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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 8.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.5776#0260

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507

Vermischtes.

508

zwungenster Haltung und übermütigster Fröhlichkeit, zu der
die von Fett glänzenden Damen das Hauptkontingent stellen.
Aber mit der Lustigkeit allein ist es nicht abgethan. Die
Gesellschaft befindet sich bereits in einem Zustande der
vollsten Ausartung. Da sehen wir zum Beispiel auf dem
»Schöße einer jener lüstern dreinblickenden Damen einen
halbnackten Bengel, der seine Notdurft verrichtet, während
als Pendant auf der linken Seite des Beschauers ein Höfling
das Übermaß der zu viel genossenen Speisen ausgleicht, wo-
bei ihm eine der Gesellschaftsdamen, die vor Lachen bersten
möchte, den Kopf hält. Damit auch ja nicht durch das ent-
strömende Nass das Gewand dieser Helferin in der Not be-
schmutzt werde, hebt eine Frau deren Rocksäume empor.
Rührend ist dabei die stumme Zuschauerschaft eines großen
Hundes, der das Aussehen hat, als dächte er nach über die
menschliche Schwäche, die ihm so drastisch vor Augen ge-
führt wird. Im Vergleich damit erscheint einem das Gebaren
eines mutigen Edlen, der seine sich wohl nur zum Scheine
sträubende Maid kräftig abzuküssen im Begriff ist, als eine
tugendhafte Äußerung. Um diese Tischgesellschaft herum
sehen wir eine Schar von Höflingen, Dienern, Bänkelsängern
und im Vordergrunde eine Anzahl Kinder, die den Anschein
haben, als hätten sie sich das Wort „Wie die Alten sungen,
so zwitschern die Jungen" zum Vorbild genommen. Die
Komposition ist dem Gegenstande entsprechend lebendig und
ungezwungen. Mit starker plastischer Wirkung treten die
Gestalten heraus, dank einer Beleuchtung, deren Quelle
nicht sofort ersichtlich ist. Das neu erworbene Gemälde ist
weitaus bedeutender als die Bilder, die das Museum bereits
.von Jordaens besitzt. Besonders vorteilhaft weicht es von
dem Bilde mit dem „Heiligen Martin, der einen Besessenen
heilt", ab, in dem sich die Gesichter der Figuren ausnehmen,
als seien sie in Schminke getaucht. Noch weiter entfernt
es sich in günstigem Sinne von der „Begegnung Eliesers
mit der Rebecca", jenem Bilde mit der düster-bläulichen
Landschaft. Am nächsten kommt dem in Frage stehenden
Werk die Technik in der „Allegorie auf die Fruchtbarkeit"
und dem farbenreichen Gemälde „Frau, Satyr und Bauer",
beide in Brüssel, sowie in den „Nymphen" im Haag. Die
Frage, ob dieser neue Jordaens hervorragender ist als das
Kasseler Dreikönigsfest-Bild, lässt sich nicht entscheiden,
ohne dass beide Werke miteinander verglichen weiden.
Aber auch nach der Erwerbung dieses etwa gegen lCliO
entstandenen Werkes kann Jordaens in allen seinen künst-
lerischen Entwickelungsperioden in Brüssel allein nicht
studirt werden. Vor allem werden die Antwerpener Samm-
lungen, sowie die Bilder in Kassel, Wien, Braunschweig,
Valenciennes, Lille und im Louvre heranzuziehen sein.

Troppau. — Das Kaiser Franx Joseph-Museum beab-
sichtigt im Späthorbste eine Ausstellung von Erzeugnissen
der Amatewr-Photögrwphie zu veranstalten. Wir machen
jetzt-schon, wegen der Reisezeit, darauf aufmerksam. Er-
wünscht sind Aufnahmen von interessanten Objekten der
Kunst, ferner künstlerisch interessante Naturaufnahmen,
sowie überhaupt aller Objekte, die Zeugnis abgeben von dem
persönlichen Geschmack und der Neigung des Amateurs.
Eine zahlreiche Beteiligung an der Ausstellung ist sehr er-
wünscht.

*„* Dem Geschäftsführer der großen Berliner Kunst-
ausstellung Edwin Klobasser ist der Auftrag geworden, für
die nächstjährige internationale Kunstausstellung in Wien
Kunstwerke aus Schweden und Norwegen zu acquiriren. Er
hat 36 schwedische und 23 norwegische Künstler von aner-
kannter Bedeutung zur Beschickung für Wien 1898 gewonnen.

