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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 5.1902

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Groag, Edmund: Dacier vor Traian
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https://doi.org/10.11588/diglit.31257#0246

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Dacler vor Traian.

Die Darstellung des ersten dacischen Krieges
auf dem Reliefband der Traianssäule endigt in eine
große Composition, die den Schlussact des Feldzuges,
die Unterwerfung des dacischen Volkes, vorführt
(Tafel 103 bei Fröhner, LIV in der Publication von
Cichorius). Vor dem Tribunal, auf welchem der
Kaiser, von seinen Officieren umgeben, Platz ge-
nommen hat, ist der lange Zug der besiegten Dacier
erschienen; deutlich sind in demselben mehrere
Einzelgruppen unterscliieden. Inmitten von zwei
Gruppen kniender Dacier, die ihre Hände zum
Kaiser emporstrecken, sehen wir fünf aufrechtstehende
Männer. Bei den beiden, die im Vordergrunde stehen,
ist zu erkennen, dass sie die Hände am Rücken ge-
kreuzt halten; dieselbe Haltung dürften die beiden
Dacier im Hintergrunde eingenommen haben, während
der fünfte in der Gruppe die Linke frei gesenkt hält.
Rechts von der zweiten Schar der Knienden steigt
das Terrain plötzlich an; auf felsigem Grunde, der
sich wieder allmählich senkt, eilen 13 Barbaren mit
ihren Feldzeichen schreitend in der Richtung zu
Traian hin vor. Jenseits dieser Abtheilung steigt der
Felsen wiederum an; auf der Höhe desselben steht
ein Dacier von mächtiger Gestalt, der die Arme mit
abgemessener Geberde gegen Traian hin ausbreitet
und wie aus dem Hintergrunde die ganze Scene der
Ergebung aufrecht beherrscht.

Während die Gruppe der knienden Dacier
keiner weiteren Erklärung bedarf, ist nicht von vorn-
herein einleuchtend, weshalb ein Theil der Unter-
worfenen auf erhöhtem Terrain dargestellt ist. Ci-
chorius (Reliefs der Traianssäule II 358) erklärt
dies mit der Absicht des Künstlers, in dem aufrecht-
stehenden Manne rechts „den Gipfelpunkt der ganzen
Unterwerfungsscene“ erkennen zu lassen. Doch dieses
Ziel wäre auch durch andere Mittel, jedesfalls schon
durch die Darstellung eines allmählich ansteigenden
Terrains erreicht worden, während in dem Reliefbild
der Felsen plötzlich ansteigt, um sicli dann wieder
mählich zu senken. Cichorius Erklärung dürfte dem-
nacli dahin zu ergänzen sein, dass der Künstler dem
wirklichen Vorgang nach Möglichkeit gerecht werden
wollte. Nur ein Theil der Dacier wird in die Ebene
hinabgezogen sein, um hier die Unterwerfung zu
vollziehen, während das übrige dacische Heer mit
seinen Fahnen auf den Höhen ringsum aufmarschierte.
Die imponierende Figur des Daciers am Schlusse
des Zuges kann niemand anderer sein als der dacische

König selbst (vgl. Cichorius 357 f.). Er steht hoch-
aufgerichtet da: zwar besiegt, aber in ungebrochener
Kraft.

Welche Bewandtnis hat es jedoch mit der Gruppe
der Männer, die in aufrechter Stellung die Hände
am Rücken halten? Man hat für dieselbe die ver-
schiedensten Deutungen vorgebracht. Fröhner (La
colonne Traiane, Text 1872, p. 16) meinte, die
Leute erwarteten, die Hände auf dem Rücken, die
Entscheidung des Kaisers*, aber eine derart gemäch-
liche Haltung lässt sich schwer mit der tiefernsten
Situation vereinigen. Pollen (A description of the
Traian Column 1874, 47) sieht in den fünf Daciern
Gefangene, die für den Triumph bestimmt seien. Doch
ist dann nicht zu verstehen, weshalb vier von den
Gefangenen gefesselt sein sollten, während der fünfte
zweifellos aller Bande ledig ist. Cichorius sucht
zwar diesem Einwand gerecht zu werden, aber seine
Auslegung begegnet anderen Schwierigkeiten. Die
Gefesselten, schreibt er, sind die ausgelieferten Über-
läufer, „für die, da sie auf Gnade nicht zu hoffen
haben, ein Bitten zwecklos wäre, und die frei Da-
stehenden die Ingenieure, die nicht zu bitten brauchen,
da sie keinerlei Schuld auf sich geladen haben“ (?).
Aber nicht bloß die Tracht, auch die Physiognomie
der Leute zeigt rein dacischen Charakter (vgl.
Petersen a. gl. a. O.). Römer in dacischen Diensten
werden dagegen auf der Traianssäule mit genauer
Wahrung ihres Nationaltypus dargestellt, wie die
zwei- oder dreimal wiederkehrende Figur eines
Römers beweist, der in dacischer Tracht unter den
Daciern kämpft (Tafel XXIV und XXIX, vielleicht
auch LXVIII bei Cichorius, vgl. dessen Bemer-
kungen S. 154. 190). Petersen, der Cichorius Deutung
entgegentritt (Traians dakische Kriege I 1899 p. 82),
hält die fünf Männer für wortbrüchige Dacier, eine
Annahme, die in der Überlieferung keine Stütze
findet. Und doch gibt Dios Bericht über die Unter-
werfung der Dacier die Erklärung der Gruppe. In
den Excerpten aus Dio heißt es (Dio LXVIII 10, i),
dass von Decebalus Gesandte an den Senat geschickt
wurden, die ohne Waffen, die Iiände nach Art von
Gefangenen verschlungen, vor den Senat traten. Die
Worte auvv^av xag X £T a5 £v atxpaXd)TO)v oxrj\ioczi
können kaum anderes bedeuten, als dass die dacischen.
Gesandten die Hände auf dem Rücken gekreuzt
hielten. Gerade dies ist in dem Reliefbilde dargestellt.
Denn dass wir nicht Gefangene vor uns haben, wird
 
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