riesigen Schachbrett degradiert werden, besser verdeutlichen als diese inhaltlich/grammatische und
durch die Stereotypie der Wortfolge und des Klanges betonte Homogenität. Gerade das abschlie-
ßende So/'os concess/7 unterstreicht, wie Menschen zur Manövriermasse geworden sind - ein Ein-
druck, der bei der alten Übersetzung mit „erlauben" verfälscht wird/
Grammatik und Inhaltsstruktur des Gesamttextes enthüllen die emotionslose Kälte der Organisati-
on. Hierzu ein Zitat aus dem immer noch beeindruckenden 10-Thesen-Katalog von Paul Barie: „auf
Caesar auf n/7i/7?" (MDAV 4/1982, S.8):
„Die Zurückdrängung des Emotionalen, ja des Humanen, im 3e//um Ga//fcum ist bei näherem Zuse-
hen erschreckend: aller menschlicher Jammer, alles Kriegselend ist eliminiert, es gibt im Grunde nur
Truppen und Gelände, und mit Hilfe von beidem - grammatisch repräsentiert durch den instrumen-
talen Ablativ [aber ebenso durch schlichte Subjekt-Objekt-Beziehungen, möchte man hinzufügen] -
finden Operationen statt, analog zur Situation des Schachspielers, der auf dem Brett die Figuren
rückt, eine erbarmungslose Reduktion, wie sie sich in keiner einzigen antiken Quelle sonst findet -
man vergleiche damtt die verhaltene und geradezu scheue Menschlichkeit des Thukydides."
Wenn Barie im Anschluß daran von der „vom Menschen absehenden Versachlichung" spricht, dann
bietet die Formulierung „So/'os /Baedufs, uf /n f/'n/'bus su/'s con/ocarenf, concess/'f" einen eindrucks-
vollen Beleg, denn Caesar verwendet das concedere bei ähnlicher Satzstruktur sonst regelmäßig mit
einem Sach-Objekt:
Opp/dum ad dfr/'p/endum m/7d/bus concess/'f. (b. civ. III 80,7)
(„Ad d/dpfendum" entspricht strukturell dem uf-Satz in b. G. I 28,5.)
A/feram parfem e/ds v/'cf Ga//fs concess/'f. (b G. III 1,6)
Quam (parfem vfcf) Ga//rs concesseraf (b. G. III 2,1)
Merguet zählt s. v concedere allein 20 Verbindungen dieser Art auf: z.B agros Massd'ens/dus, b/'s
/Jberfafem, praedam md/'f/bus, magna praem/'a dnguds, omn/bus v/'fam (V/fam a//'cu/ concedere er-
scheint nicht weniger als sechsmal im corpus Caesadanum).
Die Überprüfung des Sprachgebrauchs führt zu einem verblüffenden Befund: concedere mit einem
uf-Satz als Objekt (erlauben, daß...) findet sich nach Ausweis der Lexica im Corpus Caesar/a
num (Merguet I 194) nur in unserem Satz b. G. I 28,5, eine Stelle die mit der neuen Übersetzung als
Beleg nun auch entfällt Nur zwei weitere Nachweise gibt es für einen uf- bzw. ne-Satz als S u b-
j e kt bei einem unpersönlich verwendeten conced/'fur bzw concessum esf. An allen anderen Stel-
len wird die nach concedere erwartete Ergänzung mit einem nominalen Akkusativ-Objekt, einem
Dativ-Objekt bzw mit beidem gefüllt. Die Normalbedeutung des Verbs concedere bei Caesar ist
folglich: „zugestehen, überlassen", nicht „erlauben".
Methodische Konsequenzen
Mit Sicherheit ist der Satz b. G. I 28,5 nicht die einzige Stelle, bei der die traditionelle Mißachtung
der Wortfolge und ein fest fixiertes Leseverhalten zu fragwürdigen Deutungen und Übersetzungen
geführt haben. Aber im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Stellen, bei denen eine Neuüberset-
zung gleich unverzichtbare Inhalte, philosophische oder patriotische Wertvorstellungen, oder gar
wesentliche ideologische Überzeugungen vom „Römischen" (oder was man dafür hält) tangieren
kann/ ist unser Satz ganz unspektakulär, die Auswirkungen auf den Gesamttext sind vergleichswei-
se gering, und den Streitwert für beide Übersetzungsvarianten wird niemand allzu hoch einschät-
zen. Eben darum ist das Beispiel geeignet, noch einmal - s/ne /ra ef sfud/'o - reflektierend auf die
Überlegungen zurückzukommen, von denen wir ausgingen: Welche Rolle spielen die für die alten
Sprachen charakteristischen Erschließungsmethoden für das Verständnis lateinischer Texte?
