Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 21.1910

DOI Artikel:
Diez, Ernst: Islamische Kunst: Zur "Ausstellung von Meisterwerken muhammedanischer Kunst" in München
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4873#0232

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


DIE MOHAMMEDANISCHE AUSSTELLUNG IN MÜNCHEN



223





Persischer Jagdteppich (Ausschnitt). Seide mit Silber. Hofmanufaktur in Isfahan, 16. Jahrli. Im Besitz S. M. des Kaisers von Österreich

daran gehallen? Wir kennen eine genügende Anzahl
von Überlieferungen, die das Gegenteil beweisen.
Und mehr als eine bildliche Darstellung arabischer
Maler zeugt von der Vorliebe für Weingelage und
Würfelspiel, Hunderte von arabischen Gesäugen prei-
sen den funkelnden Rebensaft. Wie aber reimt sich
folgendes Axiom eines arabischen Philosophen des
zehnten Jahrhunderts, Aboula Tenouki, mit der oft
zitierten religiösen Begeisterung eines Volkes zu-
sammen? Tenouki teilt die Menschen in zwei Klassen
ein: die einen haben Geist und keine Religion, die
anderen Religion, aber wenig Geist. Nicht der reli-
giöse Fanatismus trug die Fahne des Propheten sieg-
reich bis zu den Toren des Herakles, sondern wirt-
schaftlicher Zwang, hervorgerufen durch die allmäh-
liche Ausdörrung des Mutterlandes. □
q Der Vermischung des arabischen Volkes mit den
unterjochten angrenzenden Kulturvölkern hatte es be-
durft, um sie künstlerisch produktiv zu machen. Die
byzantinische, die sasanidische, die koptische Kunst
waren die Quellen der ihrigen. Und solange diese
Quellen Nahrung gaben, blühte auch die künstlerische
Darstellung des Menschen. Zahlreiche Überlieferungen
erzählen uns davon, und es fehlt nicht an noch er-
haltenen Denkmälern, die es bezeugen. Der Kalif
Abd-el-Malik baute in Jerusalem eine Moschee, deren
Tore mit den Bildern der (von den Juden über-

nommenen) Propheten geschmückt waren, deren Wände
Bilder von der Hölle mit ihren Ungeheuern, aber
auch vom Paradies zeigten, wo die Gläubigen mit
kostbaren Gewändern bekleidet aus goldenen Bechern
rauschlosen Wein tranken und sich in immergrünen
Gärten in Gesellschaft nie alternder schöner Mädchen
den Freuden des Paradieses hingaben. Makrizi, ein
durchaus glaubwürdiger arabischer Geschichtschreiber
des fünfzehnten Jahrhunderts, erzählt uns, daß der
Tulunide Hamarua einen der schönsten Säle seines
Palastes in Kairo mit seiner und seiner Frauen Sta-
tuen ausschmücken ließ. Diese Statuen waren aus
Holz geschnitzt und bemalt. Ihre Köpfe waren mit
goldenen Kronen und edelsteinbesetzten Turbanen be-
deckt. Hatte Abd-el-Malik dieMosaikkunst der Byzantiner
fortgesetzt, so knüpfte Hamarua an die Schnitzkunst
der Kopten an. Mögen auch bekehrte Christen die
Handwerker gestellt haben, die Kunst stand im Dienste
des Halbmondes. Hamarua war ein begeisterter Lieb-
haber der Kunst und pflegte ein koptisches Kloster
unweit Kairo zu besuchen, um dort das Bild der
hl. Maria bewundern zu können. Im Palast EI-
Mouchtar in Samarra am Tigris war unter anderen
Wandmalereien auch eine christliche Kirche mit ihren
Priestern dargestellt. Der ägyptische Kalif El-Amir-bi-
Ahkäm-Alläh (f 1199) ordnete nach Makrizi an, daß in
einer zu dem Zweck errichteten Säulenhalle Bildnisse

34*
 
Annotationen