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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Ehrenberg, Hermann: Die Wiederherstellung des Hochschlosses der Deutsch-Ordensritter zu Marienburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0123

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Die Wiederherstellung des Hochschlosses

der Deutsch-Ordensritter zu Marienburg.

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muss mich deshalb darauf beschränken, hervorzu-
heben, dass der mittelalterliche Charakter stets auf
das glücklichste getroffen und der Gesamtton eines
glänzenden, aber nicht ausschweifenden, sondern
ernsten, seiner Kraft voll bewussten, ritterlichen
Lebens überall gewahrt ist. Und um von den minder
wichtigen Dingen einiges zu erwähnen, so ist jede
Thür z. B. ein kleines Kunstwerk für sich; die herr-
lichsten schmiedeeisernen Beschläge und die ver-
zwicktesten Schlösser in den mannigfachsten Formen
sind an ihnen angebracht. Auch die Wasch Vorrich-
tungen sind mit ihren steinernen Ausgüssen und
ihren messingenen Haken getreu denen der alten
Zeit nachgebildet, und in den Kaminen hängen die
alten, charakteristischen sägeartigen Eisenstangen für
die Befestigung wassergefüllter Kessel. Die Schränke,
Truhen, Tische und Stühle sind fast durchweg frühmit-
telalterlichen Originalen nachgebildet und sind sogar
etwas patinirt worden, um nicht in einem modernen
glänzenden Aufputz zu sehr der stimmungsvollen
Umrahmung zu widerstreiten; aus Brandenburg, aus
Marburg und wo nur immer her sind auf diese Weise
mit Aufwand großer Mühen und Kosten die wert-
vollsten Stücke altdeutschen Mobiliars hier vereinigt
worden, so dass fast ein Museum gotischer Klein-
kunst entstanden ist. Kurz tiberall, wo man geht
und steht, ist man von der Einheitlichkeit des
Stiles und innerhalb desselben von der allergrößten
Mannigfaltigkeit und künstlerischen Freiheit über-
rascht. Noch mehr wird der mittelalterliche Cha-
rakter zu Tage treten, wenn erst die großartige
Blell'sche Waffensammlung hier zur Aufstellung ge-
langt ist; sie birgt ganz auserlesene Stücke in sich
und ist von dem „Verein zur Ausschmückung der
Marienburg", der unter der Leitung des Herrn Staats-
ministers von Goßler steht, in hochherziger Weise
dem Schlosse überwiesen worden. Ein anderes be-
deutendes Geschenk, welches der Marienburg zuging,
die Jaquet'sche Münzsammlung, welche in unerreich-
ter Vollständigkeit und Güte sämtliche Münzen des
Ordens und der von ihm besessenen Landesteile in
sich vereinigt, soll in der Wohnung des Tresslers
verwahrt werden, um dort eine Erinnerung an ihre
einstigen Inhaber zu bilden.

Die Ausmöblirung der Räume in dem vorgedach-
ten Sinne völlig durchzuführen, die Malereien im
Kapitelsaal, in den Kreuzgängen u. s. w. zu beenden
und die Hochmeistergruft, die sog. Annakapelle unter
der Kirche, wiederherzustellen, das werden die näch-
sten Aufgaben der Bauverwaltung sein. Sie sind
sämtlich bereits in die Wege geleitet und werden,

wenn keine Störung eintritt, in zwei bis drei Jahren
durchgeführt sein. Dass dann das Mittelschloss un-
mittelbar folgen muss, darüber besteht unter den
Sachverständigen kein Zweifel. Die letzten zehn
Jahre haben uns gelehrt, dass bei der vor etwa 70
Jahren vorgenommenen Wiederherstellung dieses
Teiles manches versehen worden, manches auch auf
halbem Wege liegen geblieben ist. Die modernisirte
Gotik, oder wie sie kürzlich von der erlauchtesten
Persönlichkeit Deutschlands genannt wurde, die wild
gewordene Gotik, welche sich hier breit macht, muss
beseitigt werden, wenn nicht der erhabene, feierliche
Ernst des benachbarten Hochschlosses und die edle,
gefällige Schönheit des Mittelschlosses selbst dauernd
wesentliche Beeinträchtigungen erleiden sollen. Man
wird allerdings mit der größten Pietät und Schonung
gegen die liebevollen Stiftungen zu verfahren haben,
durch welche in der den Freiheitskriegen folgenden
Zeit Männer und Frauen ihrer deutschen Gesinnung
und patriotischen Begeisterung Ausdruck zu geben
suchten; indessen die barbarische Vertünchung der
Innenräume, der moderne Zinnenkranz und so man-
ches andere muss schwinden.

Sind diese Arbeiten aber alle vollendet und ist
der Rest der schmutzigen Buden verschwunden,
welche heute in der Vorburg noch stehen und dem
Gesamteindrucke schaden, dann wird ein Werk da-
stehen, wie wir es in Deutschland und wohl auf der
ganzen Welt nicht wieder besitzen: ein durchaus
getreues Spiegelbild der Kultur des schwertstarken,
glaubensfrohen Deutschritterordens, der im Acker-
bau und Handel, Gewerbe und Verwaltung, Kunst
und Wissenschaft weit seiner Zeit voraus war. Könn-
ten die alten Ritter die Vorgänge auf Erden ver-
folgen, sie würden mit Staunen sehen, wie ihre
herrlichste Schöpfung zu neuem Leben erstanden
ist, wie der nimmer rastende Fleiß und die seltene
Klugheit, der klare Verstand und der künstlerische
Blick eines einzelnen Mannes den Grundmauern und
den Trümmerhaufen, welche allein von ihrem Werke
noch übrig geblieben waren, die feinsten architek-
tonischen Reize abzulauschen vermocht und mit dem
Generalstabe von Künstlern und Gelehrten, den er
um sich zu sammeln wusste, eine große That voll-
bracht hat, deren hoher künstlerischer und wissen-
schaftlicher Wert sicherlich sich frucht- und segen-
bringend weithin erweisen wird. Nicht besser kann
ich diesen Bericht schließen, als mit dem Wunsche,
dass es Herrn Baurat Steinbrecht, dem die Univer-
sität Königsberg bei Gelegenheit ihrer Jubelfeier
mit Fug und Recht den Doktortitel ehrenhalber ver~
 
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