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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1909)
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Batka, Richard: Zur Naturgeschichte des Volksliedes: auch eine Übung im Betrachten von Kunstwerken
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Henseling, Adolf: Kennen wir die Kinder?
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0025
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f: Da ging ich auf den Kirchhof hin
Und bat den lieben Tod: :j
„Ach, lieber Tod von Basel,
Bi°Ba°Basel,

f: Hol mir mein Alte fort." :j

f: Und als ich wieder nach Hause kam,

Mein Alte war schon tot. :j

Ich spannt vier Roß vorn Wagen,

Wi°Wa°Wagen,

f: And fuhr mein Alte fort. :j

f: Und als ich auf den Kirchhof kam,
Das Grab war schon gemacht. :j
Ihr Träger, tragt fein sachte,
Si-sa-sachte,

f: Daß d'Alte nit erwacht. Usw.

Wiederum also ein Dichten aus dem Geiste der Melodie. Und
zwar ein Dichten, das mehr ist als ein Beachten der musikalisch-
Poetischen Akzente, sondern eines, das der Ausdruckspotenz ganzer
Melodie-Abschnitte entspricht. Aus dieser Erkenntnis lassen sich auch
unschwer einige wichtige Gesetze für den Vortrag von Volksliedern
ableiten, da es eben mit eine Aufgabe des Interpreten ist, diese
Feinheiten der künstlerischen Technik zur Geltung zu bringen.

Technik? Haben die alten Volkssänger diese Technik etwa mit Be-
wußtsein ausgeübt und ist der Verlust dieser niemals aufgezeichneten
Technik etwa eine der Ursachen des Verfalles der Volkskunst? Ich
wage diese weitschauenden Fragen hier nicht mit einem raschen ja
oder nein zu beantworten. In vielen Fällen ist der eben gekennzeichnete
Volksliedstil wohl rein instinktiv dadurch getroffen worden, daß der
Urheber den Ausdruck der musikalischen Phrase mit äußerster Lebendig-
keit empfand und ganz unwillkürlich als Dichter darauf eingiug.

Richard Batka

Kennen wir die Kinder?*

^^aß alle Arbeit der Schule — wie alle Arbeit und aller Umgang
^-^^mit Kindern — „dem Kinde gemäß" sein soll, ist nun schon
eine alte Forderung. Ziemlich neu ist der Sinn, mit dem sie
heute gestellt wird. Rücksicht nehmen auf die Enge und Schwäche
des kindlichen Geistes, anpassen an sein Verständnis, darauf lief
es immer hinaus. Heute fordert die in vollem Zuge vorwärts strebende
Pädagogik weit mehr: Unsre Arbeit soll sich gründen auf den
jeweiligen geistigcn Entwicklungsstand der Kinder und auf die Be°

* Diesen Aufsatz bringen wir nicht nur deshalb in diesem Heft, weil
er die Kindergeschichten der heutigen »Losen Blätter" gut ergänzt. Er
ist zwar zunächst für Lehrer gcschrieben, ich meine aber, cr ist auch für
Eltern ganz besonders nützlich und gut zu lesen. Nur stcht es ja
hier nicht so, daß sie alle ihre Kinder vortrefflich zu kenncn meinen,
es gibt genug, die in irgendeinem Herzkämmerlein die Bcsorgnis haben,
daß sie eigentlich ihre Kinder nicht kennen. A

l- Oktoberheft GOA
 
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