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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925/​1926 (Oktober-März)

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Nr. 35
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Literatur / [Notizen] / Antiquariat / Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41232#0136

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566

Literatur — Nekrologe

LITERATUR
Birchler, Linus, Einsiedeln und
sein Architekt Caspar Moos-
brugger. Augsburg, Benno Filser
Verlag, 1924.
Die monographische Betrachtungs-
weise läuft durch die zentripetale Stoff-
gliederung gern Gefahr, die Bedeutungs-
dimension ihres Themas auf Kosten an-
derer zeitgenössischer Leistungen zu
übersteigern. Birchler hat das glücklich
vermieden. Wohl ausbalanciert, zeigt er
auch die Einflüsse fremder Kunstkreise
in des Vorarlbergers Schaffen. (Zu Salz-
burg, Weingarten, Mailand bestehen di-
rekte Beziehungen.) Es sind Anregungen,
die frei und eigenständig durch Moos-
brugger assimiliert wurden. Das tradi-
tionsmäßig überkommene sog. »Vorarl-
bergerschema« tritt langsam zurück;
schon im Grundriß für Solothurns St.-Ur-
sen-Kathedrale (um 1711) bewegt sich
M. in einer überraschend großartigen
Gestaltungsweise. Statt der Addition
vieler schmaler gleichlautender Joche
nur drei im Langhaus, aber von mäch-
tigen Ausmaßen. Die letzten maßgeben-
den Risse aus der Planserie für den Neu-
bau von Einsiedeln zeigen die Tendenz
zur Weiträumigkeit, verknüpft mit der
Idee einer freien Folge von Zentralräu-
men.
Eine gründliche Formanalyse des Ein-
siedler-Baubestandes bildet den ersten
Abschnitt. Die etwas spröde Aufgabe
der Beschreibung ist geschmeidig be-
zwungen und erzieht den Blick des Le-
sers für die Leistung des dritten Teiles,
wo manch ein Werk auch hei fehlendem
dokumentarischem Beleg nur auf Grund
dieser geschärften Stilkritik als Arbeit
Moosbruggers erwiesen werden kann. Der
Reichtum und die Mannigfaltigkeit die-
ses Oeuvres nötigen Bewunderung ab
und auch Dank gegen den Verfasser,
diesen bedeutenden Barockkünstler zum
ersten Male in klares Licht gestellt zu
haben.
Im zweiten Teil werden die zahlreichen
Dokumente zu Bruder Caspars Leben in
chronologischer Ordnung vorgeführt.
Sie umfassen volle 36 Seiten und wir-
ken bei der Lektüre sehr ermüdend,

nehmen sich auch zwischen den durch-
geformten Abschnitten 1 und 3 etwas
rohmaterialmäßig aus. Vielleicht hätte
dafür eine andere Form gefunden werden
können. — Der Verlag hat dem Buch
eine wirklich gediegene Ausstattung ver-
liehen, sie dokumentiert sich im klaren
Druck und sorgfältig abgewogenen Satz-
spiegel ebenso wie in den vielen in den
Text eingestreuten Planzeichnungen und
den 125 Abbildungen der 88 Tafeln.
J. Futterer
NEKROLOGE
Carlv. Hollitscher ist vor einigen
Tagen, mehr als 80 Jahre alt, gestorben.
Die Chronik hat in diesen Zeiten viele
Todesnachrichten zu buchen, sei es, daß
Sammlungen sterben vor ihren Eigen-
tümern, sei es, daß die Auflösungen sich
in umgekehrter Reihenfolge vollziehen.
Die Sammlung v. Hollitscher wurde vor
einigen Jahren freihändig verkauft. Ein
Teil davon ging in Castiglionis Besitz
über und ist wenige Tage nach Herrn
v. Hollitschers Ableben in Amsterdam
unter den Hammer gekommen. In seinem
geschäftlichen Unternehmen mit Martin
Heckscher verbunden, hat der aus Wien
stammende Kunstfreund die Anregung
zum Sammeln von diesem klugen, vor
etwa 25 Jahren gestorbenen Freunde
empfangen und mit Passion eine statt-
liche Galerie zusammengebracht, in Ber-
lin, am Pariser Platze, in jenem Hause,
das Herrn v. Carstanjens Sammlung be-
herbergt hatte. Er gehörte zu jenen
Berliner Herren, die von Bode gut be-
raten, namentlich von Londoner und
Pariser Händlern niederländische Bilder
des 17. Jahrhunderts, seltener »Primi-
tive« und Bronzen erwarben. Damals
gab es noch keinen Kunsthandel in Ber-
lin; seit es einen gibt, sind die Berliner
Sammler verschwunden. Nach »Friedens-
schluß« und Revolution liquidierte Herr
v. Hollitscher seinen Berliner Besitz und
zog nach Luzern. Dort ist er gestorben.
Das Gedächtnis an den hageren und ele-
ganten Herrn, der in einer historisch
gewordenen Periode gesellschaftlicher
Ueppigkeit und wirtschaftlicher Blüte
mit gewinnenden Formen in der ersten
 
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