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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 5.1902

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Beiblatt
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Weißhäupl, Rudolf: Ephesische Latrinen-Inschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.31257#0243

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Ephesische Latrinen-Inschriften.

Bei den Ausgrabungen in Ephesos trat an der
Agora neben dem ,atrium thermarum Constantianarum‘
ein Corridor zutage, der ungefähr zu Beginn des
4. Jahrhunderts n. Chr. zu einer Latrine umgestaltet
worden war. „Die Längswände waren mit einfachen
Stuckmalereien geziert, deren Hauptbestandtheil in
Manneshölie sorgfältig aufgemalte Inschriften bilden,
von denen zwei auf uns gekommen sind.“ Sie lauten
nach Heberdey, Jalireshefte Beibl. 1898 Sp. 75:

I. Aag 7iodi aLVVjaac; xai tu)£ x £P^ P-ccywpöv asipag
x(ai) ß^ag apaöiYjfrsv, öXov ös t[ö] aajpa öovv)aag,
§£ övöxwv X £^ wv 9P^ va 'cepTiso [i-Yjds as YaaTYjp
jjiTjTTOTS XüTiYjasisv §jjlöv txotI ÖCÖjJia poXÖVTa.

II. Av pYj Y sXtojJLSV TÖV ßtov TÖV ’ ÖpaTISTYjV

TCLVÄVTSg Yj TpüCpWVTSS Yj XsXoupSVOL,

ÖÖÖVYjV §aUTOL£ TtpO^SVOÖJJLSV 71CLVT0TS
ava^LOU? öpwvTs<; sÖTUxeoTspoug.

Ep. II, das offenbar nicht für eine Latrine ge-
dichtet ist, findet sich in folgender Form Anth. Pal.
X 87 Tou aÖTOU in einer langen Reilie von Gedichten
des Palladas und nach XV 19 mit dem Lemma
üaXXaöd ÄAs£avöpstüg:

’Av [JLYj ^sXüjjlSV TÖV pLOV TOV ÖpaTlSTYJV
TÖXYjV TS TCÖpVYjC [5sÖ[iaaLV OUVOUJJLSVYjV,

ÖÖÖVYjV äaUTOLg TCpO^SVOUJJLSV TCaVTOTS
dva^LOU«; öpüjVTSg sÖTUXsaxspou^.

Für V. 2 des Epigramms bietet zweifellos die
Anthologie die ursjDriingliche Gestalt; vgl. die Palladas-
Epigramme X 62, 65, 96, IX 182. V. 2 der Inschrift
verdankt seine Einfiigung dem Bestreben, das Gedicht
wenigstens in entferntere Beziehung zu der Latrine
zu setzen: wie Bormann bemerkt, war mit dem
Bade, zu dem diese gehörte, wohl auch eine Kneipe
verbunden.

In V. I ist die Schreibung ^sXüjjJLSV beizubehalten.
Dies beweist zwar nicht der Sinn des Epigrammes im
allgemeinen, denn der Gedanke: PaclC das Leben und
das Schicksal beim Schopfe (§Xü)j.lsv) entspricht ebenso
demCharakter der Palladas-Gediclitewie die Mahnung:
Setze dich mit philosophischem Lächeln über die Un-
beständigkeit und Ungerechtigkeit des Schicksales
hinweg (^sXüjjxsv); vgl. einerseits z. B. XI 54 h, 62,

anderseits IX 172, X 61, 77, 96. Für ^sXüjjisv
sprechen aber die tadelnden Attribute, die der Dichter
dem ßLOg und der töxyj beilegt (öpaTiSTYjv; TiöpVYjg
(5sö|JLaaLV YtLVOUjJLsvYjv): solcher Dinge sucht man nicht
und suclit vor allem Palladas nicht habliaft zu werden,
um sich an ihnen zu ergötzen. Ferner hebt Franke,
De Pallada epigrammatographo p. 84, hervor, dass der
Dichter bloßes ys in der großen Zahl erhaltener
Epigramme nur einmal anwendet. 1)

In Y. 2 der Inschrift wurde vorgeschlagen
tclvovts«; zu lesen, trotz der Entsprechung des Palladas-
Gedichtes X 81

"Q zrjg ßpaxsLag fjdov?j<; xrjg tou ßLou!

Tyjv ö^ÖTYjTa tou xpövou TtsvohjaaTS.

TljjLslg xaS-s^öjjLsa^a xai xoLjJLWjjLSofa

JJLOX^'OUVTSg fj ZpöCpWVXSg' 6 ÖS XpÖVOg TpSXSL xtX.,

eine Entsprechung, die micli zuerst daran denken
ließ, auch jenen Vers auf ein Epigramm des Palladas
zurückzuführen.

Man möchte vermutlien, dass auch Ep. I auf
Palladas zurückgehe, und thatsächlich stimmen die
homerischen Phrasen in Y. I, 3 und 4 gut zu der
von Franke a. a. O. S. 37 ff. geschilderten Eigenart
des Dichters. Doch findet sicli wenigstens unter den
erhaltenen Epigrammen des Palladas keines, das
inhaltlich unserer Inschrift entspräche.

Da Palladas um die Wende des 4. Jahrhunderts
bliihte (Franke a. a. O. S. 37 ff.), müssen die In-
schriften, die Richtigkeit der Heberdeyschen Datie-
rung der Latrine vorausgesetzt, erst nachträglich auf-
gemalt worden sein.

Eine Parallele zu den ephesischen Latrinen-
epigrammen bilden die Gedichte des Agathias, Anth.
Pal. IX 642 — 644 slg aü)T7jpLa §v Spöpv’# §v xcpo-
aaTSLCp und 662, wohl auf dieselbe Latrine, von denen
die drei ersteren schon wegen des Lemmas wirkliche
Inschriften sind. Aucli sie mögen vielleicht wie die
Epigramme von Epliesos decorativ verwendet worden
sein, wozu man eine mir von Professor v. Arnim
nachgewiesene Außerung des Chrysippos vergleichen
mag, Plutarch de Stoic. repugn. c. 21 (1044 D): §v
Ö6 Tcjj Tispi üoXLTsiag slrccbv ötl „iyyos §ajisv toö
Kcd TOÖg TCOTCpüjvag ^CO^pacpSLV“.

Wien. RUDOLF WEISSHÄUPL.

J) XI 353, 5. In ös ist es sclion wegen des vorausgehenden si ö’ nicht zu ändern.
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. V Beiblatt.

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