VERMISCHTES.

Rom. St. Am 5. Juli endlich hat der Unterrichtsminister
Gianturco der Deputirtenkammer den Gesetzesentwurf über
die Erwerbung der Gemäldegalerie des Spitales von Santa
Maria Nuova vorgelegt. In längerer, in den Zeitungen leider
nicht bekannt gewordener Rede, welche eine ungewöhnliche
Sachkenntnis verrät, gab der Minister zunächst Rechenschaft
über die Herkunft der einzelnen Bestandteile der Galerie,
die aus dem Kloster degli Angeli, wo Leo X. erzogen wurde,
aus der Spitalkapelle, die Folco Portinari gegründet hatte,
und aus der Kirche des h. Egidius, wo Fra Bartolomeo sein
jüngstes Gericht gemalt hatte, allmählich ihre Schätze er-
worben hat. Hierzu kam noch die Perle der Sammlung, das
weltberühmte Triptychon des Hugo van der Goes, welches
Tommaso Portinari, der Rat Karls des Kühnen, hatte aus-
führen lassen und von Gent nach Florenz sandte als Schmuck
der Geschlechtskapelle in S. Maria Nuova, in welcher sich
die Genossenschaft der Florentiner Maler festlich zu ver-
sammeln pflegte. Vor nicht mehr als 25 Jahren entschloss
sich die Verwaltung des finanziell arg beschränkten Hospitals,
alle Kunstwerke, die Gemälde Hotticelli's, Fra Bartolomeo's,
Fra Angelico's, Raffaellino del Garbo's, das herrliche Terra-
kottawerk Verrocchio's u. a. m. in einem Räume zu ver-
einigen und ihn dem Publikum gegen ein mäßiges Eintritts-
geld zugänglich zu machen. Allerdings gelang es dem Be-
sucher niemals ohne Mühe, im weitläufigen Spital den alten
lahmen Kustoden ausfindig zu machen, und seine Geduld
wurde oft auf eine harte Probe gestellt, bis sich die Schlüssel
gefunden und endlich eine Thür nach der andern sich auf-
that, den ersehnten Anblick der herrlichen Kunstschätze
erschließend. Aber die finanziellen Verlegenheiten des Spitals
nahmen zu. Ohne staatliche Genehmigung wurde schon im
Jahre 1878 eine dem Donatello zugeschriebene Skulptur ins
Ausland verkauft, und mit jedem Jahr wurden die Bitten der
Spitalverwaltung dringender, welche vom Staat die Erlaub-
nis verlangte, Gemälde und Skulpturen ins Ausland verkaufen
zu dürfen. In der That konnte sich die Regierung der
augenscheinlichen Notlage des Spitals gegenüber nicht dauernd
ablehnend verhalten, und langsam formulirte sich im Laufe
der Jahre ein Programm, welches die Rettung der Spitalver-
waltung aus ihren Finanznöten ins Auge fasste und doch
Italien die Kunstschätze zu erhalten trachtete, auf welche
schon die größeren Museen des Auslandes begehrliche Blicke
gerichtet hatten. Der Minister Martini machte die ersten
Versuche, das schwierige Problem zu lösen, aber der Staat
weigerte sich, seine Vorschläge anzunehmen, obwohl die Er-
werbung damals mit weit geringeren Opfern hätte geschehen
können als heute. Am 20. April 1894 wurden die Verhand-
lungen abgebrochen, und gleichzeitig erneuerte das Ausland
seine Anstrengungen, die besten der Kunstwerke zu erwerben,
denen schon in den Uffizien eine würdige Zufluchtsstätte
bereitet worden war. So gingen die Dinge jahrelang hin
und her, bis endlich der Staat aufs neue einlenkte. Ein neuer
Gesetzesentwurf wurde ausgearbeitet und die Bezahlung der
verhältnismäßig geringen Summe von 420000 Lire in der
Weise geregelt, dass sie zum Teil wenigstens von den Eintritts-
geldern in die Museen und Galerieen gedeckt werden wird.
Die alte Senatshalle in den Uffizien, welche in licht- und
luftreiche Säle geteilt ist, wird die neuen Schätze aufnehmen,
und gleichzeitig wird damit die ganze Galerie der Offizien
einer Neuordnung unterworfen werden. Die Zahlung der
Totalsumme von 420000Lire wird im Jahre 1905 abgeschlossen
sein, und zwar beginnen die jährlichen Abzüge von 20000 Lire
auf die Eintrittsgelder der Museen und Galerien schon mit
 
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