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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 23,1.1909

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1909)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8818#0370
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und gestern uud ehegestern wiedcr, brachte ihn noch dazu in Schlcicrn
verhüllt und nrit Flammen erleuchtet, welche gar viclen Blicken fremd
waren und blieben. So ist es nicht erstaunlich, daß andere Richtungen,
neue Männer und neue Suchende uns nun den uralten Reichtum in
einer Form darbieten, die dem Verständnis des Publikums wieder mehr
angenähcrt ist. Kein Impressionismus, kein Naturalismus, kein neu-
romantischer Fühlensknltus wirkt in ihnen anders mit denn als künst-
lerische Teilabsicht. Daß sie dcnnoch nicht in matte Alltäglichkeit oder
lehrhafte Unkunst verlaufen, beweist ihre künstlerische Berechtigung.
Sprechen wir jenen anderen künstlerischen Absichten nicht ihr Lebens-
recht ab — und wer möchte das im Lrnst? —, so gönnen wir diesen
nicht minder den Platz an der Sonne des Erfolges. „Erfolg" wolle
man abcr nicht als schellenlauten Einzug ins „Lektüre"fach des Bücher-
schrankes, sondern als Eindringen ins lesefähige Haus zu daucrndem
Gewinn verstehen.

Die im folgenden erwähnten Bücher sind erschienen: Pauls' „Vom
Leid" bei Gustav Schlößmanns Verlagsbuchhandlung in Hamburg,
Nenners „Francesca" bei Adolf Bonz L Co. in Stuttgart, Pontens
„Siebenquellcn" bei der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart^

Aus Eilhard Erich Pauls' Novellen „Vom Leid"

^Dic vor kurzem erschienenen Novellen von Pauls, aus denen wir
hcute unsern Lesern eine Probe vorlegen, gehören zu jcner ernsten
Gattung, welche gleichermaßen durch die Kunst des erzählenden Dichters
wie durch die Gewalt des Gegenstandes fesseln. Das künstlerische Ver-
mögcn spricht sich in ihnen vornehmlich in der warmen menschlichen
Empfindung aus, womit Pauls seine knappen Bildcr zeichnct. Da ist
ein zartes Träumen der Landschaft, heißes Walten der Liebeslcidenschaft,
bittcres Leiden im Ilnglück. Mit gutem Geschick baut Pauls auch seine
Szene auf, wie unsre Probe dartut; daß seine Sprache noch nicht durch-
aus abgeklärt ist, vielmehr cin wenig hie und da mit der Affekticrthcit
liebäugelt, daß seine Erzählungen noch nicht ganz organisch anwachsen
und abschwellen, vielmehr in Äbergängen und Verknüpfungen manches
Gcwaltsame eintritt — wer wollte das streng beurteilen, zumal wir,
wie man hört, hier Iugendwerke vor uns haben, denen gereiftere Nach-
folge aufrichtig zu wünschen wäre. Schwere Zeiten beschwört Pauls
herauf: Eincs Amtmanns Frau wird von dem scheelsüchtigen Propst
des Ortes der Hererei angcklagt, und der Amtmann selbst muß sie ver-
zweifelten Herzens verurteilen („Karstcn Düker"). Oder: ein alter Pfarrcr
erwartct sehnsüchtig die Heimkehr seines Sohnes aus dem (Dreihigjährigen)
Kricg; die Idylle scines Daseins ist von schweren Unglückswolkcn be-
schattet; am Tage seines Todes wird der junge Offizier erstochen, ehe
er den Greis wicdersieht. So sind es nicht tragische, nicht heroische
Schicksale, die hier zu uns sprechen; nur die Nebenspuren des Schick-
sals, welche die Weltgeschichte nicht vcrzeichnet, das Gedächtnis des Volkes
abcr bewahrt, bis ein Dichter sie wieder lebendig vor uns erstehen läßt
und unscrn Vlick so auf die Tiefen des Menschenherzcns lenkt. Pauls
stellt dicse seine historischen Novellen ebenbürtig ncben die von Stein-
hauscn (Irmela), David (Frühschein), Schmitthenner, Sperl; zwei in
nnsern Lagcn spielende Bricfnovellchen sind ihm dagegen etwas ins

(. Dezemberheft (909 505
 
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