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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Vermischtes. — Zeitschriften.

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arbeiter stand der Architekt Adolf Schill zur Seite, der die
Ausmalung der Decke, den Entwurf der Fenster des Redner-
pultes, der Kamine, des Thürportals, der überaus gelungenen
Tönung der Wand und Verwandtes übernommen hatte. Er
kann einen großen Anteil der erzielten Gesamtwirkung —
manche behaupten sogar den Hauptanteil — für sich in An-
spruch nehmen. Vor allem die Decke ist ein Meisterwerk
ihrer Art, das auch einen ungeteilten Beifall hervorgerufen hat.

SCURATOW.

Düsseldorf. — Das Kunstleben war in den letzten Wochen
hier ein außergewöhnlich reges. Abgesehen von den „Ent-
hüllungen" und den Kollektionen, mit denen auswärtige
Künstlerklubs die Ausstellungslokale beschickten, gab es aller-
hand einheimische Kunstprodukte. — Peter Janssen stellte
drei Kolossalgemälde aus, bestimmt für die Universitäts-Aula
zu Marburg, deren Vorwürfe aus der älteren Geschichte der
Stadt genommen sind. Die Bilder müssen leider als ziem-
lich verunglückt bezeichnet werden. Peter Janssen hat
den guten Eindruck, den er mit den Wandgemälden der
Akademie erweckte, durch sie arg geschädigt. Ich will nur
eins der Bilder näher erklären: „Der Beichtvater der hl.
Elisabeth bedroht diese wegen allzu großer Aufopferung mit
der Geißel." Kein Künstler, der sich einigermaßen in den
Geist des Klosterlebens zu vertiefen vermag, wird diesen
Vorgang so gestalten, wie es Janssen gethan hat. Ich will
zum Uberfluss erwähnen, wie ein Mönch sein Beichtkind mit
der Geißel bedroht: dies geschieht entweder durch Zureden im
Beichtstuhl, oder, wenn es zur That kommt, so ist dieser
Vorgang eine feierliche Ceremonie. Auf Peter Janssen's Bild
liegt die hl. Elisabeth mit unglaublich teilnahmslosem Gesichts-
ausdruck, in Gegenwart indifferenter Personen, im Kranken-
saal neben den Betten auf der Erde, während der Mönch
mit geballter Paust und rohem Gesichtsausdruck die Geißel
schwingt wie ein Fuhrknecht, der sein Pferd züchtigt. Es
ist unmöglich mehr Banalität mit einem übergewöhnlichen
technischen Können zu vereinigen, als es hier geschehen ist.
— Ist so Janssen's Bild nichts denn die äußerliche Pose eines
unverstandenen Vorganges, so ist E. V. Oebhardt's Bild (das
zweite in diesem Jahr) „Christus am Kreuz" wieder ein
Meisterwerk an Innigkeit und schlichter Seelentiefe. Geb-
hardt reift von Bild zu Bild. Seine Kunst ist heute ein
individueller Realismus, seine Kunst hat Erdgeruch, und dies
unterscheidet sie vorteilhaft von so manchen Petrefakten
moderner Größen. Diese Natürlichkeit, hervorgegangen aus
dem den Modernen verloren gegangenen organischen Zu-
sammenhang mit dem Leben und Lebensgenussvermögen,
macht ihn vor allem zum auserwählten Bibelmaler, denn
es giebt nur eine Art, die biblischen Figuren zu gestalten,
und diese ist: aus der Empfindung heraus, die die biblischen
Figuren auf uns als Kind ausübten. Diesem Empfinden kommt
Gebhardt ungemein nahe, womit nun nicht gesagt sein soll,
dass dies nur in der protestantischen Art Gebhardts ge-
schehen könne: es geht dies ebenso erfolgreich aus ka-
tholischer Gefühlstradition, und die katholischen, Gebhardt
in seiner Individualität nachahmenden Schüler beweisen nur,
dass sie selbst keine Individualitäten sind. Gebhardts
neuestes Bild ist keine figurenreiche Komposition: unter dem
Kreuz, an dem in Profilansicht — die Kreuze der Schächer
fehlen — der schmerzhaft gekrümmte Leichnam hängt,
bricht Maria vom Schmerz überwältigt zusammen, von Jo-
hannes gestützt, während am Boden die Gestalt eines blonden,
mädchenhaften, schlafenden Weibes liegt, mit fast strahlen-
dem Gesichtsausdruck, das Kreuz mit einer Hand umfassend.
Diese Figur ist das Herrlichste des Bildes. Der ein wenig
strahlende Ausdruck des Gesichtes könnte den Beobachter,

