Dies wurde formuliert, bevor Werner Jaeger seinen ,,Dritten Humanismus" begründe-
te, der freilich allzu rasch von der nationalsozialistischen Ideologie aufgesogen wurde.
Hier nun hat der DAV, 1950 wiederbegründet und als e.V. legitimiert, die verantwor-
tungsvolle Aufgabe, den altsprachlichen Unterricht vor einer programmatischen Be-
vormundung zu bewahren, obwohl er, wie wir sagten, ohne Zuordnung zu einem pä-
dagogischen Programm nicht lebensfähig ist. Höchstens der Geschichtsunterricht ist
zu ähnlicher Gratwanderung gezwungen.
Nach dem Krieg leistete der DAV, wie die Protokolle der alle zwei Jahre stattfindenen
wissenschaftlichen Gesamtsitzungen ausweisen, mit Leichtigkeit die Anknüpfung an
die vorweimarschen „Humanismen", besonders an den „Zweiten Humanismus" J.J.
Niethammerscher Prägung. Die 60er Jahre waren wieder Reformjahre mit konzentri-
schen Angriffen auf den altsprachlichen Unterricht seitens anderer, auch neuer Fä-
cher, die ein Expansionsfeld brauchten und es am ehesten bei den alten Stammfä-
chern fanden, weniger aus ablehnender Haltung heraus als aus der Not, die Stunden-
tafeln nicht einfach ausdehnen zu können; im Gegenteil, die Pädagogen drängten viel-
fach auf deren Minderung. Das zwang zum Überdenken neuer didaktischer Konzepte,
und 1976 berichtete der damalige DAV-Vorsitzende Otto Leggewie in Köln, daß der
den alten Sprachen keineswegs wohlgesonnene, aber sehr einflußreiche Bildungspla-
ner Saul B. Robinsohn den Altphilologen eine didaktische Konzeption bescheinigt ha-
be, die den anderen Fächern weit voraus sei.
Auch im Sensationswirbel des von G. Picht ausgerufenen „Bildungsnotstandes" hatte
der DAV seine Ruhe bewahrt oder brauchte sich nicht betroffen zu fühlen. Zu Beginn
der 80er Jahre warnte der DAV-Vorsitzende, Prof. E. Lefövre, vor einem selbstquäleri-
schen Übermaß an Methodenreflexion, und der neue Vorsitzende, OStD Dr. H.W.
Schmidt (Dortmund) wird auf der nächsten Tagung 1986 in Tübingen Wissenschaft und
Methodik, Programm und Sacharbeit, also das akademische und das praktische Element
des Faches miteinander wetteifern lassen und hat sich daher zur Zusammenarbeit mit
dem internationalen Colloquium Didacticum Classicum (Sitz Gent) entschlossen.
Auf internationalen Kontakt hat der DAV, dessen Fächer ja niemals einer nationalen
Enge fähig waren, Wert gelegt: fast alle Nachbarländer sind bei den Gesamttagungen
vertreten, wie umgekehrt der DAV Mitglied der „Federation Internationale des Etudes
Classiques" (FIEC) und natürlich der deutschen Mommsengesellschaft (Fachverband
der Hochschullehrer) eng verbunden ist. Die Zeitschrift „Gymnasium", welche die
Tagungsvorträge regelmäßig abdruckt, spiegelt dieselbe Internationalität bei der Aus-
wahl ihrer Autoren. Die eigentliche Aktivität müssen freilich die 13 Landesverbände
leisten, denen die ca. 5 000 Mitglieder primär angehören. Hier fordert das förderalisti-
sche Bildungssystem zu einem raschen Reagieren von Landes- und Bundesvorstand;
im gegenwärtigen Zeitpunkt darf man sicher sein, daß die Initiativen im Lande Hessen,
den Typ des altsprachlichen Gymnasiums (Latein als 1. Fremdsprache) ganz zu beseiti-
gen, den DAV auf den Plan rufen. Hat der DAV nach diesen sechzig Jahren, die der
Ehrenvorsitzende Prof. Dr. E. Burck (Kiel) aus eigenem Erleben fast vollständig über-
schaut, das innere Gleichgewicht gefunden, das ihn befähigt, in den Wechselfahrwas-
sern bildungspolitischer Richtungen unbeirrt den an der Antike ausgerichteten Grund-
kurs zu steuern, ohne in die Flautenzone des gesellschaftlichen Abseits zu geraten? Es
wäre ihm im Interesse dieses Staates zu wünschen.
