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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1909)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0180
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Unsre Bilder und Noten

schöne Bild von Theodor Hagen, das unser farbiger Stein-
^--I^druck wiedergibt, zeigt uns Stoppelfelder im Herbst. Wenn im
Walde das große Röten beginnt, so macht ein jeder die Angen
anf: das kennt er, daß es schön ist, weiß er, da sieht er also hin.
Sinkt aber auf den Feldern unter der Sense das Gold, dann, meint der
Durchschnittsmensch, ist es mit der Feldcrschönheit eben vorbei. Zunächst,
das ist wahr, sehen sie anch ein bißchen stumpf und sozusagen verdutzt zum
Himmel. Aber schon regt sich's wieder, wcnn die großen Herren gefallen
sind, von den Kleinen. Die, welchen besagte große Herren zu viel von
Licht und Bodennaß wegaßen, haben nun besser Spicl: das Kleinzeug
wird munter; das allerbescheidenste Geblüm, das, wenn man's aus der
Nähe beschaut, oft ganz bcsonders anmutig ist. Es wirkt uicht nur aus
der Nähe. Für die Ferne tut sich's mit Stoppelgehalm und Schollen-
gekräusel und mit nassem oder trockenem Bodcn zu Farbflecken zusam-
men, die dann vom Licht so odcr so herausgehoben und umgcfärbt wcrdcn
zu einem Gesamtbild, das kaum jemals häßlichcr, das aber oft feiner
ist als das rotbraungoldene gleichcr Hcrbstzeit im Wald. Es sind diese
intimen Schönheiten, zu deren Betrachtung Hagens Bild ganz besonders
anregt. Freilich hat dieses Wcrk durchaus nicht solchen auf die Natur
verwcisendcn sozusagen „pädagogischen" bcwußten Zweck. Man sehe sich
in die Bodenbcwegung hinein, die wie ein großes Atmen durch die
Landschaft geht. Ist es nicht, als empfänden wir das wohlige Dehnen
der ruhenden Mutter Erde um das sanfte Tälchen da mit? Und die
holde Farbcnharmonie auch des Ganzen, die aus Voden und Wolken-
himmel Eines macht? A

In dem Rundschaubeitrag über Schinnerer habe ich zu zeigen ver-
sucht, was er in unsrcr Zeit bedeutct, aus wclcher Umwelt heraus wir ihn
zu verstehen suchcn, wie wir uns menschlich zu ihm stellen müssen, um
der seelischen Werte teilhaftig zu werden, die sein Wesen birgt. Die vier
Bilder nach Radierungen von ihm mögen das erläutern, zugleich abcr
auch zeigen, daß er sein Handwerk versteht. Sein Mitteilungsbedürfnis
ist gewiß der erste Anlaß zur künstlerischen Betätigung; daneben aber
spüren wir nicht weniger die Freude an dem „schönen Handwerk". Und
mag der Künstler aus dcm unmittelbaren Erlebnis, der Lektüre, dem Stu-
dium vor der Natur oder aus allen dreien die Anrcgung sich geholt haben,
sein natürlicher Kunstverstand weiß immer den Bildstoff in eine solche
Bildform umzusetzen, daß dem Beschauer nichts zum Verständnis nötig
ist, als ein für künstlerische Formenreize empfängliches Auge.

Wir zeigen zunächst drei Blätter aus der Folge: „Neise dcs jungcn
Tobias". Wer noch einmal die Legende im Alten Testament überliest, wird
mit nicht geringer Bewunderung erfahren, wieviel künstlerische Arbeit
schon vor der manuellen Niederschrift vom Künstler getan ist. Er hat
den Stofs ganz und gar umkomponiert. Aus dem Tobias der Legende,
der auszieht, um die vom Vater vor Iahren verborgte Summe Gcldes
wieder einzuholen, wird dcr wanderlustige, in der Welt sein Glück suchende
und in der Gattin findende Iüngling, wie wir ihn gestern noch sahen.
„Und Tobias zog hin, und sein Hündlein lief mit ihm." Ich müßte den

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