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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1909)
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Herter, Hans: Universität, Bildung und Studium
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0274
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Iahrg.23 Zweites Novemberheft 19O9 Heft4

Llniversität, Bildung und Studium

«^ahlreiche Reformbestrebungen pochen in unseren Tagen an die
^<Tore der allgeheiligten iLIma maier, Studenten und Professoren
^Fbeteiligen sich daran. Aber leider ist die Teilnahme an den
akademischen Fragen noch immer auf die unmittelbar berührten Kreise
beschränkt. Leider, denn diese sind nicht immer die durchaus Berufe-
nen, da sich leicht persönliche Bedürfnisse und individuelle Erfah-
rungen allzusehr vordrängen. Es scheint fast, als ob die unsere
Universitäten betreffenden Bestrebungen von der „öffentlichen Mei-
nung" gemißbilligt würden, für die ja dic Universitäten noch immer
als die sicheren Hochburgen der Wissenschaft und Bildung gelten,
welche uns Deutschen den höchsten Ruhm der Kultur erobert haben
und bewahren.

Ehe man sich darüber klar werden kann, wie die Universität sein
sollte, muß man sich darüber klar sein, was die Universität ist. Da
drängt sich zunächst die offenkundige Tatsache auf, daß sie ein
Institut des Staates ist. So sehr man die Freiheit und die wissen-
schaftlich freie Arbeit der Universitäten betonen mag, kein Zweifel,
daß einc Universität ohne die Autorität des Staates, welche sie stützt
und trägt, heutzutage undenkbar ist und tatsächlich nicht vorkommt.
Der Staat stellt die Lehrer an, von ihm erhalten sie Gehalt und Aus--
zeichnungen, mit ihm machen sie Verträge über ihre Lehrtätigkeit,
von ihm können sie diszipliniert uiid relegiert werden. Zwar ist
ihnen im allgemeinen überlassen, vor ihren Hörern vorzutragen, was
sie wollen; das Prinzip der Freiheit der Lehre ist immerhin mehr
als ein bloßer Schein, wenn es auch die Eigenschaft aller Prinzipien
teilt, gelegentlich kleine Löcher aufzuweisen. Aber anderseits sind
die Professoren an die Studienordnungen und die Lehrpläne ebenso
gebunden, wie ihre Hörer, und der Fall Arons hat gezeigt, daß man
nicht einmal Privatdozent und zugleich Sozialdemokrat sein kann,
währcnd die Freiheit der Lehre, um sich zu wahren, sich oft in die
höchsten Regionen der Abstraktion flüchten muß, Tagesfragen aber
in der Ilniversität überhaupt und grundsätzlich mehr gemieden als
gesucht sind. Der Staat nun wahrt, indem er die Hochschulen Pflcgt
und unterstützt, im wesentlichen sein eigenes Interesse, denn was
ihm die Aniversität leistet, ist nicht weniger als die Ausbildung des
weitaus wichtigsten Teiles seiner Mitarbeiter. Iuristen, Lehrer, Theo-
logen und eine gewisse Anzahl mindergesuchter Berufe, kurz, fast
das gesamte Beamtenheer des Staates und der mit ihm verbundenen
Kirche werden in der Universität, d. h- von staatlich angestellten und
erwählten Männern ausgebildet, werden von eben hier ausgebildeten
Männern geprüft. Wäre es wahr, daß wirklich für freiheitlich Ge-
sinnte, welche dem Staate unbequem sein könnten, in diesem Gefüge
kein Raum ist, oder daß sie, einmal darin aufgenommen, nicht recht
»vorwärts kämen" — eineBehauptung, die immer lauter von den verschie-
denstcn Seiten wicderholt wird — so wäre das zum mindcstcn erklärlich.

2. Novemberheft 1909 225
 
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