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Meyer, Carla; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Stadt als Thema: Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 — Mittelalter-Forschungen, Band 26: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34907#0303

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302

2. Nürnbergs verschiedene (Er-)Fassungen

sei. Im sechsten Kapitel macht er das gemäßigte Klima der Region wesentlich
mit dafür verantwortlich, dass die Stadt so prosperiere. Aus der sauberen Luft
und den milden Winden resultiere die Energie, Gesundheit und Intelligenz der
Nürnberger - nach Hermann Wiegand ist hier der Einfluss der antiken Kli-
matheorie unverkennbar.^ Diese Erklärung geht über den bereits etablierten
»Unfruchtbarkeitstopos« weit hinaus (im übrigen auch von Celtis im zweiten
Kapitel aufgegriffen), der den Einfallsreichtum der Nürnberg aus der Notwen-
digkeit ableitet, dem kargen Boden reichere Ernten abzuringen.
Doch das Klima ist für das mgcn/Mm der Nürnberger nicht allein verant-
wortlich, vor allem sieht Celtis den »Volkscharakter« durch den Einfluss der
Sterne geformt. Die himmlischen Konstellationen über Nürnberg, die Celtis am
Beginn des sechsten Kapitels breit ausführt, will er mit Hilfe des Breiten- und
Längengrades der Stadt exakt bestimmt haben. Freilich scheinen ihn eher alle-
gorische Vorstellungen geleitet zu haben. So sieht er nämlich Nürnberg vom
Sternbild der Jungfrau dominiert. Dies, so erklärt er, bezeuge sowohl die Sin-
nesart der Nürnberger als auch ihr Stadtwappen, der Adler mit dem Jungfrau-
enkopf.^
Gerhard Fink, der die 2000 ins Deutsche übersetzte, vermutete
in dieser Passage hinter Celtis' Darstellung Spottlust.^ Mit Wiegand ist dies
jedoch als anachronistisches Urteil zu werten: So spiegeln die autobiographi-
schen Elegien der QM%#Mor Lz&n Amonim eindrucksvoll die tiefe Überzeugung
des Autors, welchen dominierenden Einfluss die Gestirne auf seinen eigenen,
als unglücklich empfundenen Lebensweg nahmen?^ Dass Celtis auch seine
astrologischen Diagnosen über die Nürnberger sehr ernst nahm, zeigen die Re-
cherchen, die er dafür unternahm. So ist ein Brief erhalten, den ihm der Regens-
burger Johannes Tolhopf 1492 oder 1493 sandte.^ Tolhopf reagiert darin auf
eine Anfrage des Celtis - Nonhtff'ynyäh? sott szhzm U scnHs, so
umreißt er nämlich zu Beginn die Absicht seines Briefes. Im Folgenden liefert er
einerseits eine etymologische Diskussion des Stadtnamens, aus der er die his-
torischen Anfänge der Stadt entwickelt - oyo pohMS Nond btfryztfOi uehm.

235 Vgl. HERMANN WiEGAND, Volkskunde und Ethnographie bei Konrad Celtis, in: Konrad Celtis
und Nürnberg. Akten des interdisziplinären Symposions vom 8. und 9. November 2002 im
Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg, hg. von FRANZ FucHS, Wiesbaden 2004 (Pirckheimer-
Jahrbuch 19), S. 51-73, hier S. 72. Helius Eobanus Hessus, der für seine 1532 erstmals gedruck-
te Lühs Nonhcrga üiMsfmfa auf die Non'mNrga des Celtis zurückgriff, übernahm diese Passagen
nicht nur in großen Teilen, sondern steigerte sie noch: So erklärt er, in Nürnberg sei die Fuft
reiner als in allen anderen Städten und Fändern, die Bewohner im Handel vortrefflicher, ihr
Geist reger, ihre Seelen frommer sowie ihr Körper kräftiger und damit besser für den Kriegs-
dienst geeignet, vgl. Helius Eobanus Hessus, Lbüs Nonherga fÜMSfrafa, ed. VREDEFELD, 1990,
S.183-266, V. 495-499.
236 Conrad Celtis, Non'mNrga, ed. WERMiNGHOFF, 1921, S. 146f.: Ex sigm'/cro wro wmximc Vüyün's
sidMS fwffafMr, ^Mod cf fugend? cf sfgna nrNs, Hrgdieo capffc de/önwafa, fesfanfnr, ex Quorum
IMfMrfs CMM?MC dlgenio HffC SCM COnfecfMH? ÜCCf Cf UCÜf Cf pofCSf CÜCMf.
237 FiNK, 2000, S. 15 und Stellenkommentar S. 78.
238 Vgl. WiEGAND, 2004, S. 71.
239 Ed. RuppRiCH, 1934, Nr. 66, S. 110-113, zur Datierung s. ebd., S. 110 und S. 113.
 
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