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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 12,1.1898-1899

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Heft 11 (1. Märzheft 1899)
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Schumann, Paul: Architektonische Zeitfragen, [2]
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Avenarius, Ferdinand: Der Fall Diefenbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.7957#0380

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Daseinswerte nicht entbehren können. Denn alle hüchste Kunst ist idealistisch.
llnd für die Baukunst auch gilt das Dichterwort: „Es ist der Geist, der sich
den Körper baut" (nicht „schafft", wic Streiter salsch zitiert).

Jch habe mich bemiiht, den Gsdankengang Streiters in Kürze rein sach-
lich wiederzugeben. Jch konnte dies um so eher thun, als ich mich seinen An-
chchten fast durchgehends anschlietzen möchte. Er hat das Verdienst, die so
schwerwiegcnde und immer wieder besprochene Frage eines modernen Stils
rinter allseitiger Heranziehung der einschlägigen Literatur und mit gründlicher
Sachkenntnis so weit geklärt zu haben, als es die gegenwärtigen Zustände
überhaupt zulassen. Jnnerhalb des Labyrinths der verschiedenartigsten An-
sichtcn über die Möglichkeiten und die Aussichten eines modernen Stils bietet
seinc Schrift cinen Leitsaden, dessen besonnene Ausführungen vielen höchst will-
kommen sein werden. Paul Schumanu.

Der Zfall Diekenback.

Ueber Karl Wilhelm Diefenbach muh auch der Kunstwart wieder einmal
sprechen. Halten wir uns ganz unbefangen. Hören wir also zunächst, was
uns unser Wiener Vertreter darüber zu sagen hat — für Diefenbach vorein-
genommen ist er gewih nicht. Schölermann also schreibt uns:

„Seit Jahren nimmt das bedauernswerte Schicksal Diefenbachs die Tcil-
nahme weiterer Kreise in Anspruch. Auch im Kunstwart war mehrfach von
seinen Werken die Rede. Jn jüngster Zeit hat die Wiener Presse sich noch
häufiger als sonst mit ihm bcschäftigt. Auf die Einzelheiten einzugehen, ist
hier nicht notwendig. Nur soviel, dah unlängst, wie es vorauszusehen war,
der Konkurs über Diefenbach und die Kolonie, welche seinen Haushalt mit ihm
teilte, erklärt worden ist.

Bei dem Dunkel, das die Lebensweise und die Person Diefenbachs um-
gibt, bei der Heftigkeit, mit der für und gegen ihn Partei ergriffon wird, scheint
es dringend geboten, einmal klärendes Licht in die vielen Widersprüche
zu bringen, welche wieder und wieder die Gemüter aufregen. Objektiv zu ur-
teilen ist meiner Ansicht nach nur dcr im Stande, der in persönliche Berührung
mit Diefenbach und seinen Anhängern zu kommen Gelegenhcit gchabt hat, ohne
dadurch in die Schar sciner Jünger, oder seiner Gegner hineingetrieben zu sein.

Meine zufällige Bekanntschaft mit zwei Diefenbachianern war die Ver-
anlassung zu einem Besuch im »Himmelhof«, ciner alten Villa in Ober-St. Veit
bei Wien, wo vergangenen Sommer der Meister und seine Jünger in lieblicher
Gegend cine kommunistische kleine Gemeinde bildeten. Wenn der Leser aus den
nun folgenden Mitteilungen hie und da mir den Vorwurf unnötiger Schärfe
und Härte machen sollte, so muß ich ihn hinnehmen im Bewuhtsein der Pflicht,
die Wahrheit und Klarheit auch da unter allen Umständen aufrecht zu erhalten,
wo es sich um einen in ungünstiger Lebenslage befindlichen Mann handelt,
der in mehr als einer Hinsicht trotz alledem unser Mitleid verdient.

Die unliebsame Erfahrung, durch persönliche Bekanntschaft mit einem
.„berühmten" Manne sozusagen aus allen Himmeln gestürzt zu werden, hat
Ilunstwart

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