Münster zu Konstanz
reichen Steinmetzzeichen in der spätromanisch-frühgotischen Form, die sich in gleicher
Weise bis zum Glockengeschoß wiederholen. Wenn 1255 ein Vertrag zwischen dem
Bischof und der Stadt „umb den Bau in dem Münster umb die Glocken und umb die
Wacht uff dem Wendelstein“ geschlossen wurde, könnte es sich danach nur um den
Nordturm handeln, den „alten Wendelstein“, während der andere stets „der neue
Wendelstein“ genannt wird, der anscheinend in der ersten Hälfte des 14. Jh. errichtet ist.
Erstmalig werden beide Türme 1348 genannt, als Graf Hugo v. Montfort im Streit mit
dem Bischof die Burg Gottlieben und „alle hospicia iuxta castrum“ einäscherte und
die Ritter den Zugang zu den Münstertürmen sperrten, um einen Aufruf der Bürger zu
Gunsten des Bischofs zu verhindern, „angularia ecclesiae precavebant“ (Rs. Reg.). Der
Turm muß damals bis zu gewisser Höhe aufgeführt gewesen sein. Daß er aber bald
nachher wohl wegen schlechter Fundamentierung und durch das starke Erdbeben von
1356 beschädigt worden und daß 1378 ein abermaliger Neubau begonnen sei (Gröber),
ist durch keine Quelle bestätigt und nicht anzunehmen. Denn 1361 war der Turm noch
im Bau, als Graf von Montfort „super angulari novo“ ein Mahl einnehmen wollte. Es
war die Zeit des Interdiktes, in der jener im Streit mit dem Bischof dergleichen wagte,
„eine der dunkelsten Zeiten der Konstanzer Bistumsgeschichte“. „Ecclesia tune male
in temporalibus et in spiritualibus pessime regebatur“, wie der Chronist Heinrich von
Diessenhofen 1357 sagt. Sechsmal wurde im Laufe von 6 Jahrzehnten die Diözese mit
dem Interdikt belegt, dabei einmal für 20 Jahre. Das erklärt es vielleicht mit, wenn
die Bauarbeiten am Südturm sich durch Jahrzehnte hinzogen. Erst 1378 „deckt man
den nuven wendelstain zuo den muonster von oben an von dem knopff herab mit bilig
und warent vill gerust ob enander“ (Rs. Reg.). So zeigt die älteste Ansicht auf Dachers
Zeichnung die beiden Türme mit den hohen Helmen (Abb. 2). Im nächsten Jahre 1379
wurde die große Glocke für den Südturm gegossen.
Das Konzil Das große Konzil 1414—1418 brachte den Höhepunkt in der Geschichte von Konstanz
und seiner Kathedrale. Es war die glänzendste Kirchenversammlung, die jemals dies-
seits der Alpen stattfand. Sie sah: außer dem Papste 3 Patriarchen, 23 Kardinäle,
93 Erzbischöfe, 151 Bischöfe, 100 Äbte und 50 Pröpste, dazu als höchsten Vertreter
weltlicher Macht König Sigismund, durch dessen Bemühen vor allem das Konzil zu-
stande kam, und die Königin, neben ihnen zahlreiche Mitglieder des höheren und
niederen Adels, und sie alle mit einem fast unübersehbar großen Gefolge, dazu die
erlauchten Vertreter der Wissenschaft und die Schar der Händler und Handwerker aller
Zweige und sehr viele Künstler, die das handwerkliche und künstlerische Schaffen
zweifellos, ohne daß wir es genau nach Umfang und Art festlegen können, in Konstanz
vielfach angeregt und befruchtet haben müssen. Aber am Münsterbau selber und seiner
Ausstattung hinterließ diese glänzende Versammlung erlesener Geister keine direkten
Spuren. Hätte Konstanz nicht im damaligen Bischof Otto III. von Hachberg einen so
wahren und hochherzig opferwilligen Kunstfreund besessen, so wäre die in die Stadt
getragene Kulturwelle im Sande verronnen (Gröber). Vielleicht war er es auch, der den
Papst Martin V. veranlaßte, am Schlußtage des Konzils, am 22. April 1418, zum Aus-
druck des Dankes für die lange Gastfreundschaft allen einen 40 tägigen Ablaß zu ge-
währen, die am Feste Mariä Geburt und am Martinstage das Münster besuchen und zu
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reichen Steinmetzzeichen in der spätromanisch-frühgotischen Form, die sich in gleicher
Weise bis zum Glockengeschoß wiederholen. Wenn 1255 ein Vertrag zwischen dem
Bischof und der Stadt „umb den Bau in dem Münster umb die Glocken und umb die
Wacht uff dem Wendelstein“ geschlossen wurde, könnte es sich danach nur um den
Nordturm handeln, den „alten Wendelstein“, während der andere stets „der neue
Wendelstein“ genannt wird, der anscheinend in der ersten Hälfte des 14. Jh. errichtet ist.
