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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Lier, Hermann Arthur: Korrespondenz Dresden, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0232

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451

Korrespondenz.

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in einzelnen Ausnahmefällen stattgefunden hat, öffentlich
nichts gehört, gar nicht daran zu denken, dass die Kunst-
genossenschaft oder der Verein bildender Künstler, zu
dem doch lauter junge, frische Elemente zählen, einen
eigenen Wagen ausgerüstet und dadurch urbi et orbi
gezeigt hätte, dass die Künstler Dresdens auch mit zur
Gesellschaft gezählt werden wollen.

Es war ein Fehler, dass diese Gelegenheit ver-
säumt worden ist, aber er lässt sich wieder gut machen,
da vermutlich schon im nächsten Jahre oder wenigstens
in nicht zu langem Abstände eine Wiederholung des
Blumenkorso's stattfinden dürfte. Leider aber haben
es die Dresdener Künstler auch unterlassen, während des
Winters oder Frühjahrs durch eine gemeinsame Aus-
stellung dem Publikum einen Einblick in ihr Schaffen
zu gewähren. Die für den Spätsommer in Aussicht ge-
nommene akademische Ausstellung, die vermutlich in
der Hauptsache nur von den etwa 180 besonders von
der Ausstellungskommission eingeladenen Künstlern be-
schickt werden wird, dürfte dafür kaum einen genügen-
den Ersatz bieten, und wenn die Künstler warten wollen,
ob das gegenwärtig zur Erwägung stehende Projekt, in
der neuen stä'dtischen Ausstellungshalle, die nächstes
Jahr durch eine Gewerbe- und Industrieausstellung
eingeweiht werden soll, im Jahre 1897 eine internatio-
nale Kunstausstellung zu veranstalten, sich verwirklichen
lässt, so fürchten wir, dass die ganze frische Bewegung,
die mit der Ausstellung des Vereins bildender Künstler
bei Lichtenberg im vergangenen Herbst so kräftig ein-
setzte, sich bis dahin längst wieder im Sande verlaufen
haben wird.

Indessen: Videant consules! Wir können nur raten,
energischer vorzuschreiten und müssen uns begnügen,
hier auf diejenigen Erzeugnisse der Dresdener Kunst, die
uns seit der langen Zeit, seitdem unsere letzte Korre-
spondenz niedergeschrieben wurde, als beachtenswert
aufgefallen sind, hinzuweisen. Wir haben uns hierbei
hauptsächlich an die in den Lichtenberg'schen Kunst-
salon ausgestellten Bilder zu halten, da im Sächsischen
Kunstverein außer der von Berlin nach Dresden über-
gesiedelten Ausstellung des Baisch'schen Nachlasses und
der Sammlung von Radirungen des Kunsthändlers Richter,
nichts von Belang zu sehen war und die Arnold-
sche Kunsthandlung in der Hauptsache nur von aus-
wärts eingehende Gemälde vorzuführen pflegt.

Als die bedeutendste Erscheinung unter der Fülle
der bei Lichtenberg vertreten gewesenen Maler schwebt
uns die Gestalt des Grafen Woldemar Reichenbach vor
Augen. Dieser Künstler, der sich längere Zeit bald
da bald dort aufgehalten und sich seit kurzem in
Wachwitz niedergelassen hat, ist eine entschiedene
Persönlichkeit, die sich dem Gedächtnis fest einprägt.
Die Gegenstände, die er in seinen Gemälden behandelt,
sind sehr mannigfaltig. In der von ihm bei Lichtenberg
veranstalteten Sammelausstellung lernten wir ihn ebenso

als Porträt- und Figurenmaler, wie als Landschaften-
und Architektenmaler kennen. Am meisten haben uns
seine Landschaften zugesagt. Reichenbach hat den Mut,
sich an großartige Motive heranzuwagen. Aus Salzburg
bietet er uns Fernblicke auf die mächtigen Bergeshäupter
im Süden und Osten der Stadt, also Vorwürfe, an deren
Größe die meisten Landschaftsmaler scheitern. Wir
wollen nicht behaupten, dass Reichenbach ihnen in jeder
Hinsicht gewachsen sei, aber wenn wir je an einer
neueren Alpenlandschaft Gefallen gefunden haben, so
war dies bei Reichenbach's Aussicht vom Garten des
Kapuzinerberges der Fall, der eine entschiedene Größe der
Auffassung nicht abzusprechen ist, obwohl sie in perspek-
tivischer Hinsicht zu Bedenken Anlass giebt, da die Ferne
nicht genügend angedeutet ist. Dafür aber entzückt
uns die einheitlich durchgeführte Regenstimmung und
die trotz aller Sauberkeit doch stets kräftige, niemals
kleinliche Art der Malerei, die zwar keineswegs modern
aber in hohem Grade persönlich erscheint. Das gleiche
Lob verdienen die „Kapuzinerstiege" und das „Wald-
innere", sowie die architektonischen Studien aus Chur,
Gelnhausen und Moritzburg, während das Bild der
sterbenden Nymphe „Coronis", ein Akt nach einem ganz
jugendlichen nackten Mädchenleib viel zu porzellanern
erscheint und viel zu viel theatralische Pose besitzt, um
gefallen zu können.

Überhaupt liegt im Figürlichen der schwache
Punkt in dem Schaffen des Grafen, weshalb wir uns
auch mit dem humoristisch gedachten Silenos Combanlius
mit dem Dudelsack nicht befreunden können. Jedenfalls
war es ein Verdienst des Herrn Morawe, des Inhabers
des Lichtenberg'schen Salons, uns die Bekanntschaft
dieses Malergrafen vermittelt zu haben.

Als ein solches rechnen wir es ihm auch an, dass er uns
durch eine kleine Kollektivausstellung einen Einblick in
das Schaffen eines jüngeren Dresdener Künstlers gewährte,
Hermann Mangelsdorfs, der seit etwa einem Jahre sein
Atelier in Kötzschenbroda aufgeschlagen hat. Mangels-
dorf, der auf der Dresdener Akademie vorgebildet ist,
dann in Weimar Schüler Hagens war und schließlich
noch von München einige Eindrücke der dortigen mo-
dernsten Landschaftsmalerei mit fortgenommen hat,
scheint uns ein Talent zu besitzen, das für den Fall,
dass es noch in strenge Schulung und Selbstzucht ge-
nommen wird, zu den besten Erwartungen berechtigt.
Was uns sofort an den bei Lichtenberg ausgestellten
Aquarellen vorteilhaft auffiel, und was uns bei einem
späteren Besuch in dem Atelier des Künstlers beim Be-
trachten seiner zahlreichen Ölstudieu klar wurde, ist
seine augenscheinlich große Begabung in koloristischer
Hinsicht. Jedes Motiv, das er sich aussucht, fasst er mit
merkwürdiger Objektivität auf und erreicht dadurch in
seinen Arbeiten einen. Grad von Echtheit, der in ein-
zelnen Fällen geradezu verblüfft. In der Auswahl seiner
Gegenstände zeigt er sich allerdings sehr unbekümmert
 
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