Die Nunsl im Iketcbslage.
Und sie saßcn wieder einmal beisammen in dem Hohen Hause, das
da umschließt die Erwählten der deutschen Nation, und äußerten sich über
Kunst. Zur Debatte standen zunächst „Kosten der Herausgabe eincs
Werkes über die Sixtinische Kapelle in Rom", Kosten für eine wenn
man so sagen darf: philologische Kunstpflege, die ganz gewiß nichts
Lebendigem, das sich nach Sprache sehnt, den Mund öffnen wird,
auf daß es spreche. Eine derartige Kunstpflege hat weiter keinen Zweck,
und eine Kunstpflege, die weiter keinen Zweck hat, nennt man eine
ideale Kunstpflege. Darum erklärte ein Herr, daß es sich bei der vor-
liegenden Position um eine Förderung der deutschen Kunst handle, und
ein anderer, daß sich auf diese Weise der deutschen Kunst der Zoll der
Dankbarkeit entrichten lasse. Wjrklich, sie erklürten das. Und der
Reichstag war hochgebildet und bewilligte den Titel.
Darauf kam zur Beratung „die Ausschmückung des Reichstags-
gebäudes mit Bildwerken und Malereien". Einer sagte dazu dieses und
das, was darauf hinauslief: Kunst koste doch eigentlich viel Geld. Und
cs erhob sich ein Parteihirt, um zu sagen, was das nun gar für
Kunst sei, die da viel Geld koste. Nämlich: es sei nicht die wahrc.
Denn auf die »Gemülde", so in der Wandelhalle zu sehn (gemeint
war der Stucksche Fries), könne man den Ausdruck Malerei über-
haupt nur anwenden, wenn man „jcde Schmiererei" so nenne. Diese
Leistung sei überhaupt „die denkbar schlechteste", die man erwarten konnte,
wie ein „Tintenklex" nähme sie sich aus (Heiterkeit), „ein wahrer Spott
und Hohn" sei sie „auf jedes ästhetische Gefühl und jeden geläutcrten
Geschmack". Man könnte noch eher „die Titelblätter der »Jugend«: da
oben ankleben^, als dieses Zeug, mit dem der Reichstag „verhonibelt"
werde. Mit einem schönen Bilde meinte der Redner, „die deutsche Malcrei
sei Manns genug", Bessercs zu leisten, dann ging er zu den Hildebrand-
schen „Schicksalsurnen des Neichstags" über, um auch sie einzuhüllen in so
begeisternde Scherze, daß im Hohen Hause „Heiterkeit" auf „Heiterkeit^
Kunstwart 2. Nkärzheft :8gq
Zsr
Und sie saßcn wieder einmal beisammen in dem Hohen Hause, das
da umschließt die Erwählten der deutschen Nation, und äußerten sich über
Kunst. Zur Debatte standen zunächst „Kosten der Herausgabe eincs
Werkes über die Sixtinische Kapelle in Rom", Kosten für eine wenn
man so sagen darf: philologische Kunstpflege, die ganz gewiß nichts
Lebendigem, das sich nach Sprache sehnt, den Mund öffnen wird,
auf daß es spreche. Eine derartige Kunstpflege hat weiter keinen Zweck,
und eine Kunstpflege, die weiter keinen Zweck hat, nennt man eine
ideale Kunstpflege. Darum erklärte ein Herr, daß es sich bei der vor-
liegenden Position um eine Förderung der deutschen Kunst handle, und
ein anderer, daß sich auf diese Weise der deutschen Kunst der Zoll der
Dankbarkeit entrichten lasse. Wjrklich, sie erklürten das. Und der
Reichstag war hochgebildet und bewilligte den Titel.
Darauf kam zur Beratung „die Ausschmückung des Reichstags-
gebäudes mit Bildwerken und Malereien". Einer sagte dazu dieses und
das, was darauf hinauslief: Kunst koste doch eigentlich viel Geld. Und
cs erhob sich ein Parteihirt, um zu sagen, was das nun gar für
Kunst sei, die da viel Geld koste. Nämlich: es sei nicht die wahrc.
Denn auf die »Gemülde", so in der Wandelhalle zu sehn (gemeint
war der Stucksche Fries), könne man den Ausdruck Malerei über-
haupt nur anwenden, wenn man „jcde Schmiererei" so nenne. Diese
Leistung sei überhaupt „die denkbar schlechteste", die man erwarten konnte,
wie ein „Tintenklex" nähme sie sich aus (Heiterkeit), „ein wahrer Spott
und Hohn" sei sie „auf jedes ästhetische Gefühl und jeden geläutcrten
Geschmack". Man könnte noch eher „die Titelblätter der »Jugend«: da
oben ankleben^, als dieses Zeug, mit dem der Reichstag „verhonibelt"
werde. Mit einem schönen Bilde meinte der Redner, „die deutsche Malcrei
sei Manns genug", Bessercs zu leisten, dann ging er zu den Hildebrand-
schen „Schicksalsurnen des Neichstags" über, um auch sie einzuhüllen in so
begeisternde Scherze, daß im Hohen Hause „Heiterkeit" auf „Heiterkeit^
Kunstwart 2. Nkärzheft :8gq
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