Literatur —
erhellten Horizontes. Die Technik ist
meistens brauner Bister (auch die Ita-
liener arbeiteten mit laviertem Bister,
nicht mit Sepia, die erst im 18. Jahrhun-
dert aufkommt — eine Verwechslung,
die öfters und so auch hier im Vorwort
begegnet). Diese Bußfarbe des Bister
wird in Claudes Händen zu einem unge-
ahnt tonreichen und sich anschmiegen-
den Instrument, das in den schönsten
Blättern einen ungemeinen Reichtum
der Klangfarbe in sich birgt — breit
und samtig mit dem Pinsel hingesetzt.
Doch sind manche Zeichnungen, beson-
ders die Kompositions-Studien (die zum
Teil auch darüber hinausgehen und von
vornherein als fertige Kunstwerke zu gel-
ten hatten) komplizierter in der Technik.
Zum Bister gesellt sich schwarze Kreide,
lichter Ocker gibt warme farbige Ton-
werte, hie und da wird auch mit Rötel
hineingearheitet und schließlich werden
die Lichter mit Deckweiß gehöht.
Es ist daher kein kleines Stück Mei-
sterschaft, was in diesen »Faksimile«-
Drucken der Marees- Gesellschaft bewährt
werden mußte und erreicht ist. Es dürfte
wohl kaum möglich sein, die Höhe der
Leistung noch zu steigern, so vollkommen
ist auch im schwierigsten, in den Ton-
werten, die Eigenart des Originals er-
reicht.
Die beiden schönsten der 11 (in der
Luxusausgabe 12) ausgewählten Zeich-
nungen stammen aus der unerschöpf-
lichen Sammlung des British Museum.
Alle anderen sind aus dem Besitz des
Berliner Kupferstich-Kabinetts,das eben-
falls einige sehr schöne Zeichnungen und
auch dem Thema nach variierte besitzt
(so eine schöne Felsstudie mit breiten
Lichtern, die elegische Landschaft mit
der Brücke und die ganz fertige, farbige
»Entführung Europas« der Spätzeit). Ein
oder zwei andere scheinen mir nicht ganz
von dieser Höhe und hätten sich viel-
leicht durch charakteristischere Blätter
aus der Albertina (auch die Uffizien be-
sitzen sehr schöne) ersetzen lassen. Nicht
eigenhändig scheint mir Nr. 11: Ein-
schiffung der Königin von Saba, das ich
nicht für eine V or-, sondern für eine Nach-
zeichnung zu dem bekannten Gemälde
Nekrologe 509
von 1648 halte. Die ganze Behandlung
des Striches und des Tones ist zu grob
für Claude, auch beweist schon die weit-
gehende Übereinstimmung der Figuren
auf der Zeichnung mit denen des Bildes,
die gar nicht von Claude stammen, daß
es sich um eine Studie Claudes handeln
kann. — Die Einleitung, die von Kurt
Gerstenberg mit großer Liebe für das
Wesen Claude Lorrains geschrieben ist,
schließt mit einem Wort Buddhas ab.
Walter Friedlaender
NEKROLOGE
Christian Krohg f
73 Jahre ist er alt geworden, aber
trotz dieses hohen Alters hat er sich bis
zuletzt als lebendige Persönlichkeit im
norwegischen Kunstleben behauptet. Er
war bis vor kurzem Leiter der Kunst-
akademie und die Jugend hatte zu ihm
Vertrauen, weil er jedem Talent, mochte
ihm auch seine Richtung noch so fremd
sein, Achtung und wohlwollendes Inter-
esse entgegenbrachte. Er war ein ge-
borener Kunstpädagoge; auch Munch hat
in seiner Frühzeit starke Einflüsse von
ihm empfangen. All sein Wirken und
Schaffen strömte aus der Quelle einer
herzhaft-kräftigen, breiten, blutvollen
Persönlichkeit, die nichts halb tat und
die sich in allem, was sie anfaßte, mit der
vollen Wucht ihrer strotzenden Vitali-
tät einsetzte. Krohg hatte einen solchen
Überschuß an Vitalität, daß er sie trotz
eines reichen Werkes in der Kunst nicht
aufzubrauchen wußte ; er ist auch als
Journalist und als Dichter — seine Er-
zählung »Albertine« — tätig gewesen,
und zwar mit solchem Erfolge, daß man-
che den Journalisten Krohg über den
Maler stellen wollen. Unter seinen Bil-
dern sind nicht wenige, die nach Wahl
und Behandlung des Motivs uns heut zu
absichtsvoll, zu derb aufgemacht erschei-
nen wollen, aber immer behält man das
Gefühl, daß der, der sie malte, »ein Kerl«
war, und immer handhabte er die Malerei
in einem großen, männlichen Stile. Er hat
sentimentale Motive gemalt, aber er hat
nie sentimental gemalt, und in Werken,
wie dem Bildnisse einer alten Frau und
der Mutter an der Wiege in der National-
erhellten Horizontes. Die Technik ist
meistens brauner Bister (auch die Ita-
liener arbeiteten mit laviertem Bister,
nicht mit Sepia, die erst im 18. Jahrhun-
dert aufkommt — eine Verwechslung,
die öfters und so auch hier im Vorwort
begegnet). Diese Bußfarbe des Bister
wird in Claudes Händen zu einem unge-
ahnt tonreichen und sich anschmiegen-
den Instrument, das in den schönsten
Blättern einen ungemeinen Reichtum
der Klangfarbe in sich birgt — breit
und samtig mit dem Pinsel hingesetzt.
