Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1899)
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0250

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
obgleich ihm selber der Ministerpräsident nicht wohl gethan hat — aber er
sagt weder ab noch zu. Da kommt Arne Kraft, ein Mitführer seiner Partei
ein ihm befreundeter Ehrenmann und er bringt Lange zu dem Versprechen,
sich des Eingreifens in die Debatte zu enthalten. Die Erhörung seiner Liebe
zu Tora Parsberg, der Geistvollen, Guten, Großen, hebt Lange über die enge
Auffassung des ehrlichen Kraft hinweg: nicht das Bekritteln des Alten, sondern,
„das Neue dur chzufüh ren, das ist dieHauptsache", er läßt sich nicht von
seinem Versprechen, sondern nur von der Sache selber leiten. Er spricht für
den Präsidenten und hält dadurch das Ministerium, das zu dieser Zeit seiner
Ueberzeugung nach das einzig mögliche ist. Daran aber geht er zu Grunde:
seine Feinde, der böse alte Storm voran, benutzen es und verquickcn es mit
Entstellungen und Verleumdungen sonst, und auch die herrliche Tora kann
den innerlich Gebrochenen nicht mehr retten.

Bsörnsons Schauspiel hat in der Handlung und in der Komposition
unleugbar einige Schwächen, als Ganzes aber ist cs ein Werk von ungewöhn-
licher Kraft, überzeugender Reinheit des Empfindens und von jener geistigen
Weite, die leider auch den besten unserer heutigen deutschen Dramatiker fehlt
— ganz zu schweigen davon, daß wir eine Behandlung der öffentlichen Zu-
stände in Deutschland auf der Bühne überhaupt nicht haben! Die Tiefe des
Björnsonschen Denkens und Fühlens kommt am meisten in den Szenen zwischen
Tora und Lange zum Ausdruck, Szenen, die zu sehr den Zusammenhang mit
dem Ganzen verlangen, als daß wir sie hier abdrucken könnten. Geben wir
dafür einiges aus der unheimlichen Schilderung der Gesellschaft, die am Abend
nach Langes Rede in den Salons des Fräuleins Parsberg stattfindet.

*

Tora Parsberg: Wollen Sie nicht hineinkommen, meine Herren?

Der alte Storm: Nein, danke, wir wollen gern noch eine Weile hier
bei einander bleiben.

Tora Parsberg: Und ein Wohlfahrtskomitee bilden?

Der alte Storm: Und ein Wohlfahrtskomitee bilden.

Tora Parsberg: Jch hoffe, es wird nicht so grausam wic jenes erste.

Der alte Storm: Leider nicht. Uns steht keine Guillotine zur Ver-
fügung. Sonst —I

Tora Parsberg (unterbricht ihn): Wo du bist, Großvaterl —? Du
unterschätzst dichl (Ab. Alle lachen laut.)

Der alte Storm (stolz): Die ist nicht von schlechten Eltern l

Balke: Es ist ja auch Jhre Enkelin!

Der alte Storm: Aber sie ist immer gegen mich gewesen. Von Kind-
heit an. Jmmer hat sie das Unmögliche versucht. — Und eben habt ihr's ja
selber gehört — ?

Ramm (nach kurzem Schweigen): Was meincn Sie damit?

Der alte Storm: Was ich damit meine—? Natürlich das, weswegen
ich hier bin.

Balke (vorsichtig): Und das ist — ?

Der alte Storm: Jhr habt es doch selber gehört? Paul Langc!

Ramm: Das war ja Scherz.

Der alte Storm: Scherz mit Ernst vermischt!

Ramm: So hoch kann er doch wohl nicht hinaus wollen? — —

Der alte Storm: Paul Lange?!

Runstwart

2M
 
Annotationen