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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925/​1926 (Oktober-März)

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Nr. 42/43
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Tietze, Hans: Alter und neuer Kurs in der österreichischen Musealverwaltung
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Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41232#0223

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Literatur

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niemals verzeihen werden, daß er — neben allem anderen, was es auf dem Gebiete
alter und neuer Graphik und Handzeichnung gibt — auch um vier pro Mille Ko-
koschka, Nolde, Munch usw. gekauft hat. Es sind dieselben, die dem Direktor der
Österreichischen Galerie die Schaffung des Barockmuseums aus dem Nichts und
der Galerie des 19. Jahrhunderts aus dem Wenig niemals anrechnen werden, weil
er ein »Letztes Aufgebot« von Defregger nicht aufgehängt und ein paar Bilder junger
österreichischer Künstler gekauft hat, statt sie kampflos den deutschen Museen zu
überlassen. Es sind dieselben, die auch in der Neugestaltung der Akademiesamm-
lung und der Gemäldegalerie, in der Absicht, ein einheitliches Antikenmuseum, ein
Zentrum für mittelalterliche Plastik zu schaffen, den lebendigen Geist fühlen, der
ihnen der Gottseibeiuns ist. Ihnen ist der Historismus der Schild, sich alle Neue-
rungen vom Leib zu halten, das Lotterbett ihrer Trägheit; rheumatische und ver-
kalkte Passagiere der künstlerischen Bewegung, scheuen sie ängstlich jeden Hauch
frischer Luft.
All diese politisch und kulturell Ultrakonservativen wären aber an Zahl und
Bedeutung völlig belanglos, wenn nicht der Bürokratismus, der, nach dem Kriege
ein paar Jahre zurückgedrängt, nun wieder die Herrschaft an sich gerissen hat, ihr
natürlicher Verbündeter wäre; ihm sind diese Bekenntnisse zur Stagnation hoch-
willkommen, denn er verteidigt sein Daseinsrecht, indem er überall den Produk-
tiven hindernd in den Arm fällt. Denn wie bei aller Sterilität, die sich betätigen
will, kann diese Betätigung nur Störung, Hindernis, Zersetzung sein. Aber damit
greifen wir über das uns beschäftigende museale Problem hinaus; denn der zeit-
widrige Bürokratismus ist die Krankheit, an der das ganze österreichische Wesen
tödlich krankt.
Soll er mit seinen geistig verwandten Verbündeten auch den österreichischen
Musealbesitz zugrunde richten? Wie die Dinge heute stehen, sehe ich gegenüber
der völligen Gleichgültigkeit der maßgebenden Kreise — seien sie Regierung, seien
sie Parlament — keine Hilfe. Dann sollten diese Kreise doch wenigstens den Mut
haben, ihre Gleichgültigkeit zu bekennen und uns die bis zum t berdruß gehörte
Phrase von der »alten Kultur Österreichs«, die geschützt werden müsse, zu er-
sparen. Man kann ja den »neuen Kurs« zum Prinzip erheben. Man kann das öster-
reichische Museumswesen auch als einen großen und immer noch sehr sehenswerten
Friedhof behandeln; man kann alles so lassen, wie es ist, alles Lebendige von ihm
fernhalten. Man braucht dann keine wissenschaftlichen Beamten, sondern kann
sich mit Kastellanen begnügen; man braucht dann auch keine Fachreferenten für
die Museen im Ministerium, sondern kann mit einem Aktuar das Auslangen finden,
der ihre Angelegenheiten in seinen Akten registriert. Man muß sich nur zwischen
altem oder neuem Kurs entscheiden, dann kann man z. B. auch die Grenze der
westeuropäischen Zivilisation von Preßburg nach Passau übertragen. Man kann
alles mögliche tun. Nur ich brauche dann nicht dabei zu sein.

LITERATUR
F riedrich Sarre, Keramik und an-
dere K1 e i n f u n d e der islamischen
Zeit von Baalbek. Sonderabdruck
aus dem III. Bande der Ergebnisse der
Ausgrabungen und Untersuchungen in
den Jahren 1898—1905. Mit 87 Text-
bildern u. 6 Taf. Berlin u. Leipzig 1925,
\ erlag von Walter de Gruyter & Co.
Den Freunden der Keramik und der
keramischen Forschung wird durch die-
Nr. 42/43. 23./30. I. 26

sen schön gebundenen, in 200 Exem-
plaren gedruckten Sonderdruck aus dem
III. Bande des unter Theodor Wiegands
Leitung soeben zu Ende geführten gro-
ßen Ausgrabungswerkes über Baalbek
ein großer Dienst erwiesen. Sie sind da-
durch in die Lage gesetzt, die wichtige
Abhandlung Sarres über die in den
Ruinen von Baalbek gefundenen isla-
mischen Töpfereien, Gläser und andern
Objekte gesondert erwerben zu können.
 
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