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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1909)
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Rundschau
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0533
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Lebende Worte

Hier sind dieWunder ausgestrichen,
und stets ist ein real Mögliches
an ihre Stelle gesetzt — insofern
nicht bloß rationalistisch, als dabei
das äußere Wunder der Legende
zum inneren rein seelischen Erleb--
nis gemacht wird. Aber die dich--
terische Kraft der Evangelien ist
gebrochen, ans etwas Poetischem,
Anschanlichem ist etwas Didaktisches
gewordcn. Die Ncligion (Erkennt--
nis Feuerbachs) nimmt aber das
Bild für die Sache; und es hat
mit Neligion nichts mehr zu tnn,
wcnn man das Bild ausstreicht.
Wozu dann Christns und die
Evangelien! Wie einprägsam ist
die Versuchung durch dcn Satan,
wie blaß ein Spielen mit den
bloßen Gedanken — so bei Schmitt.
Ia, wie ist selbst der geistige Ge-
halt im Bilde deutlicher als im
abstrakten Gedanken! — In diesem
Zusammenhange sei eines im
Prinzip sehr dankenswerten Unter-
nehmens gedacht, das der Insel-
Verlag veranstaltete: die Bibel,
ausgewählt. Die Ausführung durch
Alfred und Paul Grotjahn scheint
mir indessen nicht sehr glücklich.

So fehlt zum Beispiel die Ver--
stoßung der Hagar und des Ismacl
durch Abraham, wodurch das ab-
gedruckte Opfer Abrahams seinen
dichterischen Grund verliert. Im
„Neuen Testament" fehlt die Ver-
suchung, in der sich Christi ganzer
Weg entscheidet. Und anderes.

Wilhelm von Scholz

Weihnachtliches

^-eltsame Menschen! Glaubt ihr
>»^darum an einen Gott des Er-
barmens, damit ihr alle Milde
und alles Mitleid ihm allein an-
heimgeben könnt? Hofft ihr nur
darum auf ein Reich des Trostes
und der Gnade, damit ihr jedes
verlangende Sehnen und jede wei-
nende Bitte dahin verweisen könnt?
Warum vermögt ihr nicht milde
zu sein einer gegen den andern
und Herz zu fassen eines zu dem
andern, warum nicht? Haß, so
groß und gcwaltig er sein mag,
zeigt ihr offen, — Liebe, so klein
und gering sie sein mag, verbergt
ihr scheu! Oh, wie ihr euch doch
wehe tun mögt, seltsame Menschen!

Ludwig Auzengruber

Ansre Bilder und Boten

/»vv^er nach dem abgelegenen Kolmar kommt, etwa um sich Grüne-
D M walds zu erfrcuen, in dessen Zauberreich mau eigentlich nur
hier recht eintreten kann, der kann dort auch noch an einen
andern Großen der alten deutschen Malerei so nahe heran wie kaum
anderswo. Denn im Münster Sankt Martin wird Martin Schon--
gauers berühmtestes und bestbeglaubigtes Malwcrk, scin Iugendwerk
„Die Madonna im Rosenhag" aufbewahrt. Es ist sehr schade, daß wir's
unsern Lesern nicht farbig zeigen könncn, aber ein schlechter Farbendruck
hätte hicr mehr gefälscht, als wiedcrgegeben, und sogar ein guter wäre bei
der notwendigen starken Verkleinerung eine gewagte Sache gewesen, sogar
wenn uns die Kirche das Original, woran ja gar nicht zu denken, auf
einen Monat hätte leihen können. So müssen die Leser vor unserm Zwei-
plattendruck die Phantasie erproben. Rot also ist das Untergewand, tief
rot der Mantel der Maria, die hier im grünen Nosenhag das

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