegende
Arbeit dar. Die auf der eingehendsten Kenntnis des
Materiales mit erstaunlicher Beherrschung der
Literatur aufgebauten Resultate, in einem glänzenden
und feinziselirten Stile und mit großer dialektischer
Schärfe vorgetragen, eröffnen eine Fülle neuer und
wertvoller Gesichtspunkte, die auch für die Nachbar-
künste von Bedeutung sind. Ich wüsste aus dem
letzten Jahrzehnt unserer deutschen Kunstliteratur
über das Mittelalter kein Buch zu nennen, das das
Problem mit solcher Klarheit erfasst, mit so viel
Aufwand von Scharfsinn und Grazie und in so ein-
gehender Analyse der Lösung entgegenführt. Hoffen
wir, dass der Autor uns in nicht allzuferner Zeit eine
Fortsetzung seiner Untersuchungen über die franzö-
sische Plastik des folgenden Jahrhunderts bringe!
Bonn. CLEMEN.

Allgemeine Kunstgeschichte von Prof. Dr. Ahoin
Schultz. Berlin, G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, Sep.-
Konto. 1804. Lief. 1. 8".

* Die durch ihre gediegen und reich ausgestatteten Ge-
schichtswerke rühmlichst bekannte Verlagshandlung bietet
uns hier den Anfang einer auf vier Bände berechneten, mit Hun-
derten von schönen Illustrationen gezierten Allgemeinen Kunst-
geschichte, welche ganz darnach angethan ist, zu der in
dem gleichen Verlage erschienenen Allgemeinen Literatur-
geschichte von Karpeles ein würdiges Seitenstück abzu-
geben. Wie jene, so soll auch das vorliegende Werk
nicht eigentlich für den gelehrten Fachmann bestimmt,
sondern ein Führer für Kunstfreunde jeder Berufsart sein;
es soll den Leser auf bequeme und anregende Art in das
Studium der Kunst und ihrer Geschichte einführen, unter
stetem Hinweis auf die lange Reihe der auf Tafeln oder in
Textillustrationen abgebildeten Denkmäler, die das Kunst-

schaffen aller kunstpflegenden Völker der alten wie der neuen
Zeit auf mustergiltige Weise repräsentiren. Der Verfasser
des Werkes, Prof. Dr. Alwin Schultz in Prag, ein besonders
durch seine gelehrten Arbeiten aus den Gebieten der mittel-
alterlichen und modernen Kunstgeschichte vorteilhaft be-
kannter Autor, beginnt seine Darstellung nicht, wie man es
erwarten sollte, mit dem Altertum, dessen Kunst der 1. Band
des Werkes umfassen wird, sondern mit dem der Renaissance
gewidmeten 3. Bande, und zwar mit der Baukunst Italiens
im 15. und 16. Jahrhundert. Die Darstellung derselben
schließt sich der in neuerer Zeit üblich gewordenen Behand-
lungsweise an: sie lässt auf eine den Stil der Zeit im all-
gemeinen schildernde Betrachtung das Detail an der Hand
kurzer Charakteristiken der Hauptmeister folgen, und um-
fasst auf den in der ersten Lieferung enthaltenen 48 Seiten
die ganze Reihe der Architekten von Filippo Brunelleschi
bis auf Carlo Maderna. Da die wichtigsten Werke dieser
Meister uns in Ansichten, Grundrissen und auch in einzelnen
Details veranschaulicht werden, so musste der Text sich selbst-
verständlich mit einer sehr knappen Fassung begnügen und
von Literaturangaben ganz abgesehen werden. Den meisten
hervorragenden Architekten wird der Autor übrigens trotz
des beschränkten Raumes vollkommen gerecht; nur Michel-
angelo scheint uns etwas zu kurz gekommen zu sein, sowohl
räumlich als auch geistig. Von sonstigen Einzelheiten seien
noch folgende hervorgehoben: Brunelleschi's Anteil an der
Konstruktion der Florentiner Domknppel wäre schärfer zu
präzisiren und namentlich hervorzuheben gewesen, dass die
Gestalt derselben nicht ihm zuzuschreiben ist. — Die Be-
dachung der Vorhalle der Cappella Pazzi ist ein nicht auf
Brunelleschi's Konto fallendes Provisorium. — Grundplan,
Aufriss und Details des Palazzo Rucellai dürfen nicht mehr
mit Vasari dem Leo Battista Alberti zugeteilt werden;
literarische wie monumentale Zeugnisse sprechen deutlich für
Bernardo Rossellino, den Erbauer des stilverwandten Palazzo
Piccolomini zu Pienza — Alberti's Verhältnis zu Vitruv
(dessen Beiname Pollio zu eliminiren ist!) scheint uns nicht
zutreffend gewürdigt; der moderne Autor dankt dem antiken
weit mehr, als Schultz zugestehen will. — Der Altertums-
forscher Ligorio führte nicht den Vornamen Piero, sondern
Pirro (Pyrrhus). — Die dem Text eingefügten Abbildungen,
Zinkos nach Zeichnungen von Rehlender, sind fast alle vor-
trefflich; eine Ausnahme macht die flaue Perspektive des
Palazzo Pitti.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE.

Ausgrabungen in Argos. Das von den Vereinigten
Staaten erhaltene archäologische Institut in Athen unter
Direktor Dr. Ch. Waldstein beschäftigte sich in der Aus-
grabungsperiode 1894 mit der Aufdeckung der Reste jener
Bauten, die um den Neubau des Heraions in Argos, der ca.
423 von Eupolemos aufgeführt wurde, herumliegen. Dieser
vierzig Meter lange und zwanzig Meter breite dorische
Tempel war bekanntlich ein hexastyler Peripteros; sein als
doppelter Antentempel gestaltetes Innere enthielt zwei Reihen
Säulen. Hellgrauer Kalkstein von Paros war das Baumaterial,
nur die Triglyphen und die beiden Giebel waren aus schwar-
zem, die Metopen aus weißem parischen Marmor hergestellt,
Farbenkontraste, die außerordentlich wirksam gewesen sein
müssen. Wahrscheinlich gehörte das uralte Heiligtum ur-
sprünglich zu Tiryns , kam dann noch in vorgeschichtlicher
Zeit an Mykenai, bis es 463 nach der Vernichtung dieser
Stadt durch das großgewordene Argos, das schon lange be-
deutenden Einfluss auf den Tempel genommen hatte, nun
 
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