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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 6.1895

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Lier, Hermann Arthur: Korrespondenz Dresden, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5782#0233

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453

Korrespondenz.

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darum, ob das Stück Natnr, das er sich zur Behandlung
ausgesucht hat, einer sogenannten schönen Gegend an-
gehört oder nicht. Ihm ist, sozusagen, jeder Vorwurf
gleich recht, ein Wicsenabhang, auf dem sich einige
Bäume erheben, eine Waldlichtung, in der die letzten
Überreste des schon schmutzig gewordenen Schnee's
lagern, ein Bauerngehöft, das aus Bäumen hervorlugt,
ein Gartenzaun oder ein Holzschlag. Eines aber muss
bei allen diesen Motiven vorhanden sein: helle, sonnige
Beleuchtung, die die Farben in ihrer natürlichen Leucht-
kraft zur Geltung kommen lässt. Begenstimmungen,
Morgen- und Abendbeleuchtungen scheint er nicht zu
lieben, er malt nur den lichten Tag und kümmert sich
um die Beleuchtungseffekte am Horizont so wenig wie
möglich. In dieser Hinsicht ist er unter den modernen
Dresdenern einer der aller modernsten, ein wirklicher
Pleinairist, manchmal etwas flüchtig, aber in seiner
frischen Ursprünglichkeit immer interessant, gelegentlich
sogar ungewollt poetisch. Von den bei Lichtenberg
ausgestellten Aquarellen behandelten weitaus die meisten
erzgebirgische Motive, und gerade an ihnen fiel uns die
eben hervorgehobene Echtheit in besonderem Maße auf.
Das war z. B. der Fall bei dem Aquarell des Sattelberges,
von Breitenau aus gesehen, und bei der ganz hell ge-
haltenen Ziegelei von Oberkarsdorf, sowie bei einem
Motive bei der Haltestelle Buschmühle an der Bahn-
strecke Hainsberg — Kipsdorf. Es ist charakteristisch,
dass die Jury des Kunstvereins diese überaus frische
Studie zurückgewiesen hat, während sie zwei weit
minderwertigen Bildern von Mangelsdorf die Aufnahme
nicht versagt hat, obwohl auch jenes Bild im vorigen
Jahre in Antwerpen ausgestellt war.

Neben Mangelsdorfs Bildern interessirten uns unter
den ausgestellten Landschaften Dresdener Künstler die Ar-
beiten raul Jacobi's am meisten. Jacobi geht viel mehr
als Mangelsdorf auf Ton aus und gefällt deshalb dem
Publikum, das noch nicht gewohnt ist, auf die herge-
brachten Atelierkünste zu verzichten, weit besser. So
war die „Brücke bei Dessau", die von ihm sowohl in
Frühjahrsbeleuchtung als auch in herbstlicher Stimmung
vorgeführt wurde, zu zwei Bildern verarbeitet, die all-
gemein zusagen müssen, obwohl oder vielmehr gerade
weil sie eine jedermann geläufige Sprache reden. Weniger
war dies bei Jacobi's Bildern nach Motiven in und bei
Hohnstein in der sächsischen Schweiz der Fall. Sie
waren in der Farbe zum Teil hart, zeigten aber einen
wohlthuenden künstlerischen Ernst, wie er uns auch in
den verschiedenen daneben hängenden Arbeiten W.
'Prübners aus München entgegentrat, der jedenfalls die
Rücksicht, dem Geschmack der Menge entgegen zu
kommen, am wenigsten kennt.

Kaum in einer anderen deutschen Kunststadt dürfte,
und zwar nicht nur verhältnismäßig, das Kontingent der
malenden Damen so stark sein wie in Dresden. Wir
haben gegen diese Beschäftigung des weiblichen Ge-

schlechts nichts einzuwenden, da sie für die Nerven der
Mitmenschen weit weniger gefährlich ist, als das ewige
Musikmachen Unberufener. Ob es aber gut ist, ihnen
in den Ausstellungen so viel Raum zu gewähren, wie
das hier durchgängig der Fall ist, darüber kann man
wohl mit Recht anderer Meinung sein, als die Herren
der Jury, die ihre ritterliche Galanterie in diesem Punkte
gelegentlich zu weit treiben. Immerhin aber wäre es
Unrecht zu verkennen, dass gegenwärtig in Dresden eine
Anzahl Malerinnen leben, die sich mit ihren Leistungen
getrost neben denen mancher ihrer männlichen Kollegen
sehen lassen können. Johanna Schille z. B. überwindet,
obwohl nur Dilettantin auch mehr als gewöhnliche
Schwierigkeiten und Emma von Boeckh, Clotilde Sehil-
ling und Rita Bömm sind Künstlerinnen, an denen die
ernsthafte Kritik nicht achtlos vorübergehen kann. Was
Fleiß, Energie und Ausdauer selbst binnen kurzer Zeit
zu leisten vermögen, konnte man deutlich an den bei
Lichtenberg ausgestellten Landschaften Emma von
Bocchh's erkennen. Früher im wesentlichen ohne An-
leitung durch einen Lehrer thätig, hat Frl. von Boeckh
im vorigen Sommer unter Dettmann's Aufsicht in Horst
an der Ostsee gearbeitet und dabei Fortschritte gemacht,
die gleich ehrenvoll für den Lehrer wie für die Schülerin
erscheinen. Ihre „Erntelandschaft" im glühendsten
Sonnenbrand ist eine Studie von einer für eine Dame
seltenen Kraft und Wahrheit und insofern alles Lobes
wert, weil hier auch nicht der geringste Versuch ge-
macht ist, durch Anbringung genrehafter Züge den
schlichten Ernst der Wahrheit zu mildern und so das
Bild für die Menge schmackhafter zu machen. Unseres
Wissens hat Clotilde Schilling dieselbe Schule bei Dett-
mann wie Emma von Boeckh durchgemacht, aber, wie
wir wenigstens glauben möchten, nicht mit dem gleichen
Erfolg. Sie ist in ihrer Farbe weit unruhiger und
bunter, und obwohl sie leichter zu arbeiten scheint und
sehr viel produzirt, haben wir von ihr zwar schon man-
ches gefällige Bildchen, aber noch keine Arbeit, die wir
als ausgereift bezeichnen möchten, zu sehen bekommen.
Leider müssen wir dasselbe von den Bildern von
Fräulein Rita Bömm behaupten, einer Dame, die an
Schick und Begabung unter den Dresdener Malerinnen
sicherlich in erster Linie steht, die aber sehr ungleich
arbeitet und sich meist damit begnügt, wenn es
ihr gelingt, ihre Sachen, sozusagen geschickt in Scene
zu setzen. Sie malt Porträts, meistens Pastelle, die
flott gemacht sind, aber nur wenig Ähnlichkeit besitzen,
und Landschaften, die ihr entschieden besser liegen.
Was sie in koloristischer Hinsicht zu bieten vermag,
sah man an ihrer „Dorfstraße im Winter", einem Bilde
von nur mäßigem Umfang, auf dem jedoch die Beleuch-
tung vorzüglich war. Leider aber blieben ihre anderen
Bilder hinter diesem weit zurück, so dass der Gesamt-
eindruck ihrer Ausstellung nicht so günstig war, wie
wir ihn uns nach den Erwartungen, die wir auf
 
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