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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 15.1912

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Töply, Robert von: Antike Zahnzangen und chirurgische Hebel
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https://doi.org/10.11588/diglit.45420#0362

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135

R. v. Töply

Antike Zahnzangen und chirurgische Hebel.

I. Zangen sind — vom technologischen Stand-
punkte aufgefaßt — gekreuzte doppelte Hebel, also ein
zusammengesetztes Werkzeug, das einen bereits vorge-
schrittenen Kulturzustand voraussetzt. Seine Vorläufer
sind die chirurgischen einfachen Hebel, die sich bis auf
unsere Tage in Form des sogenannten Elevatorium
zum Emporheben eingedrückter Knochen, festsitzender
Geschosse u. dgl. erhalten haben: in der einfachsten
Form eine etwa 0*15m lange, schwach s-förmig ge-
bogene Metallstange, am einen Ende meißelförmig,
am anderen zugespitzt, beide Enden an der konkaven
Fläche tief gekerbt. Bei künstlerisch behandelten
Exemplaren war die Mitte sehr oft — noch im 19. Jahr-
hundert — balusterförmig gestaltet1). In der modernen
Chirurgie spielt dieser Hebel längst nicht mehr jene
Rolle, wie in der Zeit vor Einführung der Äther-
narkose, da er ein unerläßliches Inventarstück bei
der Behandlung von Schädelverletzungen war2).
Daß bereits die Alten den einfachen chirurgischen
Hebel kannten, ist aus Denkmälern zu erweisen. Un-
sicher ist, ob ein auf einem Relief im Nationalmuseum
in Athen (n. 1378) aus dem dortigen Asklepieion3)
wiedergegebenes Instrument hieher gehört. In einer
Kassette ist neben fünf Skalpellen ein einem doppelt-
geschweiften Bogen ähnliches Instrument wiederge-
geben, von dem Anagnostakis vermutet, daß es zum
Abnehmen von Schröpfköpfen diente (deren zwei
neben dem Instrumentarium erscheinen), das aber
ebensogut ein atypisches Elevatorium darstellen kann.
Doch bleibe dies dahingestellt, da in den vorhande-
nen Darstellungen antiker Instrumentenkästchen noch
kompliziertere hakenförmige Werkzeuge vorkommen,
die bestimmt keine Elevatorien sind4).
Typische Elevatorien römischen Ursprungs be-
wahrt das Nationalmuseum in Neapel unter n. 78012
4) C. J. Cessner, Instrumenten- und Verband-
lehre2 Wien 1855 S. 43.
2) Tractatus de Fractura Calue sine Cranei a
Carpo edit. 1518. Bonon. fol. 93b m. Abb.
3) Bull, de corr. hell. I 212 pl. 9; Daremberg-
Saglio, Dict. fig. 1389; zuletzt Svoronos, Das Athener
Nationalmuseum Taf. 47 und Milne, Surg. instrum.
in greek and rom. times Taf. IV.
4) Vgl. das wiederholt, aber mangelhaft abge-
bildete Instrumentenkästchen des kapitolinischen Mu-
seums, Daremberg-Saglio, Dictionnaire fig. 1387, dazu

und 780135). N. 78012 mit schmuckloser Stange
endet beiderseits unvermittelt in breitere, einseitig
gekerbte Branchen, die sich nach vorn verjüngen.
Das Instrument ist doppelt s-förmig gebogen, d. h.
die ziemlich langen Endbranchen sind neuerlich im
stumpfen Winkel nach entgegengesetzten Seiten ab-
gebogen. Die größtenteils gerade Stange von n. 78012
ist in der Mitte drehrund, weiterhin vierkantig, be-
ziehungsweise achtkantig. Auch hier an beiden Enden
breitere, einseitig gekerbte Branchen, die im Winkel
nach entgegengesetzter Richtung abbiegen und von
denen die eine sich nach vorn mäßig verjüngt, die
andere spitz zuläuft. Beide Instrumente sind aus
Bronze.
Zu diesen Elevatorien kommt ein eigentümliches
Stück in der Antikensammlung des Museum Kirche-
rianum zu Rom6). Ich habe es . an Ort und Stelle im
Jahre . 1905 nur flüchtig gesehen, . doch verfüge
ich dank freundlicher Vermittlung Eman. Löwys
sowie der Bereitwilligkeit der Musealdirektion in
Rom über eine Federzeichnung und drei photogra-
phische Aufnahmen, die ich der Beschreibung zu-
grunde lege (Fig. 121). Der 0*23m lange Stiel ist
gerade, mit Wulstprofil in der Mitte. Von den ein-
seitig gekerbten, nach vorn sich verbreiternden End-
branchen ist die eine, im stumpfen Winkel absetzende,
gerade, die andere mäßig bogenförmig gekrümmt. Die
gekerbten Flächen der Endbranchen sind entgegen-
gesetzt orientiert. Ganz abweichend vom üblichen
Typus ist der nur O’OO2m dicke Stiel zwischen dem
zentralen Wulste und dem Ansatz der Branchen
platt, länglich-elliptisch, in der Gegend der kleinen
Ellipsenachse 13—I4mm breit. In der Mitte befindet
sich beiderseits ein längliches Loch. Da das Werkzeug
in diesem Zustand nicht nur nicht handlich, sondern

das Sarkophagrelief in der Villa Haig auf Monti
Parioli bei Rom mit einem lesenden griechischen
Arzte, vor ihm der Schrank mit Bücherrollen, darauf
ein Instrumentenkästchen,· Petersen, Röm. Mitt._XV
1900 S. 171; Clark Fig. 13; Schreiber, Bilderatlas
Taf. 91, 8; Daremberg-Saglio, Dict. fig. 524, besser
4886; Birt, D. Buchrolle in d. Kunst 1907 Abb. 171.
5) N. 78013 bei Celse par. Vedrenes pl. 10
fig. 3 nach Vulpes.
6) Die zahlreichen chirurgischen Instrumente die-
ses Museums wären einer besonderen Publikation wert.
 
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