Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 59.1925/​1926 (Oktober-März)

DOI issue:
Nr. 46/47
DOI article:
Literatur / [Notizen] / Kunstmarkt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.41232#0279

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ausstellungen

709


ber von allzu lauter Be-
wunderung eines Mitle-
benden abhält,daß er ver-
sucht ist, doppelt kritisch
zu sein einem Manne ge-
genüber, in dessen Haus
er ein und ausgeht, so
macht doch der Tod erst
jenen tiefenSchnitt,rückt
die Dinge so weit vom
Betrachter weg, bringt
sie in jene Distanz, die im
Grunde fürdiehistorische
Beurteilung notwendig
ist. Wo nichts mehr hin-
zugefügt werden kann,
wo der letzte Strich getan
ist, da muß die Leistung
als abgeschlossen gewer-
tet werden, da auf einmal
rundet sich das Bild, das
Werk ist vollendet. Ja,
das Gefühl, daß die zit-
terndeHand nie mehr sich
ausstrecken wird, um mit
den seltsam fahrigen Stri-
chen die Leinwand zu be-
schreiben, ein neues far-
biges Wunderwerk zu
schaffen, dies bringt so
etwas wie Rührung her-
vor und auch nagenden
Zweifel, ob denn der Be-
urteiler wirklich ganz ge-
recht gewesen, ob er je-
nes Phänomen des Schöp-
ferischen so gewürdigt,
wie es gewürdigt werden
mußte. Denn darauf
kommt es letzten Endes doch an. Nicht
darauf, ob wir alles im einzelnen be-
jahen, ob wir mit anderen Kritikern
der Meinung sind, Corinth sei auch ein
großer religiöser Maler gewesen und auf
diesem Gebiete mitdenhervorragendsten
Gestalten der deutschen Vergangenheit
zu vergleichen, nicht darauf, ob wir die
frühere Periode höher schätzen, als die
späte, oderdie späte höher als die frühere.
Es kommt darauf an, daß wir das
Schöpferische schlechthin erken-
nen und über uns Macht gewinnen
lassen. Deutschland hat wenig Bild-

Lovis Corinth, Modellpause.
Aus dem Besitz der Kunsthandlung Nicolai, Berlin

Künstler von großer Produktivität in den
letzten Jahrzehnten besessen. Aus weni-
gen nur sprach der Geist der Nation,
unbedingt elementarnotwendig. Wo er
es jedoch tat, da blieben gewiß große
Schlacken des Künstlerischen übrig, aber
es entstanden auch immer wieder Werke
von unwahrscheinlicher Großartigkeit,
in deren Pulsschlag jeder einzelne den
eigenen Pulsschlag mitempfand. Denn
das eben ist ja das Wesen des Elementar-
schöpferischen, daß es nicht aufgeht, wie
eine Rechnung, daß es ungleichmäßig ist,
daß es ungebändigt hervorstürzt, wie ein
 
Annotationen