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J. Six
gebildet wird, genau in der Weise wie die Quadrate jener kleinrussischen Frauen-
röcke, nur mit mehr gefüllter Musterung (Fig. 70). In einer kleinen Wiedergabe, wie
auf den Vasen, würden diese fast quadratischen Vierecke kaum anders wie einfärbig
darzustellen sein. Die Technik der Broschierung scheint in beiden Fällen eine
quadratische Begrenzung zu fordern. So scheint am Ende die Frage nahezuliegen,
ob doch nicht auch die Schachbrettmuster durch diese Technik hergestellt wären.
Geflissentlich habe ich es vermieden, die reiche Mannigfaltigkeit im Muster
der Bekleidung der Bogenschützen, die uns die Vasen bieten, heranzuziehen. Nicht
so sehr, weil diese Perser, Skythen, Amazonen keine Griechen sind — ich würde
nicht gerne dafür einstehen, daß alle diese Muster nach wirklich echten Vorlagen
gemalt sind —, sondern weil ich überzeugt bin, daß die Maler sich wohl bewußt
waren, keine Gewebemuster abzubilden. Herodot I 71 berichtet mit unzweideutigen
Worten von den Persern: σκυτίνας μέν άναξυρίδας, σκυτίνην μέν άλλην έσίίητα φορέουσι.
Dasselbe gilt von den Skythen und die Amazonen werden offenbar in demselben
ledernen Reiteranzug gedacht. Lederhosen sind ja auch heute noch für Reiter
etwas Gewöhnliches, wenn sie auch längst nicht mehr bunt bemalt werden.
Auch auf die kretisch-mykenische Tracht bin ich nicht eingegangen. Ge-
webt hat man in Kreta in vorgeschichtlicher Zeit gewiß75). Das geht aus den
Funden von Kettenbeschwerern, aus den Abbildungen von schleierartigen Stoffen
hervor. Aber das beweist keinesfalls, daß alles, was uns die Abbildungen von Ge-
wändern Überraschendes gelehrt haben, gewebte Stoffe wiedergibt. Die wulstigen
Gürtel76), die eng anschließenden Mieder77) der Frauen haben nicht die geringste
Ähnlichkeit mit Gewebtem, vielmehr scheint Leder der selbstverständliche Grund-
stoff. Für Gürtel, auch Frauengürtel, wird Leder noch immer gerne verwendet, wenn
auch in anderer Form, da man eben keine gepolsterten Gürtel mehr kennt; für Mieder
wohl weniger, doch erinnere ich mich, vor 30 Jahren gehört zu haben, daß damals
junge Mädchen zur Erreichung besonderer Schlankheit lammlederne Korsette trugen.
Leder als Grundstoff der Kleidung ist bei uns auf Schuhe und Stiefel,
Handschuhe und wohl noch Reithosen, alles Kleidungsstücke, die besonders eng
anschließend sitzen sollen, beschränkt, aber Lederkoller sind beim Militär kaum
überall gänzlich verschollen und wohl jedes ethnographische Museum hat
75) Es ist bis jetzt nicht sichergestellt, ob damals,
wie in Ägypten und Phönizien, die Männer, oder
wie später in Griechenland, die Frauen webten.
Bei Homer weben die Königinnen, wie auch die
Königstochter bei den Phäaken selbst die Wäsche
besorgt. Bis jetzt kennen wir die kretisch-mykenischen
Frauen nur beim Kult, beim Tanz, bei den Spielen.
Hat sich die soziale Stellung der Frau vielleicht zu
derselben Zeit geändert, zu der sie die Weber-
arbeit übernommen hat?
’6) Evans, The Palace of Knossos (1903) Fig. 58.
77) Evans a. a. O. Fig. 54—58 und an vielen Orten.
J. Six
gebildet wird, genau in der Weise wie die Quadrate jener kleinrussischen Frauen-
röcke, nur mit mehr gefüllter Musterung (Fig. 70). In einer kleinen Wiedergabe, wie
auf den Vasen, würden diese fast quadratischen Vierecke kaum anders wie einfärbig
darzustellen sein. Die Technik der Broschierung scheint in beiden Fällen eine
quadratische Begrenzung zu fordern. So scheint am Ende die Frage nahezuliegen,
ob doch nicht auch die Schachbrettmuster durch diese Technik hergestellt wären.
Geflissentlich habe ich es vermieden, die reiche Mannigfaltigkeit im Muster
der Bekleidung der Bogenschützen, die uns die Vasen bieten, heranzuziehen. Nicht
so sehr, weil diese Perser, Skythen, Amazonen keine Griechen sind — ich würde
nicht gerne dafür einstehen, daß alle diese Muster nach wirklich echten Vorlagen
gemalt sind —, sondern weil ich überzeugt bin, daß die Maler sich wohl bewußt
waren, keine Gewebemuster abzubilden. Herodot I 71 berichtet mit unzweideutigen
Worten von den Persern: σκυτίνας μέν άναξυρίδας, σκυτίνην μέν άλλην έσίίητα φορέουσι.
Dasselbe gilt von den Skythen und die Amazonen werden offenbar in demselben
ledernen Reiteranzug gedacht. Lederhosen sind ja auch heute noch für Reiter
etwas Gewöhnliches, wenn sie auch längst nicht mehr bunt bemalt werden.
Auch auf die kretisch-mykenische Tracht bin ich nicht eingegangen. Ge-
webt hat man in Kreta in vorgeschichtlicher Zeit gewiß75). Das geht aus den
Funden von Kettenbeschwerern, aus den Abbildungen von schleierartigen Stoffen
hervor. Aber das beweist keinesfalls, daß alles, was uns die Abbildungen von Ge-
wändern Überraschendes gelehrt haben, gewebte Stoffe wiedergibt. Die wulstigen
Gürtel76), die eng anschließenden Mieder77) der Frauen haben nicht die geringste
Ähnlichkeit mit Gewebtem, vielmehr scheint Leder der selbstverständliche Grund-
stoff. Für Gürtel, auch Frauengürtel, wird Leder noch immer gerne verwendet, wenn
auch in anderer Form, da man eben keine gepolsterten Gürtel mehr kennt; für Mieder
wohl weniger, doch erinnere ich mich, vor 30 Jahren gehört zu haben, daß damals
junge Mädchen zur Erreichung besonderer Schlankheit lammlederne Korsette trugen.
Leder als Grundstoff der Kleidung ist bei uns auf Schuhe und Stiefel,
Handschuhe und wohl noch Reithosen, alles Kleidungsstücke, die besonders eng
anschließend sitzen sollen, beschränkt, aber Lederkoller sind beim Militär kaum
überall gänzlich verschollen und wohl jedes ethnographische Museum hat
75) Es ist bis jetzt nicht sichergestellt, ob damals,
wie in Ägypten und Phönizien, die Männer, oder
wie später in Griechenland, die Frauen webten.
Bei Homer weben die Königinnen, wie auch die
Königstochter bei den Phäaken selbst die Wäsche
besorgt. Bis jetzt kennen wir die kretisch-mykenischen
Frauen nur beim Kult, beim Tanz, bei den Spielen.
Hat sich die soziale Stellung der Frau vielleicht zu
derselben Zeit geändert, zu der sie die Weber-
arbeit übernommen hat?
’6) Evans, The Palace of Knossos (1903) Fig. 58.
77) Evans a. a. O. Fig. 54—58 und an vielen Orten.