wofern er überhaupt aufmerksam genug ist, leicht befremden,
doch steckt gerade in ihm ein wunderbarer psychologischer
Gehalt: jeder weiß, oder könnte doch wissen, dass ein
Mensch oft, vor allem kindliche Naturen, vor allzu großem
Kummer unter Thränen vom Schlaf übermannt, schließlich
durch die Erquickung des Schlafes einen seligen Gesichts-
ausdruck annimmt, der im stärksten Kontraste zu seinem
vorherigen Schmerze steht. Diesen Moment hat Gebhardt
hier gewählt und meisterhaft gestaltet. Meines Wissens
ist dieser schlichte und doch psychologisch so interessante
Seelenvorgang vor Gebhardt noch von keinem Künstler ge-
staltet worden, wenigstens von keinem modernen. Und doch
unterscheidet sich gerade Gebhardt durch das Gestalten
dieser anscheinend so schlichten seelischen Vorgänge so vor-
teilhaft von mancher modernen Größe. Seine Psychologie
ist schlicht und einheitlich in das Kunstwerk verwoben zu
einem organischen Ganzen. Walter Petersen beweist mit
seiner Porträtkollektion, dass er sich im Laufe der Zeit zu
einem geschmackvollen Porträtmaler herausentwickelt, doch
möchte man in seinen Bildern den „Geist der Galerieen"
missen. Nie noch trat er, obgleich geschickt, so bei ihm
in den Vordergrund wie diesmal. Es bedeutet ein solches
Rückwärtsschauen für einen jungen Künstler stets Mangel
an innerer Eigenheit. Petersen sehe sich einmal das im
unteren Saale hängende Bild des Amerikaners Alexander an
und lerne, was moderne Porträtmalerei ist. Freilich, wenn
man solches erst lernen muss, so ist das schon traurig — in
der Kunst soll und darf man in dieser Hinsicht nichts lernen,
denn lernen bedeutet in solchem Falle immer nachahmen.
Man darf nur die in sich schlummernden selbstschöpferischen
Keime durch gute Vorbilder wecken lassen. Und wenn man
diese Keime nicht in sich trägt, so ist man eben kein Kind
seiner Zeit, was doch jeder Künstler sein sollte, der Anspruch
auf „bleibenden Wert" macht. SCURATOW.

ZEITSCHRIFTEN.
Bayerische Gewerbezeitung. 1896. Nr. 21.

Wanderungen durch die II. Bayerische Landesausstellung. Von
Dr. E. Reicke. (Forts.) — Bayerische Landesausstellung. .Schluss-
feier. — Stellungnahme des Verbandes bayerischer Gewerbe-
vereine gegen den Gesetzesentwurf, betreffend die Organisation
des Handwerks. Von T. v. Kramer. — Bericht über die Thätigkeit
des Verbandes bayerischer Gewerbevereine für das Jahr 1895.
Von J. Drexler.

Jahrbuch der königlich preussiscken Kunstsammlungen.
1896. Heft 4.

Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen. — Ein
männliches Bildnis von Hans Memling in der Berliner Galerie.
Von W. Bode. — Die Bronzebüste des Francesco del Nero im
Berliner Museum. Von dems. — Zu den Kopieen nach Lionardo's
Abendmahl. Von Georg Dehio. — Das Landhaus des Kardinals
Trivulzio am Salone. Von C. v. Fabriczy. — Studien zu Michel-
agniolo. Von C. Frey. — Die Votivtafel des Estienne Chevalier
von Fouquet. Von Max J. Friedländer. — über das sogenannte
Skizzenbuch des Verrocchio. Von Georg Gronau. — Die Gemälde
der einheimischen Malerschule in Brescia. Von Emil Jacobsen.
Der Kupferstecher E S und die Heimat seiner Kunst. Von Lud-
wig Kämmerer. — Peter Flötner als Bildschnitzer. Von K. Lange.
— Das Lavabo in San Lorenzo zu Florenz. Von Hans Mackowsky.

Journal Mr Buchdruckerkunst. 1896. Nr. 43/46.

Das Buch und der BUcherliebhaber. — Aus unseren Schrift-
gießereien. — Das Montieren von Zinkklischees. — Der Anschein
eines besonders günstigen Angebots. — Konkurrenzen. Von Vogt-
Itudolstadt. — Die Stenographie in der Buchdruckerei. — Em
chemisch-physikalischer Traum. — Die Galvanoplastik.

Mitteilungen des k. k. Österreich. Museums für Kunst
und Industrie 1896. Heft 11.

Vor 25 Jahren. Das Haus des österr. Museums und sein Erbauer.
Vortrag von Prof. Dr. Jos. Bayer.

Zeitschrift für Innendekoration. 1896. Dczemberheft.

Das jetzige Ausstellungswesen und das Kunstgewerbe. Von Hans
S.:hli.-i.m»nii. - Von der Itcrliner Gewerbe-AustelllUlg. \ ,m Sana
Schliepmann. II. Innen-Dekoration. — Die kunstgewerbliche Aus-
stellung in Dresden 1896. Von Dr. Paul Schumann. — Von der
II. bayerischen Landes-Ausstellung in Nürnberg. III. Von Oscar
Beringer.
 
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