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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Zur Statistik Schweizerischer Kunstdenkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0224

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Zur Statistik schweizerischer Kunstdenkmäler.

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In der That geben die meisten jener Abhandlungen
auch nur den Nebenertrag der Thätigkeit für ein anderes,
weit bedeutungsvolleres Unternehmen. Seit 1872 ist
Eahn an der Arbeit, die Kunstdenkmäler der Schweiz
zu verzeichnen und zu beschreiben. Man erinnere sich:
erst ein einziger deutscher Staat war vorangegangen.
1870 begann die preußische Regierung mit der Heraus-
gabe der Baudenkmäler im Regierungsbezirk Kassel die
Statistik der Kunstdenkmäler in Preußen. Und schon
1872 unternahm man in der Schweiz aus privaten
Mitteln ein ähnliches Werk. Die ausführende Kraft,
die Seele des ganzen Unternehmens wurde Rahn. Im
Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde veröffent-
lichte er zunächst (1872—1877) die statistische Auf-
zählung der Denkmäler aus der vorronianisehen, der
romanischen und der Epoche des sogenannten Über-
gangsstils. Später wurde das Programm erweitert.
Jetzt ist die Einteilung nach Kantonen der Schilderung
zu Grunde gelegt: Der gesamte mittelalterliche Denk-
mälerbestand jedes einzelnen Kantons wird als ge-
schlossenes Ganzes für sich behandelt. Seit 1888 erhielt
die Statistik den Schmuck von Abbildungen, und endlich
bekunden die oben angeführten Hefte einen neuen, viel-
leicht den bedeutendsten Fortschritt. Seit 1890 näm-
lich erscheint die Denkmälerbeschreibung als selbständige
Beilage zum Anzeiger mit eigener Paginirung. Damit
hat sich diese aus so bescheidenen Anfängen erwachsene
Statistik neben die mit reichen Staatsmitteln geschaffenen
Schwesterwerke gestellt, an den Platz, der ihr um ihrer
längst anerkannten Zuverlässigkeit willen seit je zukam.
Wir berichten kurz über die Grundsätze der Anordnung
und Behandlung und gehen dann auf die drei vor-
liegenden Bände noch etwas genauer ein.

Wie gesagt bildet jetzt der Denkmälerbestand jedes
einzelnen Kantons einen abgeschlossenen Band. Inner-
halb des Kantons sind die Orte alphabetisch aufgezählt.
Eine kurze Bemerkung über die Lage des Orts eröffnet
den Artikel. Es folgt die chronologische Reihe der
verschiedenen Schreibungen des Ortsnamens und ein
Abriss der Ortsgeschichte. Dann beginnt die Schilderung
des Vorhandenen. Es werden nacheinander behandelt:
Ortsanlage und Befestigung; Profanbauten, öffentliche
und private; Kirchen, Klöster und Kapellen. Sodann
machen Bemerkungen über etwaige verschwundene, in
der Litteratur oder mündlichen Überlieferung fortlebende
Denkmäler den Beschluss.

Nach dem Titel sollen nur die „mittelalterlichen"
Denkmäler geschildert werden. Doch ist wohl der
Bestand des 16. Jahrhunderts noch vollständig mit
aufgenommen worden. So sind z. B. regelmäßig die
deutschen Schnitzaltäre des 16. Jahrhunderts als spät-
gotische Arbeiten (im Gegensatz zu den Werken italie-
nischer oder italisirender Renaissance) aufgezählt. Und
auch manches Stück echter Renaissance ist beschrieben.
Die Kunstwerke der späteren Jahrhunderte scheinen

wenigstens erwähnt worden zu sein. Litteraturangaben
finden sich reichlich. Es ist gewiss nichts Wichtiges
unangeführt geblieben.

Inhaltlich ist der Text längst als ein Muster
knapper, klarer Beschreibung anerkannt. Die Illustration
beschränkt sich meist auf kleine Skizzen. Diese sind
auch Sri unseren Bänden, besonders im Band Tessin, zum
größten Teile von der geschickten Hand des Verfassers
selbst gezeichnet. Lichtdruck und Autotypie nach
photographischen Aufnahmen werden erst in den beiden
letzten Bänden etwas reichlicher verwendet. Hingewiesen
sei auf die zahlreichen Nachbildungen älterer Ansichten,
die sich hier finden, und auf die zwei Lichtdrucktafeln
des Bandes Thurgau, die Medaillons aus geschnitzten
Holzdecken des Schlosses Arbon wiedergeben.

So findet man alle billigen Ansprüche, die man
innerhalb des Rahmens, den sich der Verfasser gesteckt
hat, erheben kann, voll befriedigt. Nur etwa die Re-
gister könnte man vermissen. Aber gewiss beabsichtigt
der Verfasser ein oder mehrere Gesamtregister nach Ab-
schluss des ganzen Werkes nachzubringen.

Über die Kunstschätze des Tessin hatte Rahn schon
allerlei veröffentlicht, bevor er an die statistische Auf-
zählung ging. 1881 erschien in den Mitteilungen der
antiquarischen Gesellschaft in Zürich die Abhandlung
über die mittelalterlichen Wandgemälde in der italie-
nischen Schweiz. 1882 brachte der Anzeiger Nachträge
zu dieser Arbeit. 1883 kamen die Kunst- und Wander-
studien in der Schweiz. Wohl ein Drittel dieses liebens-
würdigen Buches ist der italienischen Schweiz gewidmet,
insbesondere der Abschnitt: „Wanderungen im Tessin".
Dann erschien als Fortsetzung früherer Studien die
Abhandlung über „Die Malereien aus dem Renaissance-
zeitalter in der italienischen Schweiz" im Repertorium
(1889, Bd. XII). Hier schrieb der unermüdliche Forscher:
„Ich habe nun schon zum zehnten Male diese Gegenden
durchwandert, und von jedem Streifzuge bin ich mit
Beute heimgekehrt." Nach solchen Vorbereitungen ließ
sich in der That ein Werk erwarten, das nichts außer
Acht lässt, was heranzuziehen war.

Die Mannigfaltigkeit der Kunstdenkmäler im Tessin
ist nicht gerade groß. Doch fehlt es nicht an einzelnen
interessanten Stücken. Das noch altchristliche Bap-
tisterium in Riva S. Vitale am Luganer See, die Holz-
häuser in Faido, die gewaltigen Befestigungen von
Locarno und besonders von Bellinzona, über die auf
26 Seiten eingehend berichtet wird, die Renaissance in
Lugano (Fassade von S. Lorenzo), mehrere deutsche
Schnitzaltäre sind da zu erwähnen. Diesen Einzelheiten
gegenüber aber steht die breite Masse der Werke, die
den Kunstcharakter des Tessin bestimmen. Da ist mir
vor allem zweierlei aufgefallen: die Fülle der romanischen
Reste und die Wandmalereien. Mehr als 40 Orte habe
ich gezählt, die noch heute romanische Kirchen oder
Kirchenteile aufweisen. Mitunter hat sich nur der ro-
 
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