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durch die Stereotypie der Wortfolge und des Klanges betonte Homogenität. Gerade das abschlie-
ßende So/'os concess/7 unterstreicht, wie Menschen zur Manövriermasse geworden sind - ein Ein-
druck, der bei der alten Übersetzung mit „erlauben" verfälscht wird/
Grammatik und Inhaltsstruktur des Gesamttextes enthüllen die emotionslose Kälte der Organisati-
on. Hierzu ein Zitat aus dem immer noch beeindruckenden 10-Thesen-Katalog von Paul Barie: „auf
Caesar auf n/7i/7?" (MDAV 4/1982, S.8):
„Die Zurückdrängung des Emotionalen, ja des Humanen, im 3e//um Ga//fcum ist bei näherem Zuse-
hen erschreckend: aller menschlicher Jammer, alles Kriegselend ist eliminiert, es gibt im Grunde nur
Truppen und Gelände, und mit Hilfe von beidem - grammatisch repräsentiert durch den instrumen-
talen Ablativ [aber ebenso durch schlichte Subjekt-Objekt-Beziehungen, möchte man hinzufügen] -
finden Operationen statt, analog zur Situation des Schachspielers, der auf dem Brett die Figuren
rückt, eine erbarmungslose Reduktion, wie sie sich in keiner einzigen antiken Quelle sonst findet -
man vergleiche damtt die verhaltene und geradezu scheue Menschlichkeit des Thukydides."
Wenn Barie im Anschluß daran von der „vom Menschen absehenden Versachlichung" spricht, dann
bietet die Formulierung „So/'os /Baedufs, uf /n f/'n/'bus su/'s con/ocarenf, concess/'f" einen eindrucks-
vollen Beleg, denn Caesar verwendet das concedere bei ähnlicher Satzstruktur sonst regelmäßig mit
einem Sach-Objekt:
Opp/dum ad dfr/'p/endum m/7d/bus concess/'f. (b. civ. III 80,7)
(„Ad d/dpfendum" entspricht strukturell dem uf-Satz in b. G. I 28,5.)
A/feram parfem e/ds v/'cf Ga//fs concess/'f. (b G. III 1,6)
Quam (parfem vfcf) Ga//rs concesseraf (b. G. III 2,1)
Merguet zählt s. v concedere allein 20 Verbindungen dieser Art auf: z.B agros Massd'ens/dus, b/'s
/Jberfafem, praedam md/'f/bus, magna praem/'a dnguds, omn/bus v/'fam (V/fam a//'cu/ concedere er-
scheint nicht weniger als sechsmal im corpus Caesadanum).
Die Überprüfung des Sprachgebrauchs führt zu einem verblüffenden Befund: concedere mit einem
uf-Satz als Objekt (erlauben, daß...) findet sich nach Ausweis der Lexica im Corpus Caesar/a
num (Merguet I 194) nur in unserem Satz b. G. I 28,5, eine Stelle die mit der neuen Übersetzung als
Beleg nun auch entfällt Nur zwei weitere Nachweise gibt es für einen uf- bzw. ne-Satz als S u b-
j e kt bei einem unpersönlich verwendeten conced/'fur bzw concessum esf. An allen anderen Stel-
len wird die nach concedere erwartete Ergänzung mit einem nominalen Akkusativ-Objekt, einem
Dativ-Objekt bzw mit beidem gefüllt. Die Normalbedeutung des Verbs concedere bei Caesar ist
folglich: „zugestehen, überlassen", nicht „erlauben".
Methodische Konsequenzen
Mit Sicherheit ist der Satz b. G. I 28,5 nicht die einzige Stelle, bei der die traditionelle Mißachtung
der Wortfolge und ein fest fixiertes Leseverhalten zu fragwürdigen Deutungen und Übersetzungen
geführt haben. Aber im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Stellen, bei denen eine Neuüberset-
zung gleich unverzichtbare Inhalte, philosophische oder patriotische Wertvorstellungen, oder gar
wesentliche ideologische Überzeugungen vom „Römischen" (oder was man dafür hält) tangieren
kann/ ist unser Satz ganz unspektakulär, die Auswirkungen auf den Gesamttext sind vergleichswei-
se gering, und den Streitwert für beide Übersetzungsvarianten wird niemand allzu hoch einschät-
zen. Eben darum ist das Beispiel geeignet, noch einmal - s/ne /ra ef sfud/'o - reflektierend auf die
Überlegungen zurückzukommen, von denen wir ausgingen: Welche Rolle spielen die für die alten
Sprachen charakteristischen Erschließungsmethoden für das Verständnis lateinischer Texte?
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