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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 28.1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.33085#0064

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4. Eine Woche lang (8. — 14.4.1985) stand Augsburg, das vor 2000 Jahren von den Römern gegrün-
dete Augusta Vindelicum, im Zeichen eines wahren Feuerwerks von musikalischen, szenischen und
literarischen Darbietungen, Filmvorführungen und Diavorträgen, die in großartiger Weise die Le-
benskraft und Vielfalt unseres internationalen lateinischen Erbes von Plautus bis in die Gegenwart
vor Augen führten und zu Gehör brachten, und zwar für Jung und Alt, für Laien und Fachleute, für
Insider und Fernerstehende. Zwar waren die meisten der mehrere Hundert zählenden Teilnehmer
der Ludi Latini aus Deutschland angereist, doch fanden sich unter ihnen auch Gäste und Mitwirken-
de aus den USA, aus Malawi (Afrika), aus Japan, aus Belgien, Italien und anderen Ländern. Die Ver-
kehrssprache war Latein. Bewundernswert ist die Leistung des auctor ludorum, des Münchner Pro-
fessors für Klassische Philologie Dr. Wilfried Stroh, dem es zusammen mit seinen engagierten Mitar-
beitern gelungen ist, ein Lateinfestival auf die Beine zu stellen, das es in dieser Art nostra memoria
nicht gegeben haben dürfte. Er und der 1984 verstorbene tschechische Komponist Jan Noväk hatten
die Idee eines musisch bestimmten Lateinfestivals bereits 1983 in Ellwangen in kleinerem Maßstab
realisiert. Noväk, der die Augsburger Spiele nicht mehr erleben konnte, wurde hier in mehreren
Veranstaltungen durch die Aufführung einiger seiner Werke geehrt. Sein von W. Stroh eingeleitetes
Liederbuch „Cantica Latina" erschien pünktlich zu den Ludi Latini in schöner Aufmachung im
Artemis-Verlag und bildete die Grundlage für die allmorgendliche Liederrunde der Teilnehmer.
Mit einer Revue voller Überraschungen begannen die Ludi am Ostermontag abend. Der Ober-
bürgermeister, in eine Art Toga gehüllt, fügte sich gern in die lateinische Show ein und eröffnete
die Spiele. Auf Anrufung durch das versammelte Festpublikum erschien aus dem plötzlichen
Dunkel in strahlendem Licht der Gott Amor in Gestalt des geflügelten Knaben mit Pfeil und Bo-
gen und versprach auf lateinisch, den Spielen gewogen zu sein. So lautete auch das Motto der
Ludi: „Amor docet musicam", das zusammen mit einem Bild Amors auf Plaketten und Aufkle-
bern durch die Teilnehmer im Stadtbild verbreitet wurde und das auch die Zeitungsartikel
schmückte, in denen die „Augsburger Allgemeine" täglich ausführlich über die Hauptveranstal-
tungen berichtete. Auch die „Tagesthemen" des Ersten Deutschen Fernsehens berichteten übri-
gens in einem mehrminütigen Beitrag über die Ludi Latini. Weniger spektakulär, aber von allen
Teilnehmern geschätzt waren die jeden Vormittag stattfindenden scholae, zu denen man sich in
kleineren Gruppen zu zwanzig bis dreißig Teilnehmern traf und in denen man sich zwanglos üb-
te, lateinisch zu sprechen, römisch zu kochen oder ein lateinisches Bühnenstück aufzuführen.
Auch in dieser Beziehung war es Stroh gelungen, eine Reihe freiwilliger scholiarchae zu engagie-
ren. Lateinisch gesprochen wurde auch beim Essen, beim abendlichen Umtrunk und auf dem
Abschlußball. Sicher fällt das Lateinsprechen heute fast allen schwer, und die Generation derer,
die noch als Schüler irgendwo Latein zu sprechen gelernt haben, stirbt allmählich aus. Doch die
vom Gott Amor inspirierte Atmosphäre der Ludi Latini, in der sich Jung und Alt schlicht und ein-
fach mit dem latinisierten Vornamen und mit „tu" anreden, löst die Zungen. Latein wird wieder
hörbar, sprechbar, fühlbar, verstehbar, genießbar. Das vermeintliche Museumspräparat ent-
puppt sich plötzlich als lebendiges Wesen. Das versetzt manche in Schrecken, manche in Begei-
sterung. Hier herrschte Begeisterung.
Den musikalischen Höhepunkt bildete die festliche Aufführung des von Philidor (1726-1795) als
Oratorium gestalteten Carmen saeculare des Horaz in der Kongreßhalle; das Jahrhundertlied
wurde hier zu Ehren der 2000jährigen Stadt dargeboten. — Über einzelne Veranstaltungen der
Ludi Latini wird in der nächsten Ausgabe des Mitteilungsblattes ausführlicher berichtet.
Andreas Fritsch, Berlin
5. Wir danken dem Rheinischen Landesmuseum Trier für die Genehmigung zum Abdruck einer
Nachzeichnung des Neumagener Schulreliefs auf der Titelseite unseres Mitteilungsblattes.

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