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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925/​1926 (Oktober-März)

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Nr. 31
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Sydow, Eckart von: Kunst und Wirtschaft bei den Naturvölkern
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https://doi.org/10.11588/diglit.41232#0075

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT

HERAUSGEBER ALFRED KUHN

31. OKTOBER

1925

NR. 31

KUNST UND WIRTSCHAFT
BEI DEN NATURVÖLKERN

VON ECKART VON SYDOW

us dem großen Komplex der Beziehungen zwischen naturvölkischer Kunst


jljL und Wirtschaft heben wir im folgenden als ein besonders wichtiges Pro-
blem die Frage nach der eventuellen Abhängigkeit künstlerischer Stil-
formen von den jeweiligen Wirtschaftsformen ihres Ursprungs-
gebietes zur näheren Untersuchung heraus. In dieser Fragestellung und
in ihrer Beantwortung im bejahenden Sinne besteht eine weitgehende Über-
einstimmung bei verschiedenen Forschern, die sich mit der Kunst der
Naturvölker beschäftigt1 haben. Ernst Große begann in seinen »Anfängen
der Kunst« (1894) die Ableitung der primitiven Kunstformen aus den Wirt-
schaftsformen, —■ Herbert Kühn hielt in der »Kunst der Primitiven« (1923)
seine vielfach vortrefflich einfühlenden Analysen primitiver Kunstwerke durch
den allgemeinen und allseitig durchgeführten Gedanken der Abhängigkeit
der Kunstsprache von der Wirtschaftsartung zusammen —•, K. Weule,
K. Woermann und U. Frobenius machten von dem gleichen Gedanken
einen mehr oder minder ausgedehnten Gebrauch1. So sehr die grundsätzliche
Übereinstimmung der verschiedenen Forscher in dieser Angelegenheit einen
Zweifel an der Gültigkeit ihrer Meinung überflüssig zu machen scheint, so
unumgänglich ist dennoch solch Zweifel schon aus prinzipiellen Gründen.
Denn die Kunstgeschichtsschreibung beruht sonst auf der idealistischen
Grundlage des Glaubens an die Souveränität des Kunstwillens. Dem Ge-
biete der Naturvölker und der Urzeit — gleichsam Fremdkörpern innerhalb
unserer Disziplin! -—- blieb es bislang Vorbehalten, ein Versuchsfeld der
materialistischen Geschichtsphilosophie zu bilden. Der Grundsatz
der Stilreinheit der kunsthistorischen Methodik nötigt daher schon
von sich aus zur kritischen Erwägung, ob in der Tat die formalen Unter-
schiede der naturvölkischen Kunstübung als Auswirkungen wirtschaftlicher
Unterschiede zu betrachten sind, bzw. zur Vorfrage, ob überhaupt die Vor-
aussetzung dieser These, also die Übereinstimmung von Kunst- und
Wirtschaftsform, zu Recht besteht.
1) Endlich hat Fr. Graebner in seinem Buche »Weltbild der Primitiven« (1924)
wenigstens die durchgehende Entsprechung von Kunst- und Wirtschaftsweise, wenn auch
vom Primat der allgemeinen Weltanschauung überbrückt, angenommen.
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