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Österreichisches Archäologisches Institut [Editor]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 15.1912

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Six, Jan: Altgriechische Gewebemuster und Webetechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.45420#0097

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Altgriechische Gewebemuster und Webetechnik.

Wenige Fachgenossen dürften, denke ich, von dem antiken Gewebe eine
klare Vorstellung haben, auch wenn ihnen der frühzeitige Einfluß der Gewebe-
muster, die mit der notwendigen Verschlingung der Fäden den Horror vacui
ältester Stilarten erklären sollen, feststeht1). Sieht man an einem nicht allzu-
komplizierten Webstuhl, wie sie noch heute in Brabant üblich sind, die einfach-
sten Muster von handgewebtem Leinendamast (holländisch pellen) herstellen, so
empfängt man den Eindruck des Wunderbaren wie vor den Schöpfungsrätseln
der Natur. Man sieht, aber begreift nicht. Sind infolge der Dicke und der Farbe
des Fadens die Vorgänge leichter zu verfolgen, wie das bei den Hilversumer
Teppichgeweben aus Kuhhaar der Fall ist, so meint man wohl beim Zusehen zu-
nächst den technischen Vorgang zu verstehen; aber es wird doch den meisten
schwer fallen, sich im Nachhinein darüber Rechenschaft zu geben, wie eigentlich
der Vorgang in seinen einzelnen Phasen sich abspielte.
Ein mehrjähriges Studium altholländischer, altflandrischer, altsächsischer
Leinendamastmuster vermittelte mir eine tiefere Einsicht in das Wesen der Webe-
technik und führte mich auch in Bezug auf die einfachsten Muster des XVI. bis
XVIII. Jahrhunderts auf technische Fragen, wobei mir die Korrespondenz mit
Herrn Jos. v. Munster, einen Leinendamastweber zu Boxtel, von Nutzen war. Die
neuschwedischen Webeversuche meines jüngsten Sohnes, dem sein Bruder einen
kleinen Webstuhl konstruiert hatte, nötigten mich zum Entwerfen des einfachsten
Musters in „Gobelin“-Technik; vor allem aber gibt mir die Belehrung, die ich der
klaren Auseinandersetzung von Luther Hooper2) in dem Handbuch über Hand-
gewebe verdanke, den Mut, den Fachgenossen meine Ansichten über die Erklärung
der antiken Gewebemuster in Bezug auf ihre technische Entstehung im Zusammen-
hänge vorzulegen.
Die nächste Veranlassung zu meiner Untersuchung war die Abbildung eines
Webstuhles in Bergen (Norwegen), die Chr. Blinkenberg in den Athen. Mitteilungen
XXXVI 1911 S. 151 gegeben hat. Von den übrigen dort genannten Abbildungen

*) E. Buschor in seiner Münchener Dissertation,
Beiträge zur Geschichte der griechischen Textilkunst,
S. 5 und 9, weist nach, daß dieser Gedanke auf Conze
und Semper zurückgeht.
2) Hand-loom weaving, plain and ornamental
Jahreshefte des österr. archäol. Institutes Bd. XV.

by Luther Hooper: with linedrawings by the author
and Noel Rooke: also collotype illustrations from
ancient and modern textiles published by John Hogg
13 Paternoster Row, London 1910.

II
 
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