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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0228

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443

Vermischtes.

444

langen auf den Rücken herabfallenden Haaren sieht uns wie
ein Kinderspielzeug aus. Diese Figur zeigt aber in ver-
schiedenen Besonderheiten Übereinstimuiung mit der heu-
tigen Rasse. Im ganzen ist der Fund ein wichtiger Beitrag
zur Kenntnis urgeschichtlicher Kunst. R. Bk.

VERMISCHTES.

Wien. — Der Direktor des Hofburgtheaters Dr. Burck-
hard hielt in der Grillparzergesellschaft einen sehr beifällig
aufgenommenen Vorträg über ,,Die Kunst und die soziale
Frage". Unter anderen interessanten Ausführungen unter-
suchte er, was zur Popularisiruny der Kunst von Staats
wegen geschehen ist und was geschehen könnte. Er wies
auf den Wert der Verbilligung der Bücher, auf die Vor-
schläge, die (iemäldegalerieen dem Volke zugänglich zu
machen, auf die volkstümlichen Darstellungen in den Alpen-
gegenden und den Gesellenvereinen, auf die Thätigkeit mo-
derner Arbeitervereine, insbesondere der Berliner freien
Volksbühne etc. hin. Zum Schlüsse gab Dr. Burckhard
seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass die Staatsgewalt
die Initiative auf diesen Gebieten anderen Faktoren über-
lasse, und meint, dass der Staat, dem die Sozialen auch mit
Hilfe der Kunst an den Leib zu gehen trachten, seinerseits
versuchen könnte, der sozialen Frage mit Hilfe der Kunst
beizukommen. R. Bk.

Rom. Ein soeben erschienener Aufsatz von Huelsen im
„Bulletino della commissione archeologica communale di
Koma'' Band XXII, Heft 4, berechnet den ganzen für die
Sitze verfügbaren Platz im Colosseum auf 20280 Meter oder
G8750 römischeFuß und danach die größte mögliche ZalilderZu-
schauer auf 50000. Nach inschriftlichen Zeugnissen wurden
die Plätze nicht an einzelne Zuschauer verteilt, sondern be-
stimmte nach Fuß berechnete Raumabschnitte wurden an
Genossenschaften abgegeben, und diesen blieb es überlassen,
unter ihren Mitgliedern den Raum zu verteilen. So hatte
das Kollegium der Arval-Brüder, wie eine aus dem Jahre
80 n. Chr., also unmittelbar nach der Vollendung des Kolos-
seums stammende Inschrift berichtet, für seine zwölf Mit-
glieder und deren Anhang einen über drei Stockwerke des
Zuschauerraumes verteilten Abschnitt von 129 Fuss. Bei
dieser Art der Abgabe der Plätze konnte es nicht im Inter-
esse der öffentlichen Statistik liegen, die Personenzahl zu
registriren, wohl aber die Länge der Sitze genau festzustellen.
Und auf diese Weise bezieht sich, wie auch die Angaben
über andere Theater schließen lassen, anscheinend die Zitier
der „Notitia Constantiniana", nach der allgemein 87000 als
Zuschauerzahl galt, die aber gewiss zu hoch gegriffen ist.

R. Bk.

□ Aus den Wiener Ateliers. Bei Professor Rudolf
Weyr gehen mehrere riesige Figuren ihrer Vollendung ent-
gegen. Vier derselben gehören der Brunnengruppe an, welche
der Bildhauer für eine der Nischen an der Wiener Hofburg,
an der Fassade nach dem Michelerplatze zu, auszuführen
hat. Die Darstellung ist folgende: zu oberst auf einem
Schiffsschnabel steht die allegorische Figur der Seemacht.
Gegen sie windet sich ein Ungetüm empor, das man mit
einem kolossalen Salamander vergleichen könnte. Ein
Fischmensch, der augenscheinlich schon einmal vom Schiffe
abgewehrt und in die Tiefe geschleudert worden ist, holt
aus, um einen Stein nach oben zu schleudern. Sein dä-
monisches Antlitz ist von Zorn verzerrt. Die Angriffe dieser
feindlichen Mächte mögen nicht ohne Lärm und heftigen
Wellenschlag abgelaufen sein. Denn Poseidon (den wir links
in der Gruppe gewahr werden) ist aufgefahren und blickt

