Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 15.1904

DOI Artikel:
Schubring, Paul: Die kunsthistorische Ausstellung in Düsseldorf
DOI Artikel:
Peltzer, A.: Heidelberger Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5900#0252

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
487

Heidelberger Brief

488

Steen, Capelle, Vlieger, Wynants, Wouwerman und
die beiden erwähnten Rembrandts. Von gut ver-
tretenen Meistern dieser Schule erwähne ich noch
Ferd. Bol (ein großes Regentenstück beim Fürsten
Wied), J. M. Molenar (zwei Bilder; das eine fälschlich
Es. Boursse signiert), Brekelenkam, J. G. Cuyp (die
köstlichen 33 Wochen alten Zwillinge der Sammlung
Weber), A. de Gelder, Jan van Goyen (fünf Bilder
zwischen 1632 und 1642), den seltenen Hackaert
(zwei Bilder), Frans Hals mit neun Bildern, darunter
drei Genreköpfe, aus den Jahren 1624 bis in die
Spätzeit), Jan Livens, Metsu, P. Moreelse, A. v. d. Neer
(vier Bilder), die beiden Ostade, Palamedesz, die drei
Ruisdaels mit neun Bildern, Terborch (hervorragend
vertreten in fünf Nummern, darunter zwei große
Staatsbilder vom Friedenskongreß in Münster) und
A. v. d. Velde. Zeitlich nach oben schloß die Über-
sicht mit D. Chodowieckis Bild der Familie Calas
im Kerker (Großherzog von Hessen) und dem deli-
katen Porträt Jos. Reynolds (Besitzer R. Suermondt-
Aachen).

Über die g8 Bilderhandschriften, welche eine
lückenlose Übersicht über die rheinische Buchmalerei
des g. bis 16. Jahrhunderts geben und durch eine
von Dr. Haseloff geliehene photographische Aus-
stellung ergänzt werden, bin ich nicht imstande, anders
als summarisch zu berichten. Es sind vorhanden
1 irische Handschrift, 5 karolingische, 13 ottonische
des 10. Jahrhunderts, 20 aus dem 11. Jahrhundert,
18 des 12. Jahrhunderts, nur 4 aus dem 13. Jahr-
hundert, 11 aus dem 14. Jahrhundert, 26 aus dem
15. und 11 aus dem 16. Jahrhundert. Als besondere
Cimelien gelten der Adakodex, ein Aachener Evan-
geliar des 9. Jahrhunderts, das Evangeliar Ottos III.
aus Aachen, der Codex Egberti, der Echternacher
Evangelienkodex, ein angelsächsisches Evangeliar des
11. Jahrhunderts mit Federzeichnungen (Herzog von
Arenberg), der Codex aureus Epternacensis und ein
lateinischer Psalter von 1239. Die steigende, im
15. Jahrhundert die Höhe erreichende Pracht dieser
Buchkunst ließ es wieder zum Bewußtsein kommen,
wie hochentwickelt die Kunst war, die durch Guten-
berg den Todesstoß empfing. Das letzte Buch, das
in Düsseldorf ausgestellt ist, stammte von 1531 —
also aus der Zeit, in der die letzten Schreiber und
Illuminatoren resigniert Feder und Pinsel für immer
niedergelegt haben.

Wir schließen mit dem herzlichen Dank für so
reiche Gaben; er gilt den Besitzern und vor allem
den Männern, die diese seltene Fülle vereinigt haben.
Möchte die Konfrontation so vieler versteckter und
verstreuter Kunstwerke der Forschung reiche Früchte
bringen. PAUL SCHUBRINQ.

HEIDELBERGER BRIEF
Von den Zuständen auf unserem Schlosse Näheres
zu hören, dürfte nach den Nachrichten der letzten
Zeit allgemein interessieren. Die Wiederhellung des
Friedrichsbaues ist vollendet; diejenige der Ruine des
Otto-Heinrichsbaues ist beschlossene Sache! Man
wird sich nur noch über das Modell auseinander-

setzen, das der Restaurierung des letzteren zugrunde
gelegt werden soll1). Dem erstgenannten Bau ist sein
Zauber schon unwiederbringlich genommen worden.
Mit machtloser Betrübnis stehen wir vor ihm und
müssen sehen, was man ihm angetan hat, was aus
ihm geworden ist. Und jetzt rüstet man sich, auch
die Hand an jenes andere, noch wundervollere Ge-
bilde zu legen, um jene Schöpfung vergangenen
Kunstgeistes, die, man möchte sagen, langsam wieder
in die Natur, aus der sie mit bildender Hand einst
genommen, zurückgefallen war. In diesen Naturprozeß,
in dem sich das ewige Gesetz des Werdens und
Vergehens so eindrucksvoll ausspricht, will man mit
willkürlicher Gewalt eingreifen, um ein zweckloses
Neues, dem Alten vermeintlich gleiches, dahinzusetzen.

Zu den vielen Protesten gegen diese Absicht
brauchen meine Zeilen kaum noch einen neuen hin-
zuzufügen: genug Stimmen von vollerem Klang, genug
Namen von größerem Gewicht sind in die eine Wag-
schale gelegt worden, um die andere mit den so ver-
schwindend wenigen derjenigen, die für den Wieder-
aufbau und die Neueinrichtung von ihrer Hand sich
ins Zeug legen, in die Höhe empor zu schnellen.
Auch weitere öffentliche Klagen sind hinzuzufügen
kaum noch mehr vonnöten, nachdem das Bewußtsein
von der trübseligen Bedeutung des Beginnens und
die Trauer darüber, schon in den weitesten Kreisen
des deutschen Volkes wach geworden ist. Es soll
hier nur von dem berichtet werden, was jetzt am und
im Friedrichsbau zu sehen ist, mit der offen bekannten
Absicht, deutlich mit dem Finger darauf zu weisen,
als auf ein, nicht wieder gut zu machendes zwar,
jedoch als auf das warnendste und abschreckendste
Beispiel, vor dessen Wiederholung am Otto-Heinrichs-
bau wir, so wollen wir doch noch unbeirrt hoffen,
gnädig bewahrt werden möchten! Den zähen Wider-
stand der Vielen gegen die noch zäheren Wenigen
gilt es noch weiter anzuspornen.

Also: Der Friedrichsbau ist »wiederhergestellt«
und neueingerichtet! Der Kurfürst und Pfalzgraf
könnte morgen wieder seinen Einzug halten, und -
würde sich entrüsten über die Karikatur seiner ehe-
maligen Wohnung. Ihm ist's erspart; wir sollen's
dulden. Mit neuen Wänden, Decken, Böden, Tapeten,
Türen, Fenstern, Kaminen u. s. w. sind sämtliche Ge-
mächer wieder versehen, als ob sie morgen wieder
bezogen werden sollten. Für wen? Für die Frem-
den, denen gezeigt werden soll, »wie's in der deut-
schen Renaissance ausgesehen hat«. Sie haben eifrigst
studiert, die Meister dieser Neueineinrichtung; und
vor lauter Kenntnissen konnten sie sich nicht genug
tun, ihr Wissen anzubringen, alle die Formen und
Motive zu zeigen, ja zu häufen, die sie als der Re-
naissance eigen kennen, in mehr oder manchmal auch
minder großer Stiltreue. Eine verwirrende Fülle
von Dekorationen umgibt uns da jetzt; in hundert
aufdringlichen Farben und Formen ist ein verschwen-
derischer, aber falscher Reichtum angehäuft, ein

1) Siehe die Notiz in der »Kunstchronik« vom 3. Juni
1904, Spalte 441 f.
 
Annotationen