KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER ALFRED KUHN
NR. 35 28. NOVEMBER 1925
LUDWIG PERSIUS ALS ARCHITEKT
VON LEOPOLD GIESE
Es ist erklärlich, daß, solange der umfassende Genius Schinkels selbst in
Rerlin und Potsdam am Werke war, die mit und neben Schinkel wirkenden
Raumeister in ihrer Tätigkeit zurücktreten mußten. Und als nach Schinkels
Tode seine Schüler und Mitarbeiter sein künstlerisches Erbe antreten und
weiterführen sollten, da zeigte es sich, daß sie im Ranne seiner überragenden
künstlerischen Persönlichkeit ganz von dem Streben durchdrungen waren, in
seinem Sinne zu schaffen und zu wirken. Und mochte gleichwohl diese Kunst
der Schinkelschule nicht an die Höhe schöpferischer Meisterschaft des
Lehrers heranreichen, so ist doch manches Wertvolle von ihr geleistet worden.
Unzweifelhaft einer der liebenswürdigsten und feinsinnigsten Angehörigen
der Schule war der Potsdamer Ludwig Persius, Maler und Architekt zu-
gleich, der in engster Berührung mit Schinkel mit der Anfertigung der
genauen Zeichnungen nach dessen^ Skizzen und der Ausführung seiner Ent-
würfe betraut wurde. Infolge dieses innigen Zusammenwirkens ist eine rein-
liehe Scheidung der Hände des Meisters und seines Mitarbeiters in dem in
Betracht kommenden Zeichnungsmateriale oft recht schwer. Aber nicht nur
in den Fällen, wo Persius an seines Lehrers Schöpfungen gebunden war,
war seine Tätigkeit ganz erfüllt von Schinkelschem Geiste, sondern auch da,
wo ihm vergönnt war, Eigenes zu geben. Doch kommt hierbei noch ein
anderes in Retracht. Wie Schinkel in stetem Zusammenarbeiten mit dem
Kronprinzen, dem späteren Friedrich Wilhelm IV., schuf — ein Zusammen-
arbeiten, bei dem man sich von dem weitgehenden Einwirken des Kron-
prinzen auf Schinkels künstlerische Tätigkeit im allgemeinen noch kein
genügend klares Rild macht —, so stand auch Persius in engster Verbindung
mit diesem Fürsten. Und was Friedrich Wilhelm durch den Tod Schinkels
— im Jahre seiner Thronbesteigung — versagt blieb: mit dem von ihm
hochverehrten Künstler in noch umfänglicherem Maße als König denn als
Kronprinz zusammenzuarbeiten und wahrhaft königliche Pläne zu fassen
und zur Ausführung zu bringen, ein Ziel, das er Schinkel oft, wenn diesen
die Enttäuschungen infolge Ungunst der Zeit oder Sparsamkeit und Mangel
an Kunsthebe des Königs Friedrich Wilhelm III. niederdrückten, in den
Worten verhieß: »Kopf oben, Schinkel, wir wollen einst zusammen bauen!«,
das konnte er nun seit 1840, dem Jahre der Regierungsübernahme, im
Nr. 35. 28. XI. 25
HERAUSGEBER ALFRED KUHN
NR. 35 28. NOVEMBER 1925
LUDWIG PERSIUS ALS ARCHITEKT
VON LEOPOLD GIESE
Es ist erklärlich, daß, solange der umfassende Genius Schinkels selbst in
Rerlin und Potsdam am Werke war, die mit und neben Schinkel wirkenden
Raumeister in ihrer Tätigkeit zurücktreten mußten. Und als nach Schinkels
Tode seine Schüler und Mitarbeiter sein künstlerisches Erbe antreten und
weiterführen sollten, da zeigte es sich, daß sie im Ranne seiner überragenden
künstlerischen Persönlichkeit ganz von dem Streben durchdrungen waren, in
seinem Sinne zu schaffen und zu wirken. Und mochte gleichwohl diese Kunst
der Schinkelschule nicht an die Höhe schöpferischer Meisterschaft des
Lehrers heranreichen, so ist doch manches Wertvolle von ihr geleistet worden.
Unzweifelhaft einer der liebenswürdigsten und feinsinnigsten Angehörigen
der Schule war der Potsdamer Ludwig Persius, Maler und Architekt zu-
gleich, der in engster Berührung mit Schinkel mit der Anfertigung der
genauen Zeichnungen nach dessen^ Skizzen und der Ausführung seiner Ent-
würfe betraut wurde. Infolge dieses innigen Zusammenwirkens ist eine rein-
liehe Scheidung der Hände des Meisters und seines Mitarbeiters in dem in
Betracht kommenden Zeichnungsmateriale oft recht schwer. Aber nicht nur
in den Fällen, wo Persius an seines Lehrers Schöpfungen gebunden war,
war seine Tätigkeit ganz erfüllt von Schinkelschem Geiste, sondern auch da,
wo ihm vergönnt war, Eigenes zu geben. Doch kommt hierbei noch ein
anderes in Retracht. Wie Schinkel in stetem Zusammenarbeiten mit dem
Kronprinzen, dem späteren Friedrich Wilhelm IV., schuf — ein Zusammen-
arbeiten, bei dem man sich von dem weitgehenden Einwirken des Kron-
prinzen auf Schinkels künstlerische Tätigkeit im allgemeinen noch kein
genügend klares Rild macht —, so stand auch Persius in engster Verbindung
mit diesem Fürsten. Und was Friedrich Wilhelm durch den Tod Schinkels
— im Jahre seiner Thronbesteigung — versagt blieb: mit dem von ihm
hochverehrten Künstler in noch umfänglicherem Maße als König denn als
Kronprinz zusammenzuarbeiten und wahrhaft königliche Pläne zu fassen
und zur Ausführung zu bringen, ein Ziel, das er Schinkel oft, wenn diesen
die Enttäuschungen infolge Ungunst der Zeit oder Sparsamkeit und Mangel
an Kunsthebe des Königs Friedrich Wilhelm III. niederdrückten, in den
Worten verhieß: »Kopf oben, Schinkel, wir wollen einst zusammen bauen!«,
das konnte er nun seit 1840, dem Jahre der Regierungsübernahme, im
Nr. 35. 28. XI. 25