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Wer ist der Meister des Heribertusschreins?
liehe Teil, Kampf der Tugenden mit den
Lastern, ist sicher dem Gorlefroid de
Claire zuzuschreiben, dafür spricht die
technische Behandlung ■—• Erhalten des
gravierten Kupfergrundes in den Körper-
teilen, schematische F altenbehandlung —
wie auch das Motiv; also fallen auch die
dazwischen liegenden Ornamente ihm
zu. Interessant ist hier der Versuch, in
Zusammenstellung der Farben und der
blumenartigen Form Kölner Art nach-
zuahmen. Aber die gezackten Ränder be-
lehren uns über die wirkliche Abstam-
mung; sie sind in dieser Zeit ein Charak-
teristikum der Maasschule. Im Gegensatz
zur linken Seite macht sich hier ein völ-
liger Mangel an tektonischem Gefühl
geltend, der für die Künstler von der
Maas bezeichnend ist. Die Anbringung
dieser quadratisch eingeteilten Streifen
ist ganz wesenlos und könnte ohne Scha-
den für den Aufbau unterbleiben, wenn
nicht eine Unt erbrechung durch Schmelz-
streifen schon in der Treibarbeit der
Dachfläche vorgesehen gewesen wäre.
Es leuchtet also ein: Der Meister, der
dietektonische Forderung der Dachfläche
erfaßt hat, ist auch ihr Verfertiger. Und
bekanntlich ist das Gefühl für den folge-
richtigen Aufbau gerade bei den Kölner
Meistern besonders stark entwickelt. Die
Flüssigkeit der Linien, der Sinn für den
organischen Ablauf einer Bewegung, die
Freude am Ornament, das ganze fröhliche
Leben der getriebenen Dachfläche könn-
te man sich ja auch kaum erklären, wenn
die Arbeit von den sehr korrekten und
technisch bewanderten, doch etwas
trockenen und erfindungsarmen Künst-
lern der Maas stammte. Hier herrscht
die voraussetzungslose, bewegliche Hei-
terkeit des Rheinländers.
Zusammenfassend stellen wir also fest:
Von Godefroid de Claire stammen am
Heribertusschrein die Statuetten der
Apostel wie die plastischen Gruppen an
den Schmalseiten, die runden Schmelz-
platten des Daches mit der Geschichte
des hl. LIeribertus, die ornamentalen
Schmelzplatten der linken Dachfläche,
die seitlich am Dach entlanglaufenden
Schmelzplatten, an der hinteren Schmal-
seite das Braun firnismuster am Thron
der Madonna und die umrahmenden Plat-
ten mit stelzenden Vögeln, an der vor-
deren 'wohl der gesamte Schmelzplatten-
schmuck. Der Kölner Fridericus dagegen
fertigte die Schmelzplatten der Prophe-
ten an den Langseiten, die gesamte ge-
triebene Dachfläche, die ornamentalen
Schmelzplatten der rechten Dachseite
und an der vorderen Schmalseite das die
Madonna umgebende Zwickelornament
wie die innere Umrahmung.
So bildet der Heribertusschrein einen
wichtigen Eckpunkt in der Geschichte der
Kölner Goldschmiedekunst des 12. Jahr-
hunderts. Er zeigt die Entwicklung der
Abb. 3. Heribertusschrein. Teil der rechten Dachfläche.
Die ornamentalen Schmuckplatten von Fridericus von Pantaleon
Wer ist der Meister des Heribertusschreins?
liehe Teil, Kampf der Tugenden mit den
Lastern, ist sicher dem Gorlefroid de
Claire zuzuschreiben, dafür spricht die
technische Behandlung ■—• Erhalten des
gravierten Kupfergrundes in den Körper-
teilen, schematische F altenbehandlung —
wie auch das Motiv; also fallen auch die
dazwischen liegenden Ornamente ihm
zu. Interessant ist hier der Versuch, in
Zusammenstellung der Farben und der
blumenartigen Form Kölner Art nach-
zuahmen. Aber die gezackten Ränder be-
lehren uns über die wirkliche Abstam-
mung; sie sind in dieser Zeit ein Charak-
teristikum der Maasschule. Im Gegensatz
zur linken Seite macht sich hier ein völ-
liger Mangel an tektonischem Gefühl
geltend, der für die Künstler von der
Maas bezeichnend ist. Die Anbringung
dieser quadratisch eingeteilten Streifen
ist ganz wesenlos und könnte ohne Scha-
den für den Aufbau unterbleiben, wenn
nicht eine Unt erbrechung durch Schmelz-
streifen schon in der Treibarbeit der
Dachfläche vorgesehen gewesen wäre.
Es leuchtet also ein: Der Meister, der
dietektonische Forderung der Dachfläche
erfaßt hat, ist auch ihr Verfertiger. Und
bekanntlich ist das Gefühl für den folge-
richtigen Aufbau gerade bei den Kölner
Meistern besonders stark entwickelt. Die
Flüssigkeit der Linien, der Sinn für den
organischen Ablauf einer Bewegung, die
Freude am Ornament, das ganze fröhliche
Leben der getriebenen Dachfläche könn-
te man sich ja auch kaum erklären, wenn
die Arbeit von den sehr korrekten und
technisch bewanderten, doch etwas
trockenen und erfindungsarmen Künst-
lern der Maas stammte. Hier herrscht
die voraussetzungslose, bewegliche Hei-
terkeit des Rheinländers.
Zusammenfassend stellen wir also fest:
Von Godefroid de Claire stammen am
Heribertusschrein die Statuetten der
Apostel wie die plastischen Gruppen an
den Schmalseiten, die runden Schmelz-
platten des Daches mit der Geschichte
des hl. LIeribertus, die ornamentalen
Schmelzplatten der linken Dachfläche,
die seitlich am Dach entlanglaufenden
Schmelzplatten, an der hinteren Schmal-
seite das Braun firnismuster am Thron
der Madonna und die umrahmenden Plat-
ten mit stelzenden Vögeln, an der vor-
deren 'wohl der gesamte Schmelzplatten-
schmuck. Der Kölner Fridericus dagegen
fertigte die Schmelzplatten der Prophe-
ten an den Langseiten, die gesamte ge-
triebene Dachfläche, die ornamentalen
Schmelzplatten der rechten Dachseite
und an der vorderen Schmalseite das die
Madonna umgebende Zwickelornament
wie die innere Umrahmung.
So bildet der Heribertusschrein einen
wichtigen Eckpunkt in der Geschichte der
Kölner Goldschmiedekunst des 12. Jahr-
hunderts. Er zeigt die Entwicklung der
Abb. 3. Heribertusschrein. Teil der rechten Dachfläche.
Die ornamentalen Schmuckplatten von Fridericus von Pantaleon