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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925/​1926 (Oktober-März)

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Nr. 28
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Aranowitch, D. M.: Moderne Kunst in Russland
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https://doi.org/10.11588/diglit.41232#0025

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Moderne Kunst in Rußland

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Moderne russische Malerei auf der letzten Ausstellung in Venedig: Kontschalowskis Werke

Die Gruppe »Pique-Bube« entstand in Moskau vor 15 Jahren. Die Maler des
»Pique-Buben« traten damals gegen den konservativen Geist der »Akademie der
Künste« auf und vereinigten sich unter Losungen der französischen Impressionisten.
Wenn auch vom ästhetischen Standpunktaus eine ganze Reihe russischer Künstler
von Lewitan bis Maljawin in irgendwelchem Maße zu den russischen Impressio-
nisten gerechnet werden kann, so sind doch vom Standpunkt der Geschichte aus
die Maler des »Pipue-Buben« die ersten wirklichen russischen Impressionisten. In
den letzten Jahren waren sie alle mehr oder weniger Schüler Cezannes, von dem
sie sich auch jetzt nicht ganz befreit haben. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht ist
einer der bedeutendsten Maler dieser Gruppe: Kontschalowski. Kontschalowski, der
im vorigen Jahre eine Ausstellung seiner Werke in Paris veranstaltet hatte, erwies
sich als großer Maler, der den ganzen Komplex der formalen Versuche der letzten
Jahre auf eigenartige synthetische Weise verwirklichte. Wenn das große Talent
Kontschalowskis ihn aus dem Schlamm der einförmigen Handgriffe im Sinne der
Impressionisten und Cezannes befreite, so blieben die meisten seiner Gruppen-
gefährten in einer weit verwirrteren Lage. Schließlich sind die Künstler des
»Pique-Buben« in ihrer Mehrheit, trotz ihrer 15jährigen Existenz (und vielleicht
gerade deshalb) und trotz ihrer neuen Deklaration und des neuen Namens ihrer
Gruppe »Moskauer Maler«, orthodoxe Anhänger der französischen Malerei geblieben.
Und doch zeigte die letzte Ausstellung dieser »Moskauer Künstler«, daß ihr
schwächster Punkt nicht in dem künstlerischen Niveau der abgesondert betrach-
teten Arbeiten der einzelnen Künstler war. Mehr noch, die einzelnen Maler dieser
Gruppe sind entschieden vorwärts gekommen. Von ihnen steht an erster Stelle
Robert Falk; seine Arbeiten, die durch großes bewußtes Können, selbständige
Form und ein gewaltiges Anschauungsvermögen gekennzeichnet sind, nähern sich
Werken großen Stils. Eine hohe Kultur der künstlerischen Form weisen auch die
Gemälde Igor Grabars auf, der vom eigenartigen russischen Pointillismus zur ge-
sättigt-realistischen Form übergegangen ist. Endlich können aus dieser Gruppe
»Pique-Bube« (jetzt »Moskauer Künstler«) der äußerst talentvolle Stilleben-Maler
Ilja Maschkow und W. Roschdestwenski erwähnt werden, die aber auf der letzten
Ausstellung ungünstig vertreten sind.
 
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