unwillig nach den Empörern, als ob er ihnen lauten Rufes
Einhalt gebieten wollte. Das Modell zu dieser Gruppe ist
längst vollendet, ja sogar die Ausführung im Großen ist
schon sehr weit vorgeschritten. Allerwärts sieht man an den
riesigen Blöcken vorzüglichen tiroler Marmors nicht nur alle
großen Formen, sondern auch schon sehr viele Einzelheiten
ausgemeißelt. Eine andere, etwas überlebensgroße Figur in
Weyr's Atelier ist ein Standbild des Kaisers Franz Josef,
das für die Aula der technischen Hoehschule in Wien be-
stimmt ist. Die Figur ist bereits allseitig punktirt, in den
großen Massen fertig, so dass man ohne großes Wagnis die
würdige und monumentale Wirkung der Statue vorhersagen
kann. Die rechte Hand des Monarchen ist wie zu huldvollem
Empfange vorgestreckt. Die Linke hält das Scepter. Außer-
dem arbeitet Weyr für die neue Wiener Hofburg eine un-
geheure allegorische Figur, eine Art Viktoria, ein Sinnbild
des Triumphes. Das imposante Gypsmodell ist schon vollendet.
In Thon modellirt der Künstler ferner an einem großen
Grabmal, das für Triest bestimmt ist. Die Figur der Ewig-
keit, verhüllt von einem lang hinabwallenden Schleier, steht
vor dem Sarkophag, über welchem man zwei Engel gewahr
wird, deren einer die Wage der guten und bösen Werke
hält. Oben in flachem Relief die Madonna. — Für einige Zeit hat
in Weyr's Atelier auch der Maler Hans Templc seine Werk-
statt aufgeschlagen. Er malt nämlich an einem großen
Breitbilde, auf welchem Weyr's grosses Atelier dargestellt
wird. Mitten steht der Bildhauer, der eben an einem großen
Marmor aus der beschriebenen Brunnengruppe korrigirt.
Ganz links erblickt man das Standbild des Kaisers, ganz
rechts steht das Gypsmodell des Brunnens für die Hofburg.
Das meiste an diesem ansprechenden Bilde ist schon so weit
fertig, dass man sich nach der Vollendung die beste Wir-
kung versprechen darf.

%* Die Versteigerung des Nachlasses des Genremalers
Chr. L. Bokelmann, ilie am 25. Mai in Berlin durch J. M.
Heberle aus Köln erfolgen sollte, hat nicht stattgefunden,
weil ein Freund des Verstorbenen, der Brauereibesitzer Küp-
pers in Düsseldorf, die ganze, aus 150 Nummern bestehende
Sammlung für 30 000 M. angekauft hat.

—:— Zur Renovirung des kurfürstlichen. Schlosses in
Mainz haben die Landstände 300 000 Mk. und die Stadt
Mainz 000000 Mk. bewilligt. Das Schloss verdankt seine
Entstehung der Prachtliebe der Kurfürsten des 17. und 18.
Jahrhunderts und ist eines der herrlichsten Denkmale der
Renaissance in den Rheinländern Ursprünglich Residenz des
Landesfürsten, wurde der Bau durch ein Dekret Napoleons I.
bei Errichtung des Freihafens zum Lagerhause bestimmt
und erlittschwer schädigende architektonische Veränderungen.
Die beiden offenen Seiten wurden durch hohe Mauern und
Magazine abgeschlossen, die Fassade durch Löcher einer
Thorfahrt verunstaltet und die anstoßende Martinsburg ab-
gerissen. Später war sie Kaserne, Militärspital, Kornmagazin,
Lager- und Zollhaus. Die Brüstungen der Balkone mit ihrem
prächtigen Eisenwerke wurden heruntergeschlagen, um
Warenaufzüge anzubringen, Skulpturen und Gesimse wurden
zum Teil mutwillig zerstört. Das alles erklärt den gegen-
wärtigen traurigen Zustand. Im Innern nur hat die Stadt
Mainz eine Reihe von Zimmern zur Aufnahme der Kunst-
sammlungen und Museen in Stand setzen lassen. Die An-
bauten sind bereits auch im Äußern entfernt und in wenigen
Jahren wird das berühmte Schloss in neuem Glänze prangen.
 
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