274
noch diesen Abend aus, und brachte auch die Antwort
des sehr bewegten Bruders zurück.
Acht und dreyßigste Unterredung, den
28sten April.
HMch der Erzählung des wachthabenden OWers
hatte der nun gewiß nicht mehr unglückliche
Mann sich am vorigen Abend frühzeitig zu Bette ge-
legt und eine ziemliche Zeit gelesen. Fünf bis sechs
Stunden hatte er ruhig geschlafen. Als er den Mor-
gen erwacht war hatte er eine lange Weile in tiefem
Nachdenken zugebracht, war darauf aufgestanden,
hatte sich angekleidet - und mit dem Ofsicier eine ru-
hige Unterredung gehalten.
Ich traf lhn völlig so angekleidet, wie er nach dem
Richtplatz gehen wollte, auf seinem Kanapee lie-
gend an. Er las in Schlegels Baßivnspredigten, und
empfimg mich mit seiner gewöhnlichen ruhigen und
freundlichen Mime. Ich dachte gestern Abends, sag-
te er, daß es mir vielleicht meinen Hingang zum
Tode erleichtern könnte , wenn ich nun meine Ima-
gination mit angenehmen Bildern von der Ewigkeit
und ihren Freuden erfüllte. Ich hätte dazu Lavaters
Außichten gut gebrauchen können. Aber ich habe es
doch nicht wagen mögen. Ich halte es für besser,
daß ich meinen grossen Schritt mit stiller Überlegung
thue. Die Einbildungskraft, wenn sie einmahl in
Bewegung gesetzt ist, kann leicht eine falsche Wen-
dung machen. Sie könnte jene angenehme Bilder
fahren lassen, und auf die schrecklichen Umstände mei-
nes Todes fallen, und mich dadurch um meine Fas-
sung bringen. Ich will mich selbst unterweges ihr
nicht überlassen, sondern meine Vernunft mit dem An-
denken an den Hingang Jesu zu seinem Tode und mit
Anwendungen daraus auf mich beschäftigen.
noch diesen Abend aus, und brachte auch die Antwort
des sehr bewegten Bruders zurück.
Acht und dreyßigste Unterredung, den
28sten April.
HMch der Erzählung des wachthabenden OWers
hatte der nun gewiß nicht mehr unglückliche
Mann sich am vorigen Abend frühzeitig zu Bette ge-
legt und eine ziemliche Zeit gelesen. Fünf bis sechs
Stunden hatte er ruhig geschlafen. Als er den Mor-
gen erwacht war hatte er eine lange Weile in tiefem
Nachdenken zugebracht, war darauf aufgestanden,
hatte sich angekleidet - und mit dem Ofsicier eine ru-
hige Unterredung gehalten.
Ich traf lhn völlig so angekleidet, wie er nach dem
Richtplatz gehen wollte, auf seinem Kanapee lie-
gend an. Er las in Schlegels Baßivnspredigten, und
empfimg mich mit seiner gewöhnlichen ruhigen und
freundlichen Mime. Ich dachte gestern Abends, sag-
te er, daß es mir vielleicht meinen Hingang zum
Tode erleichtern könnte , wenn ich nun meine Ima-
gination mit angenehmen Bildern von der Ewigkeit
und ihren Freuden erfüllte. Ich hätte dazu Lavaters
Außichten gut gebrauchen können. Aber ich habe es
doch nicht wagen mögen. Ich halte es für besser,
daß ich meinen grossen Schritt mit stiller Überlegung
thue. Die Einbildungskraft, wenn sie einmahl in
Bewegung gesetzt ist, kann leicht eine falsche Wen-
dung machen. Sie könnte jene angenehme Bilder
fahren lassen, und auf die schrecklichen Umstände mei-
nes Todes fallen, und mich dadurch um meine Fas-
sung bringen. Ich will mich selbst unterweges ihr
nicht überlassen, sondern meine Vernunft mit dem An-
denken an den Hingang Jesu zu seinem Tode und mit
Anwendungen daraus auf mich beschäftigen.