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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Schölermann, Wilhelm: Aus dem Wiener Künstlerhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0145

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Aus dem Wiener

Künstlerhause.

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gestammte Eigenart und Kraft; als er das „germanische
Wesen durch das reinigende Bad griechischer Formen-
schönheit zu adeln suchte", gab er sein Bestes auf.
Ihm, dem heiteren Eomantiker, konnte weder die philo-
sophische Grübelei behagen, noch fühlte er jenen urge-
waltigen Drang, der in Zeiten großer fienaissancekunst
die Überfülle an Kraft auch in überlebensgroßen Formen
ausgießen will. Und das war gut. Denn ein Künstler,
bei dem das Eigenste, was ein Volk besitzt, Gestalt
wird, in dem sich ein Grundzug seines Wesens so
widerspiegelt, muss notwendig aus seiner Zeit und den
bewegenden Tagesströnmngen heraustreten, abseits und
jenseits stehen von dem, was nur die Empfindungsweise
des „Zeitgeistes" verkörpert. So flüchtete sich denn
Schwind in die zeitlose Vergangenheit und gab uns da-
für sein Deutsches Märchen. Der Mann, welcher bei
einem Spaziergang durch Waldesdickicht gefragt wurde:
ob er an Heinzelmännlein und Feen glaube, und ver-
wundert fragte „Seht ihr sie denn nicht?", war wohl
berufen, der Maler der Eomantik zu werden. Mag die
Erzählung wahr sein oder nicht, sie könnte es wenig-
stens sein. Wer hat — vor Böcklin — den innigen
Einklang von Mensch und Natur reiner zum Ausdruck
gebracht; wer die alten Sagen und die Gestalten unserer
romantischen Opern, eine Agathe, Melusine, allgemein-
gültiger verkörpert? Fast verwandt mit dem richtigen
„dummen Teufel", den schon unsere Altvordern kannten,
ist sein Teufel, der dem frommen Einsiedler beim Bau
der Kapelle die Steine wider Willen herbeischaffen
muss. Einen wirklich dämonisch bösen Teufel hätte
Schwind gar nicht zu Wege gebracht! — In der lauschi-
gen Einsamkeit des Waldes geht Eübezahl umher und
um ihn lebt es und webt es geheimnisvoll; Häslein
spitzen die Ohren, Eichhörnchen huschen durch die
Kronen der Bäume, zutraulich nahen die Kehe und im
Hain der Quellnymphe summen die Bienen und zirpen
die Grillen. In den knorrigen Ästen der Eiche spukt es
wie von unzähligen Geistern und hinter den Blättern
und zwischen dem Wurzelgeflecht lugen, die Gnomen
hervor. . . Das war seine Welt, an die er glaubte.

Für das Kunstgewerbe und die Illustration hat
Schwind mehr gethan als die meisten seiner Nachfolger.
Auch hier verlässt ihn der unerschöpfliche Eeichtum der
Gestaltungskraft nicht und sein feiner Geschmack und
Schönheitssinn giebt sich stets am glücklichsten in dem
musikalischen Wohllaut der rhythmisch ausgebildeten Linie.

Man hat Adolf Menzel die künstlerische Essenz
des preußischen Wesens genannt, des norddeutschen
Charakters. Will man ein Äquivalent im süddeutschen
Sinne, so hat man Schwind, den Wiener. „Im Kleinen
groß" wäre auf Schwind anwendbar, wofern das Land
der Träume, das unbegrenzte, klein genannt werden
darf, zumal wenn es, wie unsere Märchen, zum geistigen
Besitz des Volkes geworden. Instinktiv mochte er sich
als Künstler wohl der ewigen Wahrheit bewusst sein,

dass die Kunst eine Welt schafft, nicht nur nachahmt,
was äußerlich vor unseren Augen ist. —

Das im Auftrage der Stadt Wien zum hundertsten
Geburtstag Schubert's gemalte Ölgemälde von Julius
Schmid: „Ein Schubertabend in einem Wiener Bürger-
hause" erfüllt seine schwierige Aufgabe in geschickter
und würdiger Weise, und der günstige Eindruck wird
kaum beeinträchtigt durch die für eine Abendbeleuchtung
wohl etwas hell gehaltene Farbe.

Unter den nachträglich der Aquarellausstellung hin-
zugefügten Sachen vermag ein äußerst talentvoll kom-
ponirter Karton von H. von Vestenhoff das Interesse
an einen „neuen Namen" zu fesseln, von dem wahr-
scheinlich noch allerlei zu erwarten ist. Auf den Inhalt
der Komposition, die der spätrömischen Geschichte ent-
nommen, wird die ausgeführte Arbeit vielleicht später
Gelegenheit geben näher einzugehen.

Es sind im selben Zimmer eine Reihe Tusch-
zeichnungen von Franz Hein in Karlsruhe, zu sehen,-
unter denen ein kleines Blatt durch Innigkeit und
Wärme hervorragt. Es ist betitelt „Der beschriebene
Tännling". Die rührende Schlichtheit der Auffassung
Ausdruck. Haltung und Stimmung sind aus echter Em-
pfindung geboren. Um das zu erkennen, genügt es,
sich den Ausdruck der Köpfe einmal näher anzusehen;
erster junger Liebe seliges Erwachen, mit ihrem Glück
und Staunen — vielleicht auch mit ihrem Weh . . .

Dies und eine Reihe anderer getuschter Blätter
sind „Illustrationen zu der neuen Ausgabe von Stifter's
Studien", woran auch der Karlsruher Friedr. Kallmorgen
beteiligt ist, mit tüchtigen, stimmungsvollen Zeichnungen.

Die Plakatausstellung bietet allerlei Anregendes
und für Wien wohl auch manches Neue, obgleich die
französischen Nummern zum Teil älteren Datums sind.
Aus der bunten Zusammenstellung lässt sich hier und
da etwas Charakteristisches herausgreifen, das der Auf-
gabe des Plakates, nämlich in die Augen zu springen
und doch nicht unkünstlerisch zu sein, entspricht. Da
ist Steinlen's „Lait pur sterilise", das einen humo-
ristischen Ton anschlägt, in vier Grundfarben, indem drei
lauernde Katzen — schwarz, gelb und gefleckt — sich
gegen das leuchtend rote Kleid des Kindes kräftig ab-
heben. Sehr flüchtig aber farbig sind die Sachen von
Oheret, mit ihrem „Moulin Eouge"-Charakter; und auch
wieder echt Pariserisch Luc Metuel's „Eugenie Büffet
dans son repertoire realiste", das Fabrikmädchen mit
der saloppen Haltung, den Händen in den Taschen
und der niedrigen Stirn, das, im „gewähltesten" Pariser
Jargon Couplets singen kann. Ein anderes Fabrik-
mädchen, aus Lüttich, die sich durch etwas mehr Pro-
pretät auszeichnet, putzt sich die gelben Schuhe mit
„Huile ruBse". Größere Ansprüche an die technische
Eeproduktion stellt Hugo d'Älesi in seinem „Centenaire
de la Lithographie", einem in feinen Abtönungen und guter
Lichtwirkung durchgeführten Bilde; desgleichen „L'Expo-
 
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