Doch sind manche Zeichnungen, beson-
ders die Kompositions-Studien (die zum
Teil auch darüber hinausgehen und von
vornherein als fertige Kunstwerke zu gel-
ten hatten) komplizierter in der Technik.
Zum Bister gesellt sich schwarze Kreide,
lichter Ocker gibt warme farbige Ton-
werte, hie und da wird auch mit Rötel
hineingearheitet und schließlich werden
die Lichter mit Deckweiß gehöht.
Es ist daher kein kleines Stück Mei-
sterschaft, was in diesen »Faksimile«-
Drucken der Marees- Gesellschaft bewährt
werden mußte und erreicht ist. Es dürfte
wohl kaum möglich sein, die Höhe der
Leistung noch zu steigern, so vollkommen
ist auch im schwierigsten, in den Ton-
werten, die Eigenart des Originals er-
reicht.
Die beiden schönsten der 11 (in der
Luxusausgabe 12) ausgewählten Zeich-
nungen stammen aus der unerschöpf-
lichen Sammlung des British Museum.
Alle anderen sind aus dem Besitz des
Berliner Kupferstich-Kabinetts,das eben-
falls einige sehr schöne Zeichnungen und
auch dem Thema nach variierte besitzt
(so eine schöne Felsstudie mit breiten
Lichtern, die elegische Landschaft mit
der Brücke und die ganz fertige, farbige
»Entführung Europas« der Spätzeit). Ein
oder zwei andere scheinen mir nicht ganz
von dieser Höhe und hätten sich viel-
leicht durch charakteristischere Blätter
aus der Albertina (auch die Uffizien be-
sitzen sehr schöne) ersetzen lassen. Nicht
eigenhändig scheint mir Nr. 11: Ein-
schiffung der Königin von Saba, das ich
nicht für eine V or-, sondern für eine Nach-
zeichnung zu dem bekannten Gemälde
Nekrologe 509
von 1648 halte. Die ganze Behandlung
des Striches und des Tones ist zu grob
für Claude, auch beweist schon die weit-
gehende Übereinstimmung der Figuren
auf der Zeichnung mit denen des Bildes,
die gar nicht von Claude stammen, daß
es sich um eine Studie Claudes handeln
kann. — Die Einleitung, die von Kurt
Gerstenberg mit großer Liebe für das
Wesen Claude Lorrains geschrieben ist,
schließt mit einem Wort Buddhas ab.
Walter Friedlaender
NEKROLOGE
Christian Krohg f
73 Jahre ist er alt geworden, aber
trotz dieses hohen Alters hat er sich bis
zuletzt als lebendige Persönlichkeit im
norwegischen Kunstleben behauptet. Er
war bis vor kurzem Leiter der Kunst-
akademie und die Jugend hatte zu ihm
Vertrauen, weil er jedem Talent, mochte
ihm auch seine Richtung noch so fremd
sein, Achtung und wohlwollendes Inter-
esse entgegenbrachte. Er war ein ge-
borener Kunstpädagoge; auch Munch hat
in seiner Frühzeit starke Einflüsse von
ihm empfangen. All sein Wirken und
Schaffen strömte aus der Quelle einer
herzhaft-kräftigen, breiten, blutvollen
Persönlichkeit, die nichts halb tat und
die sich in allem, was sie anfaßte, mit der
vollen Wucht ihrer strotzenden Vitali-
tät einsetzte. Krohg hatte einen solchen
Überschuß an Vitalität, daß er sie trotz
eines reichen Werkes in der Kunst nicht
aufzubrauchen wußte ; er ist auch als
Journalist und als Dichter — seine Er-
zählung »Albertine« — tätig gewesen,
und zwar mit solchem Erfolge, daß man-
che den Journalisten Krohg über den
Maler stellen wollen. Unter seinen Bil-
dern sind nicht wenige, die nach Wahl
und Behandlung des Motivs uns heut zu
absichtsvoll, zu derb aufgemacht erschei-
nen wollen, aber immer behält man das
Gefühl, daß der, der sie malte, »ein Kerl«
war, und immer handhabte er die Malerei
in einem großen, männlichen Stile. Er hat
sentimentale Motive gemalt, aber er hat
nie sentimental gemalt, und in Werken,
wie dem Bildnisse einer alten Frau und
der Mutter an der Wiege in der National-