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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

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Bode, Wilhelm von: Friedrich Lippmann: Direktor der Berliner Kupferstichkabinetts, gestorben am 2. Oktober 1903
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Verschiedenes / Inserate
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Bücherschau

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der niemand so wie er befähigt und berufen war,
wird man schwer empfinden. Auch ist der Trost,
daß ja heute, was alte Kunst anlangt, die Welt
gewissermaßen verteilt sei, ein schlechter und nicht
ganz berechtigter; es gibt noch ganze Richtungen,
wenn auch nicht gerade die wichtigsten, nach denen
das Kabinett mit Erfolg weiter ausgebant werden
kann. Auch daß dies im wesentlichen nur nach den
Abteilungen der graphischen Arbeiten moderner
Künstler und der Photographien von Gemälden
und Zeichnungen zu geschehen brauche, ist ein weit
verbreiteter Irrtum, unter dem jetzt manche Kabinette
leiden, und der wie der jetzt beliebte Kultus der
modernen Kunst beim Sammeln für unsere Museen,
das Niveau unserer Museumsbeamten und Kunst-
historiker gewiß nicht gehoben hat. Die Erfahrungen
in England, wo die Werke moderner Künstler für
die öffentlichen Sammlungen erst gekauft werden
dürfen, wenn diese nicht mehr unter den Leben-
den sind, beweisen, wie glücklich eine solche Be-
stimmung für die Kunst und für die Sammlungen
sein" kann!

Kein Zweifel, wer auch Lippmanns Nachfolger
werden wird, man wird ihn in den Museen lange
und schwer vermissen. Auch in dem künstlerischen
Leben Berlins ist durch seinen Heimgang eine emp-
findliche Lücke entstanden. Lippmann gehörte zu den
Männern, die vor etwa zwanzig Jahren die Berliner
Kunstgeschichtliche Gesellschaft begründet haben; in
den letzten zehn Jahren war er das eigentlich belebende
Element in dieser Gesellschaft. Darüber hinaus hat er
bei uns und hat er im Ausland, namentlich seitdem er
durch seine Heirat viel in die Geselligkeit kam, durch
seinen persönlichen Verkehr vielseitig anregend
gewirkt. Er hat zahlreiche Sammler hier und aus-
wärts beraten und ihnen geholfen; er verstand es,
durch seine außerordentlich lebendige Darstellungs-
weise und seine Schlagfertigkeit in der Diskussion
weiteste Kreise der Gesellschaft für künstlerische und
wissenschaftliche Dinge zu interessieren und dadurch
wie durch seinen Humor sich zahlreiche Freunde zu
gewinnen. Bei uns in Berlin stand er fast allen
Freunden alter Kunst mehr oder weniger nahe; in
Paris war er mit Charles Ephrussi, vor allem mit
Rudolf Kann eng befreundet; am heimischsten fühlte
er sich aber in England, auch schon ehe er durch
die Bande der Ehe mit England näher verwachsen
war. In dem Kreis, der sich zum lunch im Athenaeum
Club und zum afternoon tea im Burlington Fine Arts
Club zusammenfand, war er völlig zuhause und eines
der bestgelittenen Mitglieder; mit William Mitchell,
Richard Fisher, John P. Heseltine, Sir Martin Conway
und Sir W. Franks war er seit Jahrzehnten eng
befreundet, in neuerer Zeit auch mit Sir Walter
Armstrong und Sir Charles Robinson. Ein »wild
dinner« bei Franks in den Tagen, wo dieser in den
Räumen des British Museum dienstlich interniert war,
gehörte zu seinen liebsten Einnerungen — wie uns
allen, die diesem unvergeßlichen Manne nahe treten
durften. Was diese Kreise, was uns alle, die wir
Friedrich Lippmann wirklich nahe getreten sind, zu

ihm hinzog und an ihn fesselte, war nicht nur sein
Kunstverständnis, sein großes allgemeines Wissen, sein
praktischer Sinn, seine Unterhaltungsgabe, sein Humor,
es war auch das gute Herz, das warm unter einer rauhen
Schale schlug — das beweist das große Vermächtnis
zugunsten verarmter Museumsbeamter und ihrer Hinter-
bliebenen —, es war der ernste, ja poetische Sinn, den
der Fernstehende unter seiner kaustischen Art nicht
vermutete. Seine glühende Liebe zum Meere, die
ihn nach London, so oft er konnte, auf dem weitesten
Seewege fahren ließ, die ihn nach Amerika und nach
dem Kapland führte, und die er sterbend noch in
seinem letzten Wunsche betätigte, war kein sentimen-
taler oder romantischer Anflug — niemand war allem
Sentimentalen, Gemachten so abhold als er! — sie
war der Ausdruck seiner im Grunde tiefpoetischen
Natur. Friedrich Lippmann war eine ganze, eine
seltene Persönlichkeit, ein Mann von einer Art, die
ausstirbt, aus einer Zeit, die zu Ende geht. Er wird
seinen Freunden unvergeßlich bleiben; er hat sich in
den Sammlungen des Berliner Kupferstichkabinetts ein
Denkmal errichtet, das bleibender ist als alle Bilder
aus Erz und Marmelstein. w. BODE.

BÜCHERSCHAU

Bernhard Berenson, The study and criücism of Italian
art. Second series. London, O. Bell & Sons 1902. VIII,
152 S.

Die in dem zweiten Band gesammelten Aufsätze be-
handeln zumeist Einzelfragen aus dem Gebiete der Malerei
des 15. und 16. Jahrhunderts. Florentiner, umbrische und
oberitalienische Werke sind in den Kreis der Betrachtung
gezogen. Was die Aufsätze, die aus der Gazette des
beaux-arts und dem American Journal of archeology be-
kannt sind, verbindet, ist die dem Verfasser eigne, ins
Detail gehende Beobachtung, die doch niemals über dem
Einzelnen das Ganze außer acht läßt.

Da es sich um Aufsätze handelt, die der Aufmerksam-
keit der sachlich Interessierten nicht entgangen sind, so
mag ein kurzer Hinweis genügen.

Aufsatz I »Das Sposalizio zu Caen« sucht den Nachweis
zu erbringen, das bekannte Bild, das nach dem französi-
schen Kriege nicht wieder nach Perugia zurückkam, sei
ein Werk nicht Peruginos, sondern Spagnas und nicht
Raffaels Vorbild, sondern vielmehr mit Benutzung des
Brera-Bildes entstanden. Seitdem dieser Aufsatz zuerst
erschien, hat die archivalische Forschung doch auch nur
nachweisen können, daß das Caen-Bild 1499 bei Pietro
Perugino bestellt worden ist (s. L. Manzoni in Bollettino
della R. Deputazione di storia patria per l'Umbria Vol. IV,
p. 5"ff-)-

Aufsatz II »Alessio Baldovinetti und die neue Louvre-
Madonna« wurde geschrieben, als das interessante Madonnen-
bild unter dem Namen Piero della Francescas in die
Galerie gelangte. Man findet hier die meisten Arbeiten
Alessios nebeneinander reproduziert; der Vergleich behebt
jeden Zweifel über die Attribution. Dem Baldovinetti, nicht
seinem Lehrer Domenico Veneziano schreibt Verfasser
die bedeutende, jetzt in seinem Besitz befindliche Pancia-
tichi-Madonna zu; ich verweise auf die Nebeneinander-
stellung dieses Bildes und der Mittelgruppe der grossen
Tafel Domenicos in den Uffizien.

Aufsatz III. Der » Raff ael «-Karton im British Museum.
Bisher angesehen als Karton für die Macintosh-Madonna.
 
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