Erstmalig werden beide Türme 1348 genannt, als Graf Hugo v. Montfort im Streit mit
dem Bischof die Burg Gottlieben und „alle hospicia iuxta castrum“ einäscherte und
die Ritter den Zugang zu den Münstertürmen sperrten, um einen Aufruf der Bürger zu
Gunsten des Bischofs zu verhindern, „angularia ecclesiae precavebant“ (Rs. Reg.). Der
Turm muß damals bis zu gewisser Höhe aufgeführt gewesen sein. Daß er aber bald
nachher wohl wegen schlechter Fundamentierung und durch das starke Erdbeben von
1356 beschädigt worden und daß 1378 ein abermaliger Neubau begonnen sei (Gröber),
ist durch keine Quelle bestätigt und nicht anzunehmen. Denn 1361 war der Turm noch
im Bau, als Graf von Montfort „super angulari novo“ ein Mahl einnehmen wollte. Es
war die Zeit des Interdiktes, in der jener im Streit mit dem Bischof dergleichen wagte,
„eine der dunkelsten Zeiten der Konstanzer Bistumsgeschichte“. „Ecclesia tune male
in temporalibus et in spiritualibus pessime regebatur“, wie der Chronist Heinrich von
Diessenhofen 1357 sagt. Sechsmal wurde im Laufe von 6 Jahrzehnten die Diözese mit
dem Interdikt belegt, dabei einmal für 20 Jahre. Das erklärt es vielleicht mit, wenn
die Bauarbeiten am Südturm sich durch Jahrzehnte hinzogen. Erst 1378 „deckt man
den nuven wendelstain zuo den muonster von oben an von dem knopff herab mit bilig
und warent vill gerust ob enander“ (Rs. Reg.). So zeigt die älteste Ansicht auf Dachers
Zeichnung die beiden Türme mit den hohen Helmen (Abb. 2). Im nächsten Jahre 1379
wurde die große Glocke für den Südturm gegossen.
Das Konzil Das große Konzil 1414—1418 brachte den Höhepunkt in der Geschichte von Konstanz
und seiner Kathedrale. Es war die glänzendste Kirchenversammlung, die jemals dies-
seits der Alpen stattfand. Sie sah: außer dem Papste 3 Patriarchen, 23 Kardinäle,
93 Erzbischöfe, 151 Bischöfe, 100 Äbte und 50 Pröpste, dazu als höchsten Vertreter
weltlicher Macht König Sigismund, durch dessen Bemühen vor allem das Konzil zu-
stande kam, und die Königin, neben ihnen zahlreiche Mitglieder des höheren und
niederen Adels, und sie alle mit einem fast unübersehbar großen Gefolge, dazu die
erlauchten Vertreter der Wissenschaft und die Schar der Händler und Handwerker aller
Zweige und sehr viele Künstler, die das handwerkliche und künstlerische Schaffen
zweifellos, ohne daß wir es genau nach Umfang und Art festlegen können, in Konstanz
vielfach angeregt und befruchtet haben müssen. Aber am Münsterbau selber und seiner
Ausstattung hinterließ diese glänzende Versammlung erlesener Geister keine direkten
Spuren. Hätte Konstanz nicht im damaligen Bischof Otto III. von Hachberg einen so
wahren und hochherzig opferwilligen Kunstfreund besessen, so wäre die in die Stadt
getragene Kulturwelle im Sande verronnen (Gröber). Vielleicht war er es auch, der den
Papst Martin V. veranlaßte, am Schlußtage des Konzils, am 22. April 1418, zum Aus-
druck des Dankes für die lange Gastfreundschaft allen einen 40 tägigen Ablaß zu ge-
währen, die am Feste Mariä Geburt und am Martinstage das Münster besuchen und zu
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