Prof. Dr. Klaus Sallmann, Hermann-Hesse-Str. 110, 6500 Mainz 31
34
te, der freilich allzu rasch von der nationalsozialistischen Ideologie aufgesogen wurde.
Hier nun hat der DAV, 1950 wiederbegründet und als e.V. legitimiert, die verantwor-
tungsvolle Aufgabe, den altsprachlichen Unterricht vor einer programmatischen Be-
vormundung zu bewahren, obwohl er, wie wir sagten, ohne Zuordnung zu einem pä-
dagogischen Programm nicht lebensfähig ist. Höchstens der Geschichtsunterricht ist
zu ähnlicher Gratwanderung gezwungen.
Nach dem Krieg leistete der DAV, wie die Protokolle der alle zwei Jahre stattfindenen
wissenschaftlichen Gesamtsitzungen ausweisen, mit Leichtigkeit die Anknüpfung an
die vorweimarschen „Humanismen", besonders an den „Zweiten Humanismus" J.J.
Niethammerscher Prägung. Die 60er Jahre waren wieder Reformjahre mit konzentri-
schen Angriffen auf den altsprachlichen Unterricht seitens anderer, auch neuer Fä-
cher, die ein Expansionsfeld brauchten und es am ehesten bei den alten Stammfä-
chern fanden, weniger aus ablehnender Haltung heraus als aus der Not, die Stunden-
tafeln nicht einfach ausdehnen zu können; im Gegenteil, die Pädagogen drängten viel-
fach auf deren Minderung. Das zwang zum Überdenken neuer didaktischer Konzepte,
und 1976 berichtete der damalige DAV-Vorsitzende Otto Leggewie in Köln, daß der
den alten Sprachen keineswegs wohlgesonnene, aber sehr einflußreiche Bildungspla-
ner Saul B. Robinsohn den Altphilologen eine didaktische Konzeption bescheinigt ha-
be, die den anderen Fächern weit voraus sei.
Auch im Sensationswirbel des von G. Picht ausgerufenen „Bildungsnotstandes" hatte
der DAV seine Ruhe bewahrt oder brauchte sich nicht betroffen zu fühlen. Zu Beginn
der 80er Jahre warnte der DAV-Vorsitzende, Prof. E. Lefövre, vor einem selbstquäleri-
schen Übermaß an Methodenreflexion, und der neue Vorsitzende, OStD Dr. H.W.
Schmidt (Dortmund) wird auf der nächsten Tagung 1986 in Tübingen Wissenschaft und
Methodik, Programm und Sacharbeit, also das akademische und das praktische Element
des Faches miteinander wetteifern lassen und hat sich daher zur Zusammenarbeit mit
dem internationalen Colloquium Didacticum Classicum (Sitz Gent) entschlossen.
Auf internationalen Kontakt hat der DAV, dessen Fächer ja niemals einer nationalen
Enge fähig waren, Wert gelegt: fast alle Nachbarländer sind bei den Gesamttagungen
vertreten, wie umgekehrt der DAV Mitglied der „Federation Internationale des Etudes
Classiques" (FIEC) und natürlich der deutschen Mommsengesellschaft (Fachverband
der Hochschullehrer) eng verbunden ist. Die Zeitschrift „Gymnasium", welche die
Tagungsvorträge regelmäßig abdruckt, spiegelt dieselbe Internationalität bei der Aus-
wahl ihrer Autoren. Die eigentliche Aktivität müssen freilich die 13 Landesverbände
leisten, denen die ca. 5 000 Mitglieder primär angehören. Hier fordert das förderalisti-
sche Bildungssystem zu einem raschen Reagieren von Landes- und Bundesvorstand;
im gegenwärtigen Zeitpunkt darf man sicher sein, daß die Initiativen im Lande Hessen,
den Typ des altsprachlichen Gymnasiums (Latein als 1. Fremdsprache) ganz zu beseiti-
gen, den DAV auf den Plan rufen. Hat der DAV nach diesen sechzig Jahren, die der
Ehrenvorsitzende Prof. Dr. E. Burck (Kiel) aus eigenem Erleben fast vollständig über-
schaut, das innere Gleichgewicht gefunden, das ihn befähigt, in den Wechselfahrwas-
sern bildungspolitischer Richtungen unbeirrt den an der Antike ausgerichteten Grund-
kurs zu steuern, ohne in die Flautenzone des gesellschaftlichen Abseits zu geraten? Es
wäre ihm im Interesse dieses Staates zu wünschen.
Prof. Dr. Klaus Sallmann, Hermann-Hesse-Str. 110, 6500 Mainz 31
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