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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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Lier, Hermann Arthur: Die internationale Kunstausstellung in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0257

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501

Die internationale Kunstausstellung in Dresden.

502

Paolo Troubetzkog beweisen, dass sie auch Besseres als
ihre beliebte, glatte Marmorware hervorzubringen ver-
mögen. Die deutschen Bildhauer haben sich gleichfalls
ziemlich zahlreich eingefunden, aber die Auswahl ihrer
Werke ist nicht mit der Sorgfalt getroffen worden, die
man gegenüber den Schöpfungen des Auslandes beob-
achtet hat. Dadurch ist das Gesamtbild der heutigen
Plastik entschieden zu Ungunsten der deutschen Pro-
duktion verschoben worden. Man bekommt z. B. keinen
Begriff von der Bedeutung der immer noch hochbedeutenden
Berliner Schule, die nur durch Reinhold Begas, Peter
Breuer, Ernst Freese, Ernst Herter, Harro Magnussen,
Ludwig Manzel, Walter Schott, Rudolf Siemering, Max
Unger und Joseph Uphues und zwar nur mit kleineren
Arbeiten vertreten ist. Die besten unter ihnen sind oben-
drein schon länger bekannt, und ebenso steht es bei den
Münchenern, so dass es hier genügt, auf Josef Floss-
manns Gruppe einer Mutter, die sich und ihre zwei
Kinder vor dem Angriffe irgend eines Feindes zu schützen
sucht, und auf höchst charakteristischen, in Gips ge-
tönten Bildnisbüsten von August Hudler, die für die
Kgl. Skulpturensammlung im Albertinum in Dresden an-
gekauft sind, als auf die Arbeiten zweier energischer
Realisten hinzuweisen. Die Dresdener Bildhauer, die
noch immer zum größten Teil unter dem Einflüsse
Schilling's stehen, geben sich noch zu sehr mit Niedlich-
keiten ab, die zwar dem Publikum gefallen, aber sich
den kraftvollen Schöpfungen des Auslandes gegenüber
nicht behaupten können. Eine Ausnahme machen nur
Hans Hartmann mit seinem graziösen Flachrelief eines
Tänzerpaares, Peter Pöppelmami, der ein reizendes
Marmorrelief: „Mutter mit Kind" bringt und Erich
Oskar Hösel mit seinem äußerst talentvollen „Hunnen"
zu Pferde.

Einen weit höheren Aufschwung als die Plastik hat
die Malerei in Dresden in jüngster Zeit genommen. Der
Dresdner Saal kann sich recht gut neben denjenigen
der anderen deutschen Kunststädte sehen lassen, er ist
sogar weit moderner, als der der Berliner und Düssel-
dorfer Maler. Die besten Arbeiten rühren hier von den
Landschaftern Paul Baum, Franz Hochmann, Georg
Müller-Breslau, Wilhelm Ritter, Robert Sterl und Max
Arthur Stremel her, Künstlern, welche den schwierigsten
Problemen des fortgeschrittensten Kolorismus mit Erfolg
nachgehen. Dasselbe Bestreben verraten Anton Joseph
Pepino und Oskar Zwintscher, die beide eine Ansicht
von Meißen in eigentümlicher Beleuchtung gemalt, dabei
aber Farbennüancen angewendet haben, die wohl vorüber-
gehend einmal vorkommen können, im Bilde festgehalten
aber unwahrscheinlich wirken. Weniger glücklich war
Hans Unger, dessen stilisirte Frühlingslandschaft „Lenz-
sturm" ebenso wie seine als „Muse" bezeichnete weibliche
Halbfigur zu wenig sorgfältiges Studium verraten Gott-
hard Kuehl, wie immer fein in seinen kleineren Interieurs,
hat sich in seiner großen, als Triptychon behandelten

Darstellung eines holländischen Waisenhauses gleichfalls
nur mit einer oberflächlichen Charakteristik begnügt. Er
wollte offenbar einmal seelische Vorgänge schildern, war
aber bei der Größe des gewählten Formates nicht im
Stande, das Ziel, das er sich gesteckt hatte, zu erreichen.
Dasselbe gilt von den Arbeiten Hermann Prell's, der
selten über eine rein äußerliche Eleganz des Vortrages
hinauskommt und noch immer mit Wohlbehagen im theatra-
lischen Pathos schwelgt. Als bedeutende Porträtmaler
behaupten sich Paul Kiessimg und Leon Pohle, doch wird
niemand verkennen, dass Pohle's jüngste Schöpfung, das
Bildnis des Grafen Brühl, keinen Vergleich mit seinem
der Galerie gehörigen Porträt des Malers Peschel aus-
hält. Von Carl Bantzer haben wir schon Ansprechenderes
gesehen als sein junges Mädchen, ein Arrangement in
Grün, das zwar koloristisch gelungen, aber ohne rechtes
Leben ist. Tüchtige Leistungen der Porträtmalerei
sind ferner die Arbeiten von Felix Borchardt, Wilhelm
Claudius, Hugo Mieth, Franz Siebert, Emil Voigtländer-
Tetzner und Heinrich Johannes Mogk. Das bedeutendste
Bild aber des großen Dresdener Saales dürfte ein im
Freien gemalter, weiblicher Akt von Max Klinger sein,
ein Bild, in dem Landschaft und Figur so wunderbar
im Ton zusammenstimmen und so sicher der Natur ab-
gelauscht sind, dass man den glücklichen Besitzer des
Bildes um diesen Schatz nur beneiden kann.

Da die Münchener Maler kein irgendwie hervor-
ragendes Werk bringen, was nicht bereits von anderen
Ausstellungen her bekannt und in der „Kunstchronik"
gewürdigt worden wäre, brauchen wir uns bei ihren Ar-
beiten nicht aufzuhalten. Auch in dem den Worpswedern
eingeräumten Saale begegnet man meist bekannten Sachen.
Da aber ihre Bilder für Dresden ganz neu sind, gehört
gerade dieser Raum zu den interessantesten Abteilungen
der ganzen Ausstellung. Man hat es hier mit frischen,
noch unverbrauchten Kräften zu thun und fühlt sich zu
ihnen hingezogen, nicht bloß aus Freude an dem bereits
von ihnen Geleisteten, sondern in Hoffnung auf das, was
man noch von ihnen erwarten darf.

In der Abteilung der Berliner Maler bemerkt man
mit Vergnügen, dass nun endlich auch Max Ldebe.rmann
durch Verleihung einer ersten Medaille in Dresden die
gebührende Anerkennung gefunden hat, und dass wenigstens
eine kleine Probe seiner Kunst, die Figur einer Nähterin
in holländischer Tracht, für die Galerie angekauft worden
ist. Dieselbe Auszeichnung ist Ludwig Dettmann mit
einer Scene von unserer Seeküste, die eine mühsame
Landung darstellt, zu teil geworden, und ebenso Arthur
Kampf aus Düsseldorf mit seinen Wallfahrern „vor dem
Gnadenbilde in Kevelaer", die vorzüglich charakterisirt
und in der Malerei mit größter Peinlichkeit durchgeführt
sind. Von den Karlsruhern gelangt Graf Leopold von Kalck-
reuthmit seinen beiden müden, das Alter personifizirenden
Frauen, die Gänse auf dem Felde hüten, in die Galerie,
ein Ankauf, der uns weit mehr zusagt, als ied Erwerbung
 
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