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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 22,2.1909

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Heft 8 (2. Januarheft 1909)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8815#0100
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in einem Schockrcep* sitzet. Und als ich hierauf nit müde wurd, sondern
den Satan beschwore, aus ihr zu fahren, finge sie allererst an zu heulen,
nnd darauf wie ein Hund zu bellcn, item zu lachen und sprach endlich
mit grober Baßstimmeu, als sie ein alter Kerl führet: „ik wieke uich."**
Aber er hätte schon weichen sollen, wenn nicht Vater und Mutter mich
bei Gottes Sacrament beschworen, ihr arm Kind in Frieden zu lassen,
dieweil es ja nichts hülfe, sondcrn immer ärger mit ihr würd. Stunde
also nothgedrungcn vou meinem Fürhaben ab, und vcrmahnete uur die
Aeltcrn, daß sie, wic das cananäische Weib, sollten Hilfe suchen iu
wahrer Bußfertigkeit und unablässigem Gebet, anch mit ihr im beständigen
Glanben seufzen: ach Hcrr, du Sohn Davids, erbarme dich meiu, meine
Tochter wird vom Teufel übel gcplaget, Matth. am söten. Dem Heiland
würde danu alsbald das Herze brechen, daß er sich ihres Töchterleins
erbarmete und dcm Satan zu weichen beföhlc. Item versprach ich am
Sonntag mit dcr ganzen Gemein für ihr armes Töchterlcin zu betcn,
und möchten sie sclbige, wo irgend möglich selbsten zur Kirchen tragen,
anerwogen ein brüustig Kirchengebct durch die Wolken drünge. Solliches
versprachen sie auch zu thun, und ging ich nunmehro bctrübt zu Hause,
wo ich aber bald erfuhr, daß es etwas besser mit ihr worden wär, und
war also wieder wahr, daß der Satan, außer dem Hcrrn Iesu, uichts
mchr hasset, dcnn die Diener dcs Evangeliums. Aber harre, er bringct
dich doch untcr die Füße (Genes. am dritten) es wird dir nichtes helfen!

Bevorab aber noch der liebe Sonntag kam, merkete ich, daß mir männig--
lich aus dein Wcgc ging, sowohl im Dorfe als im Kapsel, wo ich etzliche
Krauken hcimbsuchete. Insonderheit als ich in Ueckcritze zu dem jungen
Tittelwitz wollte, arrivircte es mir, wie folget: Clas Pieper, der Bauer,
stund in seiucm Hofe und klöbete holz, wurf abcr allsobald, als er mein
ansichtig wurdc, die Axt aus dcr Faust, daß sie in die Erde fuhr, und
wollte in scinen Schweinestall laufen, indem er ein Kreuze schlug. Winkete
ihm also, daß cr bleiben sölle und warumb er für mir, als seinem Beicht-
vatcr liefe? Ob er vicllcicht auch gläube, daß mein Töchterlein ihre
kleine Päte behext? Ille:*** ja so gläube er, dieweil es der ganze Kapsel
gläubc. Ego: warumb sie ihr denn vorhero so viel Guts gethan und
in der schröcklichstcn Hungersnoth sie wie ein Schwesterlein gehalten?
Ille: sie hätte wohl schon mehr verwirket denn dieses. Ego: was sie denn
verwirkct hätte? Ille: das blicbe sich gleich. Ego: er sölle es mir sagen,
odcr ich müßte es dcm Richtcr klagcn. Ille: das sölle ich nur thun, worauf
cr trotziglich scincr Straßen ging. — Und kann man nunmehro leichtlich
gießen, daß ich nichtes vcrsäumcte, übcrall Kundschaft einzuziehen, was
man meincte daß mein Töchterlcin verwirkct; abcr es wollte mir niemand
nichtcs sagcn, und hättc ich mich zu Tode grämen mügen übcr solchen
bösen Leumund. Auch kam in dieser ganzen Wochen kcin Kind zu meinem
Töchterlein in dic Schule, und als ich Ursachs halber die Magd ausschickete,
brachtc sic Botschaft, daß die Kinderken krank wären, oder auch die
Aeltcren sie zu ihrem Handwerk gebrauchten. Iudicircte also und judi-
cirete, doch half es mir allcns nicht, bis dcr liebe Sonutag in das Land
kam, wo ich gläubetc, ein groß Nachtmahl zu haben, angeschen sich schon
viele zu Gottes Tisch im vorab gemcldet. Doch kam es mir gleich scltsam

* Plattdeutsch, für Schaukcl ** Ich weiche nicht *** Iener

2. Iauuarheft (90Z
 
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