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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925/​1926 (Oktober-März)

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Nr. 30
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Kirstein, Gustav: Menzeliana
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https://doi.org/10.11588/diglit.41232#0057

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER ALFRED KUHN
NR. 30 24. OKTOBER 1925

MENZELIANA
MITGETEILT VON GUSTAV KIR STEIN
Mit 11 Abbildungen
Jüngst ist mir ein amüsantes kleines Ölbild begegnet, gemalt von Hugo
von Blomberg, darstellend (wie der Künstler auf besonderem Blatt aus-
führlich mit Angabe aller Figuren notiert hat) das Eulenspiegelfest des
Tunnels über der Spree am 24. Februar 1852.
Ich darf annehmen, daß die meisten Leser der Kunstchronik wissen,
was es mit diesem kuriosen Tunnel für eine Bewandtnis hat. Kurz gesagt:
der Tunnel über der Spree war ein etwas philiströs angehauchter literarischer
Sonntagsverein, in dem die geistigen Köpfe Berlins behaglich, manchmal
wohl auch etwas empfindsam oder empfindlich, zusammenzukommen pflegten.
Gegründet war der Tunnel 1827 durch Saphir, seine Blütezeit waren die
40er und 50 er Jahre. Für eine besondere Finesse hielt man es, daß jedes
Mitglied seinen bürgerlichen Namen ablegen mußte: Fontane war La Fon-
taine, Blomberg der Maler Müller, Franz Kugler Lessing, Menzel Rubens,
Paul Heyse Hölty; und so fort die ganze Schar —• Professoren, Staats-
beamte, Künstler und Dilettanten, Mäzene und Offiziere. Man diskutierte,
kritisierte und trug eigene oder fremde Dichtung vor (»Kleindichterbewahr-
anstalt« spottete Geibel!). — Das Sinnbild der Tunnel-Brüder war die Eule;
alljährlich zum Fasching wurde mit feierlichem Ernst ein Eulenspiegelfest
zelebriert; und, soweit mir bekannt, ist das hier veröffentlichte Bild die
einzige Darstellung, die uns von dem Treiben eines solchen Festes leibhafte
Kunde gibt.
Menzels Zugehörigkeit zum Tunnel ist in seinem graphischen Werk
durch das lithographierte Blatt zum Fasching 1852 (Bock 391) sozusagen
»verankert«. Vermutlich ist dieses Blatt von Menzel geraume Zeit später
geschaffen worden, und zwar aus der Erinnerung an ganz denselben Fest-
aktus, den unser Ölbildchen wiedergibt. Nur mit dem Unterschied, daß
wir es bei Blombergs Bild mit einem Dokument zu tun haben, bei dem
alles Porträt ist, sogar der Ofen und der Apoll vom Belvedere — während
sich Menzel in einem freien allegorisierenden Phantasiebilde ergangen hat.
Übrigens gehört das Faschingsblatt zu den wenigen Schwächlingen in
Menzels Werk; woraus sich schließen läßt, daß Menzeln der Tunnel nicht son-
derlich nahestand. Wahrscheinlich hat er die Tunnel-Brüder nur frequentiert
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