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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Schölermann, Wilhelm: Die internationale Ausstellung des Hamburger Kunstvereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0208

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hochmodernen Hamburger Landschafter ist auch
Thomas Herbst, von dessen Hand die Heerupstiftung
auch mehrere Perlen besitzt. Seine drei Arbeiten
„Landschaft aus Oldenburg", „Kalter Tag" und
„Bleicherwohnung an der Bille" sind lauter „artists
proofs", breit gesehen, männlich, das Hauptgewicht
in der Stimmung suchend, melancholisch, ernst. Er
hat seine eigene Handschrift, die im grauen Nebel
unserer nordischen Heimat immer noch tiefere
Farbenakkorde sucht und findet. Sie wiederholt
sich oft, aber sie ist so von persönlichem Empfinden
getränkt, dass sie nie langweilig werden kann und
nie der Routine verfällt. Eine höchst merkwürdige,
aber sehr anziehende Erscheinung ist der in Ham-
burg mir zum erstenmal entgegentretende Aenderly
Möller. Er scheint vor der Natur ganz objektiv
und korrekt zu sehen und dabei zugleich eine viel-
seitige Nachempfindung anderer zu besitzen, die ihn
zu allerhand Experimenten hinreißt. Es ist etwas
von der instinktiven Anpassungsgeschicklichkeit
mancher Amerikaner in ihm. Zuweilen erinnert
er lebhaft an die Maler von Barbizon, vornehm-
lich Diaz, mit intensiv warmem, fetten Farben-
auftrag. „Der Abend" und „Am Bache", die
„Abendstimmung" und das Pastell „Im Park" sind
kleine, aber prachtvolle und intensiv lebendige
Farbenpoesieen, die eine starke und tiefe, lange nach-
vibrirende Erregung hervorrufen.

Unter den Berlinern fand ich Namen, wie
Wilhelm Amberg, Heinr. Basedow, Hans Bohrdt, Hans
Dahl, Ludwig Dettmann (Charlottenburg), Louis
Douzetle, Paul Flickel, Hans Oude, Hans Hermann,
Dora Hitz, Rudolph Eichstaedt, 0. von Kamecke, Wil-
helm Simmler, Ludwig Knaus, Ernst Koerner, Walter
Leisiikow, Konrad Lessing, L. Ury, Hans Looschen,
Franz Scarbina, Sehnars-Alquist, Julius Wentscher
und a. m. Friedrich Stahl's „Impression", ein tan-
zendes Paar in der aufgewirbelten Staubluft und
prismatischen Lichtwirkung des Ballsaals, ist für
ungeübte Augen nicht gerade eine leichtverdauliche
Kost. Mich zog es wiederholt in seinen Bannkreis.
Die fliegende Bewegung, das nervöse Zucken und
die Beimischung des erotisch-fieberhaften und sinn-
lichen Elementes, hat etwas entschieden Neuropa-
tisches, was den „Eindruck" sehr verschärft.

Wenn ich erklären muss, dass es mir bis jetzt
nicht leicht wird, Ludwig von Hofmann zu genießen,
so bin ich mir bewusst, bei den Neo-Idealisten auf
heftigen Widerspruch zu stoßen. Dass mir vorläufig
noch das Verständnis für ihn fehlt, mag darin seine
Ursache haben, dass ich noch keine Gelegen-

heit hatte, einen größeren Teil seines „Wollens"
auf einmal zu übersehen. Immer nur. abgerissene
Stücke. Eine solche Erscheinung muss man als
Ganzes nehmen. Ich habe mehrfach die Erfahrung
gemacht, dass bei näherer Bekanntschaft, beispiels-
weise bei einem Atelierbesuch, einem das Gefühl
für einen Künstler plötzlich aufgeht. Man sieht
ihn dann als eine Persönlichkeit, sieht ihn als
Zeichner, Maler, Kompositeur und Dichter. Ein er-
läuterndes Wort kommt hinzu und man geht un-
endlich reicher und verständiger, als man kam.
„Das also will er". Von da an sieht man ihn mit
seinen Augen und kehrt zu ihm zurück, „a wiser
and a better man". Möchte es mir mit Hof mann
doch auch einmal so gehen, dem ich gerne die-
selbe Aufnahmefähigkeit entgegen bringen wollte,
wie z. B. dem Dresdener Max Pietschmann! Ein
richtiges enfant terrible fürs Publikum und doch so
tüchtig, so rücksichtslos kühn. Da steht ein nacktes
Weib im Bache. Auf sie strömt die volle Sonnen-
glut nieder, die von hinten gesehene Gestalt in einem
Meer von Lichtreflexen badend. Rücken und Kalli-
pygos erscheinen in diesem heißen Kampf der
Sonnenstrahlen fast weißgrün. Dabei durchaus keine
Vernachlässigung des Formengefühls und keine
Liederlichkeit. Diese unter den blühenden Apfel-
bäumen sich tummelnden Faunenkinder („Im Früh-
ling") sind so übermütig toll, so ausgelassen, rennen
so rasend vor Lust hinter einander her, dass eine
naivere Versinnbildlichung jauchzender Frühlings-
freude in Farben und Bewegungen kaum ausdrück-
bar wäre. „Schauderhaft!" sagte ein Nebenstehen-
der. Sancta simplicitas! —

Ein großes in lichtvollen Tönen gehaltenes
Triptychon: „Der Menschheit Ostern" von Ernst
Hausmann (Charlottenburg) schlägt Saiten an, die
heute nicht mehr vereinzelt klingen, eine an die neu-
idealistische Bewegung sich anlehnende, helle, zu-
kunftsfrohe Stimmung. Es ist Sehnsucht, wieder
aufdämmernde Hoffnung darin.

Robert Warthmüller malte früher recht viel große
Historien nach Berliner Manier. Friedrich II. figu-
rirte vorzugsweise dabei. Jetzt landschaftert er neuer-
dings mit Glück. Seine große Studie „Thauschnee"
hat Feinheit und Wahrheit in den Tönen und er-
reicht eine volle Bildwirkung. Das Ganze klingt
sehr gut zusammen. Als Pendant hängt dabei die
ungemein ehrliche Studie „Im Garten" von C. Benne-
witz von Loefen.

Von den Marinemalereien ist Carl Locher's „Stür-
mische Nacht bei Vollmond in der Nordsee" viel
 
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