Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 28.1985

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Aufsätze
DOI Artikel:
Sallmann, Klaus: Wachsames Mitdenken und ruhiges Nachdenken: 60 Jahre Deutscher Altphilologenverband
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33085#0041

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Aufsätze

Wachsames Mitdenken und ruhiges Nachdenken
60 Jahre Deutscher Altphiloiogenverband
Berufliche Fachverbände sind in unserer Interessenvertretungsgesellschaft etwas völlig
Normales, und auch an einem 60-Jahre-Jubiläum mag man nichts Außerordentliches
finden. Mit dem Deutschen Altphilologenverband (DAV) verhält es sich anders. Seit
seiner Gründung am 6. April 1925 in Berlin hat er bis heute eine durch Höhen und Tal-
sohlen, über scharfe Profile und bedenkliche Untiefen führende Kurve durchlaufen,
die eine urteilende Rückschau in einem Umfang erlaubt, der so ziemlich alle exempla-
rischen Situationen aufweist.
,,Erhaltung des Gymnasiums und Förderung der humanistischen Bildung" lautete das
Verbandsziel im Gründungspapier. Der DAV ist also nicht berufsrechtliche Standesor-
ganisation - diese Funktion erfüllt für die Gymnasiallehrer der Philologenverband -,
sondern die Interessengemeinschaft für eine Bildungsidee, hat also von vornherein,
wie man heute sagen würde, fachdidaktische Ziele. Und hier liegt in der Tat das Be-
sondere: kein anderes Schulfach ist im selben Maße auf eine vordenkende ,,Schutz-
macht" angewiesen wie der Latein- und Griechischunterricht. Damit ist nicht die
Rechtfertigung im Fächerkanon gemeint; diese ist, entgegen verbreitetem Vorurteil,
nicht problematisch, und hier brauchte der DAV kaum jemals in die Defensive zu ge-
hen. Vielmehr liegt die Gefahr in der Anbindung an bestimmte Ideologien; acht Jahre
nach seiner Gründung sah sich der DAV einer harten inneren und äußeren Zerreiß-
probe ausgesetzt. Die Möglichkeit, durch Dienstleistungen antiken Gedankenguts an
,,völkische" Prinzipien den altsprachlichen Unterricht zu vermehren, verleitete nicht
unberühmte klassische Philologen zu bedenklichen Politisierungen.
Solche Fährnisse hatte schon vorher der „Deutsche Gymnasialverein" (DGV) zu be-
stehen, 1890 ebenfalls in Berlin gegründet als eine Art bildungspolitischer Bürgerinitia-
tive. Mitunterzeichner waren immerhin Theodor Mommsen, Ulrich von Wilamowitz-
Moellendorf, Hermann Diels, Wilhelm Dilthey und Erwin Rohde. Aus dem DGV ist
der DAV als Fachlehrergruppe hervorgegangen. Mag der-Einsatz des DGV für die Er-
haltung der Latein-Unterstufe nach der 1900 erfolgten Verleihung der Hochschulbe-
rechtigung der Realgymnasial- und Oberrealschulabschlüsse noch im Rahmen des Er-
warteten bleiben, so beeindruckt die Sammlung von 200000 Unterschriften im Jahre
1919 mithilfe eines rasch einberufenen „Reichsausschusses zum Schutz des humani-
stischen Gymnasiums" auch heute noch. Damit wurde die Mitwirkung der Altsprach-
ler bei der „Reichskonferenz zur Neuordnung des Schulwesens" erreicht. Die Präam-
bel der Leitsätze, die die Zeitschrift „Das Humanistische Gymnasium" 1920 veröffent-
lichte, begann: „Der Humanismus ist eine der Grundlagen der Kultur unseres Vater-
landes und der Menschheit überhaupt." Und unter Punkt 5: „Nur eine neunjährige
Schule kann diejenigen Grundlagen einer wissenschaftlichen Bildung geben, deren
wir auch aus sozialen Gründen bedürfen, um Deutschlands geistige Weltstellung zu
halten."

33
 
Annotationen